Dieser Artikel erschien am 21. Juli 2011, dem Tag des letzten Krisengipfels. Zur Webseite der Spinelli Gruppe.
Bei ihrem heutigen Gipfeltreffen haben die führenden Politiker der Euro-Zone eine fundamentale Entscheidung zu treffen. Entweder sie sagen nur wieder, dass sie „alles Notwendige“ zur Bekämpfung der Euro-Krise tun wollen – oder sie tun es tatsächlich. Im ersten Fall werden die Märkte noch deutlicher als bisher die Politiker herausfordern. Sie werden Länder wie Italien und Spanien ins Visier nehmen und so „alles Notwendige“ noch teurer machen und noch weniger glaubwürdig erscheinen lassen.
Die bessere Alternative wäre, Führung zu zeigen. Bisher haben die Märkte das Spiel gegen die Regierungen gewonnen, weil die sich nicht einig werden. Die Politiker haben versucht, Stabilität zu erreichen durch den Einsatz großer Geldsummen ihrer Steuerzahler. Man kann das auch so sehen: Diese Summen sind die Kosten, die den Bürgern dadurch entstehen, dass ihre Politiker so tun, als gäbe es noch eine nationale Souveränität.
Effektiver wäre es, die Märkte durch eine wirklich gemeinsame Politik zu bändigen. Dazu muss die Regierung in Berlin mehr Führungsstärke zeigen – nach außen wie nach innen. Sie müsste ihren Bürgern erklären, dass Deutschland von der Europäischen Union profitiert, auch von dem gemeinsamen Markt und dem Euro; dass dadurch eine Kultur der Stabilität auf den Rest der EU übertragen wird und dass Deutschland der Hauptverlierer bei einem Zusammenbruch der Euro-Zone wäre – mit Blick auf die Stabilität und die Wettbewerbsstärke, aber auch auf direkte finanzielle Lasten.
Eine Regierung, die eine langfristige gemeinsame Politik verfolgt, sichert ihre Steuerzahler besser ab als eine, die sie kurzfristig schützen will und damit weder die Märkte noch die Bürger überzeugt. Es ist der Mangel an Glaubwürdigkeit, der eine „Transferunion“ auslösen kann und damit auch wieder interne und externe Spannungen. Zum Glück für Kanzlerin Angela Merkel vertreten die beiden wichtigsten Oppositionsparteien, die Sozialdemokraten und die Grünen, Positionen pro EU. Die SPD stand zwar der Einführung des Euros etwas zögerlich gegenüber, und 2003 hat Kanzler Gerhard Schröder gemeinsam mit Frankreich eine Entlastung vom Stabilitätspakt angestrebt und damit auch seine Glaubwürdigkeit beschädigt.
Euro-Gipfel muss „klares Signal“ geben
Aber vor kurzem hat sich die SPD-Führung für eine Lösung der Euro-Krise auch mit unpopulären Maßnahmen starkgemacht. Das gibt Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble die Chance, die Initiative für „Euro-Bonds“ zu ergreifen und sich damit deutlich zur gemeinsamen Währung zu bekennen. Wir meinen hiermit die Ausgabe gemeinsamer Staatsanleihen – als Mittel des Schuldenmanagements, nicht zur Finanzierung neuer Ausgaben.
Dieser Vorschlag wurde von Jacques Delpha und Jakob von Weizsäcker vom Bruegel-Institut formuliert. Und im Juni 2010 hat EU-Kommissar Olli Rehn vor dem Europäischen Parlament erklärt, dass die Kommission als Teil einer Wirtschaftsregierung bis Ende 2011 über ein System zur gemeinsamen Auflage von Staatsanleihen berichten will. Damit sollen die Haushaltsdisziplin und die Stabilität in der Euro-Zone durch die Märkte gestärkt werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Staaten mit der höchsten Bonität nicht unter steigenden Zinsen leiden. Dieser Bericht soll möglicherweise auch von Vorschlägen zur Gesetzgebung begleitet werden.
Es sind hierzu viele Optionen denkbar – auch, dem Europäischen Rettungsschirm (EFSF) mehr Kompetenzen zu geben. Wir können hier nicht in die Details gehen. Aber diese Staatsanleihen können die Position des Euros auf den Weltmärkten stützen. Und sie sollten die Disziplin stärken, weil damit die Märkte Druck ausüben, die EU-Verträge besser einzuhalten. Dabei ist nicht unbedingt zu befürchten, dass die Finanzierungskosten für die Staaten mit den höchsten Bonitätsnoten steigen. Denn die Liquidität dieses neuen Euro-Bond-Markts wird sehr hoch sein. Außerdem belasten die heutigen Turbulenzen die Anleihemärkte ja auch.
Eine derartige Lösung wäre auch von Vorteil, um die Europäische Zentralbank von der Rolle zu befreien, die sie nur unwillig übernommen hat: die schwachen Euro-Länder durch Ankäufe von Anleihen zu stützen. Diese Befreiung liegt in allgemeinem Interesse und ganz auf der Linie der besten deutschen Traditionen.
Es gibt einen wachsenden Konsens, dass es schwierig wird, ohne Euro-Bonds zu einer dauerhaften Lösung der Krise zu kommen. Der Gipfel sollte wenigstens ein klares Signal geben, dass er diesen Vorschlag ernsthaft in Erwägung zieht. Eine europäische Vision, basierend auf der Schaffung eines europäischen Instruments und einem genauen Zeitplan, wäre ein guter Weg, Vertrauen und Stabilität wieder herzustellen.
Sylvie Goulard ist Mitglied der liberalen Fraktion im Europaparlament. Mario Monti ist Präsident der Bocconi-Universität und war EU-Kommissar.
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