Wahl in Österreich: Konflikte nur vertagt

, von  Arthur Molt

Wahl in Österreich: Konflikte nur vertagt
Die FPÖ im Wahlkampfmodus. In der Mitte Hans-Christian Strache, Parteivorsitzender (2010). © Thomas Prenner / Flickr / CC 2.0-Lizenz

Die Wahl Alexander Van der Bellens war für viele Europäer ein Zeichen zum Durchatmen. Die Österreicher entschieden sich für eine Persönlichkeit mit politischer Erfahrung und klar pro-europäischer Haltung. Doch die populistische Versuchung ist damit nicht gebannt. Einige Schlussfolgerungen für kommende Wahlen.

Alexander Van der Bellen ist es gelungen deutlich mehr Menschen als bei der letzten Stichwahl für sich zu gewinnen. Vor allem konnte er mehr Nichtwähler mobilisieren als sein Gegenkandidat, der an diese Gruppe 70 Tausend Stimmen verlor. In der Entscheidung für Alexander van der Bellen sahen 54 Prozent seiner Wähler eine Richtungsentscheidung für Österreich. Gleichzeitig gaben 42 Prozent in der Nachwahlbefragung an, dass es ihnen vor allem darum gegangen sei, Hofer zu verhindern. Für viele Hofer-Unterstützer (50 Prozent) stand dagegen vor allem die Person ihres Kandidaten im Vordergrund (im Vergleich, Van der Bellen: 44 Prozent).

Mit klarer Haltung überzeugen

Zweifel an Hofers Eignung und Amtsverständnis dürften ein Grund für die Wahlniederlage sein. Norbert Hofer hatte im April erklärt, dass er als Bundespräsident die Regierung abberufen würde, wenn diese nach seinen Vorstellungen falsch handelte. Am 17. November nahm er diese Aussage wieder zurück: „Ich werde nicht bei jeder Gelegenheit die Regierung entlassen“. Am 20. November, also drei Tage später, änderte er nochmals seine Position und bestand darauf „nichts relativiert“ zu haben.

Das Provozieren und anschließende Dementieren ist von anderen Rechtspopulisten wohl bekannt. Das Hin- und Her über „Schießbefehl“ und „Rente nach Kirchhof“ in der AfD sei hier als Beispiel genannt. Hofers Äußerungen zur Entlassung der Regierung und Notverordnungen hatten eine besondere Brisanz, da die österreichische Verfassung hier tatsächlich weiten Spielraum bietet.

Norbert Hofers Aussagen drehten sich teilweise wie eine Wetterfahne im Wind. Mal polterte er vor Anhängern, dass er keine Muslime kenne, die in Krankenhäusern arbeiteten. Dann ruderte er im Presseinterview wieder zurück. Erst verlangte er den EU-Austritt Österreichs im Falle einer stärkeren Zentralisierung, nur um später seine Worte zu korrigieren.

Diese Wankelmütigkeit hat sich für die FPÖ nicht bezahlt gemacht. Statt dem nachzueifern, kommt es mehr denn je darauf an, klare Haltung zu zeigen.

Den Opportunismus der Rechtspopulisten aufzeigen

Die Versuche der FPÖ das konservative Bürgertum für ihren Kandidaten zu gewinnen nahmen zuletzt seltsame Formen an. Broschüren wurden verschickt auf denen zwar Hofer mit Hundewelpen abgebildet war, jeder Hinweis auf die dahinter stehende Partei jedoch vermieden wurde. Das sympathische Auftreten Norbert Hofers sollte unentschiedene Wähler für sich einnehmen. Zweifel an der demokratischen Grundhaltung der FPÖ hätten da nur gestört.

Rechtspopulisten sind grundsätzlich Opportunisten. Um ihre Wählerschaft nicht nur auf eine Nische im bisherigen Parteienspektrum zu begrenzen, versuchen sie Wählerschichten zu gewinnen, die ihrer Ideologie eigentlich fern stehen. Was nicht heißen soll, dass es unter den Rechtspopulisten nicht auch in der Wolle gewaschene Ideologen gäbe. Das beweist nicht zuletzt die FPÖ, die sich aus dem „Verband der Unabhängigen“, einer Vereinigung ehemaliger Nationalsozialisten entwickelt hat. Ein biedermeierlich konservatives Auftreten und der Spruch „so wahr mir Gott helfe“ auf Hofers Wahlplakaten sollten von dieser anti-demokratischen Tradition ablenken.

Junge, dynamische Kandidaten vorzuschicken um von der ideologischen Ausrichtung der Partei abzulenken ist eine Strategie, die andernorts schon erfolgreich war. In Polen gelang es der rechtskonservativen PiS, sich mit dem jungen Präsidentschaftskandidaten Andrzej Duda neue Wählergruppen zu erschließen. Duda entpuppte sich jedoch bald nach den Wahlen als Statthalter für Jarosław Kaczyński, Parteichef der PiS und nicht gewählter erster Mann im Staate.

Damit sich die Wähler nicht von charmanten Lügnern einwickeln lassen, müssen Täuschungsversuche offengelegt werden. Kritische Medienmacher sind hier genauso gefragt wie engagierte Bürger. Für die Wahl in Österreich lässt sich sagen, dass gerade letztere entscheidenden Einfluss nehmen können. Der Appell der 89-jährigen Auschwitz-Überlebenden Gertrude hat vermutlich auf Youtube mehr Menschen überzeugt die Anbiederung eines Hofers und Gesinnung eines Straches zu hinterfragen als so mancher Leitartikel.

Vorteile der EU liegen für Österreicher auf der Hand

Van der Bellen machte aus seinem Bekenntnis zur Europäischen Union keinen Hehl. Mit Erfolg. Seine pro-europäische Einstellung war laut Nachwahlbefragung für 65 Prozent der Wähler ein entscheidendes Motiv.

In Österreich scheinen die Wähler erkannt zu haben, dass die Vorteile der europäischen Integration auf der Hand liegen. Seit dem EU-Beitritt 1995 erlebten die österreichischen Exporte einen Boom und stiegen bis 2008 um jährlich 8 Prozent. Der größte Teil der Exporte geht nach wie vor in EU-Staaten, 68 Prozent waren es im Jahr 2014.

Den wütenden Forderungen nach Grenzschließungen und Flucht in nationale Währungen lässt sich nur begegnen durch ein beharrliches Aufzeigen der Errungenschaften und Freiheiten, die mit der EU verbunden sind.

Die EU kann mahnen, aber Demokratie wird vor Ort verteidigt

Mahnende Worte aus dem Ausland, auch von ehrlich besorgten europäischen Nachbarn können schnell kontraproduktiv wirken. Sie lassen sich leicht als Angriff auf die Nation umdeuten. Dies hat sich in der Vergangenheit gerade in Österreich gezeigt.

Bei der Nationalratswahl 1999 kam die FPÖ unter Jörg Haider auf den zweiten Platz. Es entstand eine schwarz-blaue Koalition aus ÖVP und FPÖ. Die übrigen 14 Mitgliedstaaten der EU entschieden die diplomatischen Beziehungen zu Österreich aufgrund staatsrechtlich bedenklicher Äußerungen der FPÖ – beispielsweise die Drohung Haiders politische Gegner strafrechtlich zu verfolgen - bilateral einzufrieren.

Österreich stand vor der Situation sich durch eine Regierungsbeteiligung der FPÖ in Europa zu isolieren. Knapp ein Jahr später wurden die Maßnahmen wieder aufgehoben. Interessant ist jedoch, dass sie sich unter der Bezeichnung „Sanktionen“ im österreichischen Bewusstsein erhalten haben. Der damaligen Regierung gelang es offenbar, den Österreichern zu vermitteln, die EU hätte sich gegen sie verschworen.

Die Wahl gewonnen, die Konflikte bleiben

Entwarnung vor antieuropäischen Kräften in Österreich kann bei 46 Prozent für den Kandidaten der FPÖ kaum gegeben werden. Eine Wahl zu gewinnen ist eine Sache. Eine langfristige Wandlung von Einstellungen ist eine ungleich größere Herausforderung. Mit Blick auf die Nachwahlbefragung werden die zentralen Konfliktlinien deutlich, die sich so in vielen Ländern zeigen.

Van der Bellen überzeugte vor allem die Menschen mit Abitur („Matura“: 74 Prozent) und Universitätsabschluss (ganze 83 Prozent). Wähler, die keine Matura abgelegt haben (58 Prozent) oder eine Lehre gemacht haben (64 Prozent) sprachen sich dagegen für Hofer aus. Noch ernüchternder der Blick auf die Arbeiter, die laut Umfrage zu 85 Prozent für Hofer stimmten.

Hinzu kommt, dass aufgrund der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs 2018 und Streit in der ÖVP-SPÖ-Koalition seit längerem über vorgezogene Nationalratswahlen im nächsten Jahr diskutiert wird. Es ist anzunehmen, dass die Polarisierung während des langen Wahlkampfs zur Bundespräsidentenwahl nachwirkt.

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