Islamfeindlichkeit in Europa

, von  Jonas Botta

Islamfeindlichkeit in Europa
Etwa 300 Anhänger des Berliner Pegida-Ablegers Bärgida demonstrierten im Januar gegen „die Islamisierung Europas“. Foto: PEGIDA #Bärgida in Berlin blockiert! © Sozialfotografie / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Die Religionsfreiheit ist als wesentlicher Bestandteil von Rechtsstaatlichkeit und liberaler Demokratie fest in den Grundsätzen der EU verankert. Doch wie weit steht es heute mit religiöser Akzeptanz in Europa oder anders gefragt: wie islamfeindlich ist Europa?

IS, Sarrazin oder Kopftuchverbot – Hauptsache Islam

Die Verbrechen des Islamischen Staates (IS), der Anschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“, die Publikationen von (ehemaligen) Berliner SPD-Politikern und die neuste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen – all diese Themen haben ganz unabhängig von ihren tatsächlichen Inhalten eine entscheidende Gemeinsamkeit. Wird über sie gesprochen, geschrieben und debattiert, so wird nicht nur über die konkreten Geschehnisse berichtet, sondern stets auch über eine Religion und ihre Gläubigen gestritten - die Rede ist hier vom Islam. Unabhängig davon, dass es „den“ Islam wohl noch viel weniger als geschlossene Religion gibt als „das“ Christentum, lässt sich dennoch festhalten, dass sich Muslime Tag für Tag in Europa für ihre Religion rechtfertigen müssen.

Beispiel Deutschland: Als die Bertelsmann-Stiftung Anfang 2015 ihren Religionsmonitor veröffentlichte, belegte dieser nur das, was in Zeiten von PEGIDA und der Anti-Islamrhetorik von AfD und Union schon lange offensichtlich war – Islamfeindlichkeit ist in der Bundesrepublik mittlerweile in allen gesellschaftlichen Schichten verbreitet. Damit stehen die Deutschen keinen anderen Religionszugehörigen so ablehnend gegenüber wie ihren Mitbürgern muslimischen Glaubens.

Europaweite Ausgrenzung

Dabei ist die Islamfeindlichkeit kein deutsches Alleinstellungsmerkmal. Bereits 2010 zeigte eine Studie der Universität Münster wie negativ der Islam europaweit gesehen wird. So antworteten auf die Frage „Woran denken Sie beim Stichwort Islam?“ sowohl in Deutschland als auch in den Vergleichsländern Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Portugal mindestens 59 Prozent der Befragten mit „Benachteiligung der Frau“, womit diese Aussage auf Platz eins der positiven und negativen Antwortmöglichkeiten rangierte. Dennoch machte die Studie auch erkennbare Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern deutlich. Während sich in Deutschland die Mehrheit klar gegen den Bau von Moscheen aussprach, fand selbiges Anliegen eine überwiegende Akzeptanz bei den portugiesischen Studienteilnehmern sowie mit über 60 Prozent bei den französischen und niederländischen Befragten. Auch positive Eigenschaften wie „Solidarität“ wurden insbesondere in den Niederlanden, aber auch in Dänemark und in Frankreich viel stärker mit dem Islam verbunden als in Deutschland. Ähnlich ablehnend zeigt sich auch die ungarische Bevölkerung wie eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2011 zeigt, nach welcher über 60 Prozent der befragten Ungarn erklärten, dass es in „ihrem“ Land zu viele Muslime gebe.

Die nächste Generation ist toleranter

Einen positiven Ausblick in Bezug auf Deutschland bietet jedoch die jüngste Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung. Vorgestellt wurde sie Mitte März 2015 auf der Jungen Islam Konferenz im Auswärtigen Amt Dort fanden sich hundert Teilnehmer mit und ohne muslimischen Glauben aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen, um über die provokante Frage „Wem gehört das Abendland?“ zu diskutieren. Aus dieser Studie wird erkenntlich, dass die 16- bis 25-Jährigen wesentlich positiver über ihre muslimischen Mitmenschen denken und deren Recht auf politische Mitbestimmung deutlich unterstützen. So stimmten beispielsweise 85 Prozent der befragten jungen Menschen dafür, dass es das gute Recht von Muslimen in Deutschland sei, Forderungen zu stellen, während dies im Vergleich bei den Erwachsenen lediglich 65 Prozent unterstützen. Begründen lässt sich dies laut der Studie insbesondere damit, dass die jüngere Generation mehr direkten Austausch mit Muslimen hat und ihre eigene Kenntnis nicht nur aus den Medien sondern aus dem sozialen Umfeld gewinnt.

Akzeptanz durch Wissen und Austausch

Doch von einem reinen Selbstläufer lässt sich nicht ausgehen. Denn die Studie zeigt auch, dass es immer noch in allen Altersklassen fundamental an Wissen über den muslimischen Glauben fehlt. Lösungen hierfür könnten sich in vergleichendem Religionsunterricht und gezieltem Diversitätstraining an Schulen finden lassen. Dies würde aber ein starkes finanzielles Bekenntnis zur Förderung von Vielfalt voraussetzen. Wie die Leiterin der Jungen Islam Konferenz, Esra Kücük, in ihrer Eröffnungsrede muss sich ein jeder angesichts dieser Herausforderungen schlussendlich fragen: „Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der sich die größte religiöse Minderheit jeden Tag selbst rechtfertigen muss?“ Wenn nicht, heißt es sich dafür einzusetzen, dass alle Menschen eines Tages akzeptieren, dass der Islam zu Europa gehört.

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