Frankreich nach dem Brexit: Nationalistische Diskurse

, von  übersetzt von Stéphanie-Fabienne Lacombe, Valéry-Xavier Lentz

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Frankreich nach dem Brexit: Nationalistische Diskurse
Ein ehemaliger und ein amtierender französischer Präsident: Nicolas Sarkozy und Francois Hollande. © GovernmentZA (Dez. 2013)/Flickr/Creative Commons Lizenz 2.0

Der französische Präsident Hollande hat sich in seiner Stellungnahme zum EU-Austritt Großbritanniens als Pro-Europäer dargestellt. Tatsächlich sind seine Worte aber nicht vor Nationalismus gefeit. Ein Standpunkt.

Die Erklärungen von François Hollande und Nicolas Sarkozy nach der Brexit-Entscheidung geben im Grunde den selben Ton an, der sich nicht von üblichen Stellungnahmen zur Zukunft Europas unterscheidet. Sie zeigen zwar andeutungsweise guten Willen im Sinne Europas, doch bleibt unklar, wie dieser umgesetzt wird. Des Umfang der britischen Entscheideung scheint beiden nicht bewusst. Schlimmer noch, sie positionieren sich als Pro-Europäer; unterstützen aber gleichzeitig einen nationalistischen Diskurs.

Für Hollande soll "Europa der Träger für Projekte sein und sich nicht in bürokratischen Prozeduren verlieren. Die Union soll von den Bürgern verstanden und kontrolliert werden. Sie soll schnell und gezielt dort entscheiden können, wo man auf sie angewiesen ist und den Natioalstaaten ansonsten ihre Kompetenzen lassen.“

Für Sarkozy „muss das Subsidiaritätsprinzip endlich Realität werden. Die Europäischen Kompetenzen sollen in rund zehn strategisch prioritären Feldern zusammengefasst werden, wie Landwirtschaft, Energie, Wettbewerb, Handelspolitik, Forschung. Die anderen Kompetenzen müssen unverzüglich der Souveränität der Mitgliedsstaaten unterstehen“.

In beiden Reden werden genau die nationalistischen Klischeeaussagen getroffen, die von Cameron bis Farage das Vereinigte Königreich ins Chaos gestürzt haben. Sich diese zu eigen zu machen ist für Hollande und Sarkozy ein großer Fehlschlag. Es wird unnötig, rechtsextreme Parteien wie die von Marine Le Pen zu bekämpfen, wenn selbst Europa positiv gesonnene Politiker solche Meinungen vertreten. Doch sie sprechen im Grunde nicht die Wahrheit aus und sind sich dessen bewusst. Sie drücken sich aus, als trügen sie keine Verantwortung für die Politik der Union und als ob deren Führung eine äußere Macht sei, auf die sie keinen Einfluss hätten. Doch dem ist nicht so.

Es sind die Staaten und ihre Regierungen, die die Kompetenzen der Union bestimmen. Sie sind es, die die Verträge verfassen und ratifizieren.

Es sind die Staaten und ihre Regierungen, die die Mitglieder der Europäischen Kommission ernennen können.

Es sind die Staaten und ihre Regierungen, die im Rahmen des europäischen Rats die Ausrichtung der EU definieren.

Es sind die Staaten und ihre Regierungen, die über die europäischen Gesetze abstimmen. Sie nehmen an deren Verfassung ebenfalls teil, durch Teilnahme ihrer Repräsentanten an Expertenkomitees.

Es sind die Staaten und ihre Regierungen, die über die Modalitäten der Einführung europäischer Richtlinien entscheiden und oftmals Regelungen hinzufügen.

Es fällt schwer zu verstehen, warum Hollande und Sarkozy behaupten, die EU schränke sie in ihren Kompetenzen ein. Wieso behaupten sie, für nichts verantwortlich zu sein?

Und was das Subsidiaritätsprinzip betrifft – es handelt sich dabei um das Prinzip, bestimmte Kompetenzen an die Instanzen abzugeben, die sie am wirkungsvollsten umsetzen können und den Bürgern am nächsten stehen – so ist erlaubt zu fragen, warum diese führenden Politiker es nicht in Frankreich umsetzen und den Kommunen und Kreisen mehr Kompetenzen erteilen?

Die Unverantwortlichkeit dieser Machtbessessenheit und über die EU verbreitete Unwahrheiten setzen der Europäischen Idee stark zu. Großbritannien ist heute schon ein Opfer dieser durch das nationalistische Establishment verbreiteten Mythen. Diese müssen aus der Welt geschaffen werden!

Die EU kann sich nur verändern, wenn sie ihre Funktionsweise transparent erklärt. Handeln kann sie nur, wenn ihr Kompetenzen gelassen werden. Für Hollande und die anderen 27 Regierungschefs der Mitgliedstaaten ist es an der Zeit, sich endlich klar für die EU zu positionieren und mit den Institutionen und vor qllem den gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments zusammenzuarbeiten. Und ihre Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten endlich anzuerkennen.

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