Treffpunkt Europa: Herr Wieland, wie kam es zu Ihrer Kandidatur?
Rainer Wieland: Peter Altmaier, mein Vorgänger im Amt des Präsidenten der Europa-Union Deutschland, hatte sich angesichts der in den Bundestagswahlkampf hineinreichenden Amtszeit des jetzt gewählten Präsidiums und seiner Funktion als parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag entschieden, diese beiden Ämter nicht parallel ausfüllen zu wollen. Er trat dann an mich mit der Frage und Bitte heran, ob ich ihm nicht als Präsident im Amt nachfolgen wolle. Diese Frage war eine große Ehre für mich, wenngleich ich auch Respekt vor dieser großen Herausforderung habe.
TP:Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?
Rainer Wieland: Unser Verband hat unter Peter Altmaier neue Wege beschritten und wichtige Etappenziele erreicht. Der Aufbau einer Mitgliederdatenbank und die Programmdebatte sind nur zwei Stichworte, die stellvertretend für die fortschreitende innere Konsolidierung und Professionalisierung sowie für die gesteigerte Vitalität unseres Verbands stehen. Auf diesem Weg - Konsolidierung und Professionalisierung - möchte ich die Europa-Union Deutschland weiter voranbringen.
TP: Wie wird es in Baden-Württemberg, wo Sie im Moment noch Landesvorsitzender sind, weitergehen?
Rainer Wieland: Ich werde den baden-württembergischen Landesverband der Europa-Union zunächst weiterführen. Wir sind bei einer Landesausschusssitzung unmittelbar nach Bekanntwerden meiner Kandidatur übereingekommen, die für Sommer geplante ordentliche Landesversammlung nicht vorzuziehen und bis dahin in aller Ruhe zu überlegen, wie wir den Verband in seiner jetzigen Dynamik halten können. Ich selbst habe mit der Übernahme des neuen Amtes bei den am gleichen Wochenende im European Movement International stattfindenden Neuwahlen das Amt des Vizepräsidenten abgegeben und Verpflichtungen abgebaut, so dass wir in unserem baden-württembergischen Team und einer sehr guten Personaldecke nach unserer Landesversammlung und auch auf der Strecke dorthin EUD im Land und im Bund weiter voranbringen können.
TP: Welcher Aspekt fasziniert Sie am meisten an unserem Verband?
Rainer Wieland: In unserem Verband engagieren sich Menschen unabhängig von Parteifarbe und -zugehörigkeit für die europäische Idee. Aufgabe der Europa-Union ist es daher, für die Faszination eines historisch und global einzigartigen Projekts der friedensstiftenden Völkerverbindung zu werben und dafür zu sorgen, dass wichtige, der Diskussion bedürfende europäische Fragen auch tatsächlich diskutiert werden. Es heißt nicht, in allen diesen Fragen auch Position zu beziehen. Vor allem dort nicht, wo die Antworten zwischen den die europäische Idee tragenden politischen Kräften umstritten sind. Der Versuch, die Europa-Union in wichtigen und umstrittenen Fragen sozusagen zum Wahrheitsbeweis der eigenen parteipolitischen Überzeugung zu machen, hätte nach meiner Überzeugung zwei fatale Wirkungen: Es würde nach innen unsere Attraktivität für die vielen unserer parteilosen Mitglieder mindern und gleichzeitig nach außen unser Gewicht als überparteilicher Verband verringern. Sicher schränkt das die Spielräume unserer öffentlichen Wahrnehmung innerhalb der Gesetzmäßigkeiten der modernen medialen Welt in gewisser Weise ein. Jedoch würde der Versuch, die Europa-Union in einer umstrittenen Frage parteipolitisch zu vereinnahmen für den Verband den Verlust seiner Gründungsidee, seiner Alleinstellung, seiner Glaubwürdigkeit und seiner gerade in den letzten Jahren gewonnen Anziehungskraft bedeuten.
TP: Wie möchten Sie sich für die JEF einsetzen?
Rainer Wieland: Ich glaube, dass ich hier keiner Fehleinschätzung erliege, wenn ich behaupte, dass ich gegenüber der JEF immer ein offenes Ohr hatte und sie - sofern es im Rahmen meiner Möglichkeiten war - immer unterstützt habe. Diese Unterstützung ist kein „Engagement“, sondern Überzeugung. Das Partnerschaftsabkommen, das wir in Baden-Württemberg geschlossen haben, hat sich als Win-Win-Situation erwiesen. Auch wenn dies nicht in jedem Landesverband der Europa-Union leicht verdauliche Kost darstellt: Das „Win“ für JEF liegt im Heute, das „Win“ der EUD liegt im Morgen. Wir müssen an der Erkenntnis im ganzen Verband arbeiten, dass, erstens, die Unterstützung der JEF nicht täglich von der EUD erbeten werden muss, sondern, zweitens, im Eigeninteresse der EUD liegt, drittens, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe am wirksamsten daran funktioniert, viertens, eine „gute“ JEF auch unbequem sein können darf und manchmal vielleicht sogar muss, dies, fünftens, auch umgekehrt gilt, und sechstens, diese gelegentliche Unbequemlichkeit von gegenseitigem Respekt geprägt, von Engagement in der Sache getragen sein muss und sich nicht in Respektlosigkeit erschöpfen darf.
TP: Was können gerade wir, die Jugendlichen, für ein föderales Europa tun?
Rainer Wieland: Seien Sie aktiv, engagieren Sie sich! Seien Sie notfalls unkonventionell! Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Wenn Sie sich später für den Weg in die politische Verantwortung eines Mandats entscheiden, müssen Sie im politischen Alltag noch auf genügend Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Sie als junge Menschen können hingegen noch „frei von der Leber weg“ Visionen für das zukünftige Europa formulieren - da macht es nicht viel aus, wenn Sie sich tatsächlich einmal verpeilen oder über das Ziel hinausschießen sollten. Stehen Sie aber auch zu Fehlern und Veränderungen in ihren Anschauungen und tun Sie nicht so, als ob die Wirklichkeit schon immer so war, wie Sie sie gesehen haben.
TP: Und zu guter Letzt: Was ist Ihre Vision für Europa?
Rainer Wieland: Ich hoffe, dass es für uns Deutsche einmal so normal sein wird, keinen Außenminister mehr zu haben, wie dies heute für uns zum Beispiel als Baden-Württemberger ganz normal ist.
Dieser Artikel erschien im neuen gedruckten Treffpunkt Europa, Mitgliedermagazin der JEF-Deutschland. Die aktuelle Ausgabe widmet sich den Medien als vierte Gewalt in Europa und ist auf der JEF-Webseite kostenlos erhältlich.
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