Wider den Asylkompromiss 2.0.

, von  Jonas Botta

Wider den Asylkompromiss 2.0.
Die Kolumne „Wir in Europa“ erscheint jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden. Foto: © European Commission / 2004

Am Freitag, 19. September, wollen Union und SPD im Bundesrat erneut das deutsche Asylrecht verschärfen und hoffen dabei auf die Unterstützung von Bündnisgrünen und Linkspartei. Damit wollen die Regierungsparteien auf die steigende Anzahl der Asylanträge reagieren. Doch nicht nur das erinnert an das politische Klima meiner Kindheit.

Für einen jungen Menschen, der in der ersten Hälfte der 1990er Jahre geboren wurde, kann sich dieser Tage ein Traum erfüllen. Das Wiederauferstehen der eigenen Kindheit. Doch es ist weder die Rückkehr von Mode und Musik noch ein Comeback unserer Kindheitshelden aus Film und Literatur, sondern das politische und gesellschaftliche Klima, was direkt aus der Vergangenheit zu kommen scheint. Um es deutlicher zu machen, ein Alptraum wiederholt sich.

Verschärfung des Asylrechts

Es war die Zeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands als sich der Hass in der deutschen Bevölkerung immer stärker gegen Ausländer im Land entlud.

Den schrecklichsten Nachhall in der Geschichte haben wohl die menschenverachtenden Geschehnisse in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 gefunden. Hunderte Rechtsextreme hatten unter dem Applaus einiger tausend Anwohner die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter, das sogenannte „Sonnenblumenhaus", angegriffen. Zeitweilig zog sich die Polizei gänzlich zurück und überlies die um ihr Leben fürchtenden Menschen ihrem ungewissen Schicksal.

Die damaligen Bundesregierung verschärfte das Asylrecht und glaubte so die Problematik zu lösen. Gemeinsam mit der SPD wollten die Union und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl das Asylverfahren beschleunigen und einem „Asylmissbrauch“ vorbeugen. So reagierten sie auf den Rassismus in der Bevölkerung und die steigende Anzahl von Asylanträgen.

Der Bonner Asylkompromiss verfälschte das Bekenntnis zum Recht auf Asyl im post-nationalsozialistischen Deutschland. Faktisch ist das Recht auf Asyl bis heute auf diejenigen Menschen beschränkt, welche in Besitz eines gültigen Visums sind oder auf dem direkten Luft- oder Seeweg nach Deutschland einreisen können.

Argumente der 1990er-Jahre

Wer sich in den letzten Jahren mit der deutschen Asylpolitik auseinander gesetzt hat, wird ähnliche Argumentationsmuster und Lösungsstrategien wie in den 1990er-Jahren vorfinden.

So warnte etwa der ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vor dem „Asylmissbrauch“ durch Roma aus Serbien und Bosnien. Zudem will derzeit die Große Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen und der Partei Die Linke einen Kompromiss für ihre geplanten neuen Verschärfungen des Asylrechts schließen.

Und wieder gab es in den vergangenen Monaten Angriffe auf Flüchtligsunterkünfte, wie etwa in Berlin-Hellersdorf oder im sächsischen Schneeberg .

Ich schäme mich als Berliner für unseren Innensenator Frank Henkel (CDU) und dessen Umgang mit dem „Refugee-Protest“. Die einst geschlossene Vereinbarung zwischen Berliner Senatsverwaltung und den Flüchtlingen ist nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurde. Eine neue rechte Partei, die unter dem Deckmantel der Bürgerlichkeit ihre Stimmen maximieren will, wirbt offensiv mit menschenverachtenden Forderungen im Vorfeld der ostdeutschen Landtagswahlen.

Fremdenhass für Wählerstimmen

Die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) wächst somit auf dem gleichen Nährboden wie einst die rechtsextremen „Republikaner“, die in mehreren Landtagen und im Europaparlament saßen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass beispielsweise die ehemalige Republikaner-Hochburg Pforzheim bei der Europawahl 2014 der AfD ihr bundesweit bestes Ergebnis bescherte. Hass gegen Menschen anderer Herkunft und Angst vor Veränderungen sind noch heute ein wichtiges Wählerstimmenkapital in Deutschland.

Erfolgsgeschichten

Natürlich gibt es auch Erfolgsgeschichten der jüngeren Vergangenheit. Errungenschaften der Zivilgesellschaft. Es gibt heute viele Nichtregierungsorganisationen, Nachbarschaftsinitiativen und Bündnisse, die sich für ein menschliches Miteinander einsetzen. Doch die deutsche Politik stemmt sich dagegen: Sie erklärt weitere Staaten zu sicheren Herkunftsländern.

Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Ein Recht auf Asyl in Deutschland haben Menschen aus diesen Ländern dann nicht mehr. Weitere, ähnliche Regelungen könnten folgen.

Am kommenden Freitag liegt es in der Sitzung des Bundesrates an den grünen und linken Landespolitiker, diese Gesetzesinitiative zu verhindern. Ein Kompromiss mit der Großen Koalition wäre Verrat an den eigenen Grundsätzen für eine humane Asylpolitik beider Parteien.

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