Der hohe Preis des Brexits

, von  Béatrice Chahine, übersetzt von Stéphanie-Fabienne Lacombe

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Der hohe Preis des Brexits
Boris Johnson, Brexit-Befürworter und ehemaliger Bürgermeister Londons, hat seinen Anspruch auf das Amt des Premierministers aufgegeben. © Andrew Parsons / i-Images/ / Flickr/ CC BY-SA 2.0-Lizenz

Die Briten haben sich entschieden. Nach monatelanger Kampagne stimmten 52 Prozent der Wähler für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Der mittlerweile zurückgeruderte Boris Johnson, Nigel Farages UKIP und andere Brexit-Befürworter zelebrieren seit einer Woche Großbritanniens „Independence Day“ von der EU. Doch die Siegesfeiern sind angesichts der Konsequenzen verfrüht.

Börsencrash

Negative wirtschaftliche Folgen der Brexit-Entscheidung ließen nicht lang auf sich warten. Der Kurs des Pfund stürzte am Freitag nach dem Referendum von $1,50 auf $1,33 ab, der höchste Kursverfall seit 31 Jahren. Die Märkte in Asien verloren ebenfalls, an der Börse in Tokyo waren es 7 Prozent. Der Dow Jones verlor am Freitag, den 24. Juni, 500 Punkte. Finanzexperten sind überzeugt, dass es die britische Wirtschaft in den nächsten Jahren schwer haben wird, während der EU-Austritt sowie neue Handelsabkommen mit der EU und der Welt verhandelt werden müssen.

Die EU wird unter dem Austritt ihrer zweitgrößten Volkswirtschaft zu leiden haben. Doch natürlich wirft das Ergebnis des Referendums nicht nur wirtschaftliche, sondern handfeste politische Fragen auf. Wie steht es um die Einheit der Union? Die gemeinsamen demokratischen Werte? Die Zukunftsvorstellungen? Der Austritt Großbritanniens ist nicht der erste Hieb, den das Land dem gemeinsamen Projekt Europa verpasst - man erinnere sich an Margaret Thatcher. Es ist aber der Affront mit den größten Konsequenzen, seien sie politisch-diplomatisch, sozial oder wirtschaftlich.

Warten auf die Austrittserklärung

Wie geht es nun weiter? Bei den kommenden Verhandlungen geht es um die Modalitäten und den Ablaufplan eines Austritts sowie eventuelle künftige Abkommen zwischen EU und Großbritannien. Dieser Prozess kann laut Thierry de Montbrial vom französischen Institut für internationale Beziehungen gut zwei Jahre in Anspruch nehmen.Allerdings betonte der Europäische Rat in dieser Woche, dass es keine Vorverhandlungen geben wird, solange Großbritannien nicht offiziell die Austrittserklärung nach Art. 50 der Verträge einreicht. Eine neue diplomatische Grundlage für die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich muss nun gefunden werden.

Erschwerend hinzu kommt, dass Großbritannien bis zum Herbst oder eventuell früher eine neue Regierung bilden wird. David Cameron hat angekündigt, im September zurückzutreten, da er das Land nach seiner Niederlage nicht in die neue Richtung führen könne. EU-Politiker hatten seinen sofortigen Rücktritt gefordert, um den Austrittsprozess schneller einzuleiten. Boris Johnson, Wortführer der Leave-Kampagne, ist nach seinem Wahlerfolg zurückgerudert und hat erklärt, nicht für das Amt des Premierministers kandidieren zu wollen. Als aussichtsreiche Kandidaten auf die Cameron-Nachfolge gelten nun Innenministerin Theresa May und Justizminister Michael Gove.

Als Kontinentaleuropäer in Großbritannien

Wie geht es nun für die europäischen Bürger weiter, die in Großbritannien leben? Die Versprechen der Leave-Kampagne, dass sich nichts verändern werde, sind falsch. Die Abkommen mit der EU werden wahrscheinlich an Gültigkeit verlieren. Das bedeutet Änderungen im Aufenthalts- und Arbeitsrecht. Betroffen sind alle EU-Bürger und zum Beispiel auch die Erasmus-Studenten, oder diejenigen, die für ihr gesamtes Studium nach GB gekommen sind. Noch ist unklar, in welchem Zeitraum die Veränderungen greifen werden. Wie es für britische Bürger, die in den Mitgliedsstaaten der EU leben, weitergeht, und ob britische EU-Beamte nun bald vor die Tür gesetzt werden, ist ebenfalls unklar.

Auch für die Migranten wird sich einiges verändern. Die Grenze verläuft nun nicht mehr in Calais, sondern direkt an der Küste. Die Situation momentan wird durch die Le-Touquet-Vereinbarung geregelt und es ist ungewiss, ob der Vertrag zwischen Großbritannien und Frankreich bestehen bleibt.

Unabhängigkeit Schottlands?

London, Nordirland und Schottland haben klar für den Verbleib in der EU gestimmt. In Schottland waren es 62 Prozent der Wähler. Für Sadiq Khan, Bürgermeister von London, werden die Hauptstädter trotz des Brexits „Herzenseuropäer“ bleiben. Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon hat derweil angekündigt, dass es bei einem EU-Austritt wahrscheinlich ein erneutes Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands geben würde. Auch möchte das Land an den Austrittsverhandlungen Großbritanniens mit der EU beteiligt werden und Möglichkeiten verhandeln, um in der EU zu bleiben, während der Rest des Vereinigten Königreichs austritt. Gegen dieses Verfahren hat der spanische Regierungschef Rajoy aufgrund separatistischer Bewegungen im eigenen Land jedoch bereits ein deutliches Veto eingelegt.

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