Trinkt mehr, tut Gutes

, von  Vincent Venus

Trinkt mehr, tut Gutes
111 Liter Bier trank der Deutsche im Durchschnitt 2008 Bestimmte Rechte vorbehalten von lungstruck

„Ich hätte früher los gehen sollen“, das denke ich mir immer, wenn ich durch Lille laufe. Egal ob zur Vorlesung oder wie jetzt, auf dem Weg zum Kino, ich bin spät dran. Noch ungefähr 12 Minuten habe ich, dann muss ich da sein, um noch gute Plätze für „The Artist“ zu ergattern. Schnellen Schrittes laufe ich durch Wazemmes, der hippe, aber arme Stadtteil im Süden von Lille. Einige gute „Cafés“ (französisch für Kneipe oder Bar) bilden den Kontrast zu den drei Obdachlosen, über die ich auf dem Weg zum Kino stolpere.

Die Bettler und Obdachlosen begegnen einem überall. Mit mir stehen sie dann morgens bei Lidl in der Schlange – ich mit einem Brot und Orangensaft, er mit sechs Starkbier, 70 Cent die Dose. Das ist bitter, da blutet das sozialdemokratische Herz. „Was tun?“, denke ich dann manchmal, oder „Bin ich denn besser“, wenn ich für die kommende Erasmus-Party selber Alkoholflaschen auf das Band lege.

Menschen trinken Alkohol und werden das auch immer machen. Es ist eine angenehme Droge: gesellschaftlich akzeptiert, leicht zu beschaffen und günstig – wenn man nicht gerade in Lille lebt. Ungefähr 141 Liter alkoholhaltige Getränke konsumiert der Deutsche im Jahr. Die meisten können sich beherrschen, bis zu 2,5 Millionen Mitbürger sind dagegen alkoholkrank.

Wie man dagegen vorgehen kann, weiß ich nicht. Doch vielleicht kann man die Trinkfreude der Menschen ja für etwas Gutes einsetzen. „Saufen für die Armen“ wäre ein plakativer Titel, für das, was mir vorschwebt. Ganz grob geschätzt veranschlage ich zwei Euro für jeden Liter Alkohol. Das bedeutet, dass jeder Deutsche im Durchschnitt 282 Euro im Jahr für Bier, Wein und Schnaps ausgibt (meine Quelle spricht von „Getränkeverbrauch pro Einwohner“. Nach meiner Interpretation sind Kinder auch Einwohner, das heißt, dass die Erwachsenen wohl deutlich mehr trinken, als die 141 Liter. Aber was soll’s?). Der Taschenrechner kommt auf eine stolze Zahl: 23.124.000.000 Euro werden insgesamt, ganz grob geschätzt, für Alkohol ausgegeben. Würde man diese Zahl mit nur zwei Prozent besteuern, dann hätte der Staat 462.480.000 zur Verfügung – Geld, mit dem er locker jedem der 330.000 Obdachlosen in Deutschland eine Wohnung spendieren könnten. In Frankreich dürften die Zahlen pro Kopf wohl ähnlich sein.

Wäre das nicht der Traum aller Studenten? Und wir ERASMUS-Studenten erst! Endlich könnten wir mit gutem Gewissen trinken. Die fünf Euro für das Bier nach dem Kino, na und? Dann könnte ich sagen: „Ich trinke, weil ich mir meiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst bin. Ich bin ein guter Mensch. Ich weiß ja, dass der Obdachlose auf dem Weg zum Kino von meinem Genuss profitiert hat.“ Apropos Kino: „The Artist“ hat sich gelohnt. Wegen des Films, aber auch wegen der Idee: „Saufen für die Armen“.


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Ihr Kommentar
  • Am 19. Januar 2012 um 09:44, von  Kielle Valou Als Antwort Trinkt mehr, tut Gutes

    Das wäre wirklich cool. Ich erinnere mich, eine Reihe von essays, die die samwe Sache über weed zu sagen. Das ist natürlich eine lange gedreht, aber dieser hat eine ungerade Chance wahr zu sein.

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