Europa, nun sag, wie hast du’s mit der Religion?

, von  Marian Schreier

Europa, nun sag, wie hast du's mit der Religion?
Die europäischen Institutionen im Dialog mit den Glaubensgemeinschaften. © European Union.

Die Sternsinger klopften in den letzten Tagen an die Türen vieler Häuser. In Deutschland gehören religiöse Bräuche, wie dieser, zum öffentlichen Leben. Ganz anders sieht es mit der Religion in anderen Teilen Europas aus. 95% der Malteser glauben an Gott, in Litauen sind es 49% und in Estland finden sich schließlich 16% der Bevölkerung, die laut des Eurobarometers 2008, gläubig sind. Vier EU-Mitgliedsländer kennen Staatskirchen: Großbritannien, Griechenland, Dänemark und Malta. Andere Staaten sind klar laizistisch, wie beispielsweise Frankreich. Wie aber steht es um die Europäische Union selbst, wie hält sie es mit der Religion?

Mit dem Vertrag von Lissabon, genauer im Artikel 17 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, erkennt die Europäische Union erstmals die Bedeutung von religiösen Gemeinschaften an und verpflichtet sich zum Dialog mit diesen. Auch die Präambel des Vertrags beinhaltet eine Referenz an das „religiöse Erbe“ Europas und dessen Bedeutung für Menschenrechte, Demokratie und Freiheit – eine Kompromissformel nach dem sich u.a. Deutschland nicht mit einem konkreten Gottesbezug durchsetzen konnte.

Doch religiöse Gemeinschaften haben nicht nur den Weg ins Primärrecht der Union gefunden, sondern nehmen auch aktiv Einfluss auf die EU. Alle großen nationalen Kirchen sind mit ihren Büros in Brüssel vertreten und stehen in ständigem Austausch mit den Institutionen. Kommissionspräsident Barrosos Beraterstab „Bureau of European Policy Advisers“ kümmert sich persönlich um den Dialog mit den Glaubensgemeinschaften.

Ist die vergleichsweise starke Präsenz von Religion in der EU ein Rückfall in vormoderne Zeiten oder notwendiger Bestandteil einer Politischen Union?

Die europäische Geschichte ist, nicht immer zum Guten, durch Religion geprägt worden. Erst das Ende der Religionskriege mit dem Westfälischen Frieden 1648 machte den Weg für ein System souveräner europäischer Staaten frei und legte damit auch den Grundstein für den heutigen europäischen Einigungsprozess. Auch die ideengeschichtliche Bedeutung der Religion für europäische Werte darf nicht unterschätzt werden. Die Menschenwürde als unbedingter Anker der europäischen Idee fußt nicht nur auf der Philosophie der Aufklärung. Nein, die Wurzeln gehen weit zurück in die Anfänge des Christentums bis hin zur Schöpfungsgeschichte im Alten Testament.

Es ist natürlich richtig, dass es neben der religiösen Tradition Europas auch eine zweite stark gezeichnete historische Linie gibt. Nämlich die Trennung von Staat und Kirche. Eine politische Union muss aber beides zu vereinen wissen. Denn wie es Theodor Heuss so bildlich formulierte, hat Europa von drei Hügeln Ausgang genommen: Golgatha, der Akropolis und dem Capitol. Also dem jüdisch-christlichen Glauben, der griechischen Philosophie und dem römischen Recht. Alle drei, ergänzt Heuss, muss man als Einheit sehen. Ein Satz der bis heute nichts von seiner Bedeutung und Aktualität eingebüßt hat!

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