60 Jahre Römische Verträge: Ein Blick in die Geschichte

, von  Hannah Illing

60 Jahre Römische Verträge: Ein Blick in die Geschichte
Vertreter von sechs Ländern unterschrieben 1957 die Römischen Verträge: Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Deutschland. – Foto: Wikimedia Commons © Immanuel Giel (CC BY-SA 3.0)

Die Römischen Verträge gelten für viele als die Geburtsstunde der Europäischen Union. Was heutzutage selbstverständlich erscheint, etwa der Schengenraum mit seinen offenen Grenzen, war 1957 noch eine Utopie. Mit den Römischen Verträgen wurde der Grundstein dafür gelegt.

Ein geschichtsträchtiger Ort, eine denkwürdige Stunde: Am 25. März 1957 unterzeichnen die Regierungschefs sechs europäischer Staaten die Römischen Verträge, im Saal der Horatier und Curiatier des Palazzo dei Conservatori auf dem Kapitolshügel in Rom. Vertreter Belgiens, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs und der Niederlande setzen ihre Unterschrift unter die Dokumente, für die Bundesrepublik unterschreibt Kanzler Konrad Adenauer. Adenauer bezeichnete die Verträge in seiner Ansprache als „echten europäischen Zusammenschluss, der die Gewähr der Dauer in sich trägt.“

Die Montanunion: Erster Schritt auf dem Weg zur europäischen Integration

Vorangegangen war den Römischen Verträgen 1951 die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bzw. Montanunion in Paris. Der damalige französische Außenminister Robert Schuman und der französische Verhandlungsführer Jean Monnet mussten hart verhandeln, um ihren Plan durchzusetzen: Eine supranationale Behörde, um die damals wichtige Kohle- und Stahlindustrie auf europäischer Ebene zu verwalten und wirtschaftlich zu verflechten. Insbesondere die Stahlindustrie hatte beim Aufrüsten des Deutschen Reiches während des Zweiten Weltkriegs eine wichtige Rolle gespielt. Neben ökonomischen Gründen entstand die Montanunion also auch aus politischem Kalkül, um durch die Vergemeinschaftung den Frieden in Europa zu wahren. Für Westdeutschland war dies auch deshalb vorteilhaft, weil mit Vertragsbeginn das Ende der Sanktionen der Siegermächte beschlossen wurde.

Doch die Montanunion alleine reichte bald nicht mehr. Westeuropa drohten mit der Sowjetunion an seinen Außengrenzen neue Gefahren, die Nutzbarmachung des Atoms wurde zu einer akuten Bedrohung. Ein Vertrag zur Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft scheiterte jedoch im Jahr 1954. Im Bereich Verteidigung prallten die nationalen Interessen zu sehr aufeinander. Man entschloss sich, zunächst die wirtschaftliche Integration zu forcieren. So konnte der europäische Integrationsprozess bereits ein Jahr später, auf der Konferenz von Messina, entscheidend vorangetrieben werden. Der belgische Außenminister Paul-Henri Spaak wurde auf der Konferenz damit beauftragt, einen Bericht zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes zu erarbeiten. 1956 legte seine Arbeitsgruppe die ersten Vertragsentwürfe vor, 1957 werden die Römischen Verträge unterzeichnet. Am ersten Januar 1958 treten sie in Kraft.

Es handelt sich dabei konkret um zwei Verträge: Den Vertrag über die Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Während Euratom unter anderem Maßnahmen zur Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung sowie zu Forschung und Investitionen auf dem Gebiet der Atomenergie regelt, liegt der Schwerpunkt der EWG auf der wirtschaftlichen Integration der Gründerstaaten.

Die Errungenschaften der Römischen Verträge: Gemeinsamer Binnenmarkt mit den vier Grundfreiheiten, Zollunion, Handelspolitik

Viele Ziele der beiden Verträge sind 60 Jahre später Realität: Der Aufbau einer Zollunion (1968), der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital (1993), die Errichtung eines gemeinsamen Marktes (1993) und eine gemeinsame europäische Handelspolitik (siehe AEU-Vertrag). All dies gehört bis heute zu den wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union. Mit der EWG wurde auch die heutige Struktur der Europäischen Union angelegt. Seitdem setzt sie sich aus dem Dreieck aus Europäischem Rat, Kommission und Parlament zusammen.

In der Präambel zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft heißt es unter anderem, man sei entschlossen „Frieden und Freiheit zu wahren und zu festigen, [...] mit der Aufforderung an die anderen Völker Europas, die sich zu dem gleichen hohen Ziel bekennen, sich diesen Bestrebungen anzuschließen.“ Ihre Absicht, Frieden zu wahren, haben die Römischen Verträge auf jeden Fall erreicht. Sich ihrer Errungenschaften zu erinnern, ist in einer Zeit, in der Nationalismus wieder an Fahrt gewinnt, wichtiger denn je.

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