Gauck: Freiheitskämpfer für Europa?

, von  Leyla Pilz

Gauck: Freiheitskämpfer für Europa?
Gauck sieht sich als Europäer. Photo: 2009, Bestimmte Rechte vorbehalten von Sebastian Hillig

Der Leistungsdruck, der auf ihm lastet, ist nichts für schwache Nerven: Spätestens seit der Nominierung Joachim Gaucks für das Bundespräsidentenamt überschlagen sich die Meldungen mit Forderungen und Hoffnungen an die neue Nummer eins der Bundesrepublik.

Auch über die deutsche Grenze hinaus melden sich Stimmen, die mit der Ernennung des ostdeutschen Theologen hohe Erwartungen verbinden: „Er wird ein auch ein Symbol sein, für Mut und ethische Strenge, in einem für Europa harten und schweren Moment“, schreibt die italienische Tageszeitung La Repubblica und El País aus Spanien fordert: „Jetzt, wo Deutschland weniger ’europäisch’ wird, bräuchte es wirklich eine moralische Instanz an der Spitze des Staates, die überzeugend von dem Weg sprechen kann, den es jetzt zu gehen gilt.“ Gauck also ein moralischer Führer für Europa?

Der Hoffnungsträger selbst hat sich bisher wenig zu seiner europapolitischen Vision geäußert. Klar scheint: die Erfahrungen mit der DDR haben auch seine Wahrnehmung der europäischen Gemeinschaft maßgeblich geprägt. In einer Vortragsreihe der Robert Bosch Stiftung 2006 bezeichnete Gauck sich selbst als Europäer, der 50 Jahre seines Lebens nicht dazugehören durfte. Nun sei er mit Freuden und gelegentlichen Sorgen dabei, wenn Europa sich neu ordnet und womöglich neu definiert.

Ganz schön unbequem?

Die Sorgen dürften in Zeiten von Finanz- und Eurokrise gewachsen sein, sein Gestaltungsraum mit dem neuen Amt aber auch. Bereits jetzt gilt Joachim Gauck als unbequemer Präsident, als Querdenker mit eigenem Kopf. Wohl kaum wird er Gesetze einfach abnicken, nur weil die Koalition sie als „alternativlos“ bezeichnet. Das kann sich spätestens bei neuen Hilfspaketen auch in der Europapolitik bemerkbar machen. Es wird sich zeigen, wie diskussionsfreudig die Bürgerrechts-Ikone die Möglichkeiten seines Amtes ausschöpft, um beispielsweise dem Europäischen Stabilitätsmechanismus demokratischere Züge zu verleihen.

Aber Gauck hat nicht nur raue Züge. Er muss auf die europäischen Partner wie Griechenland zugehen und Ängste vor einer deutschen Hegemonie abbauen. Der unkonventionelle Charme eines Politik-Neulings gepaart mit einem offenen Ohr kann ihm hierbei helfen.

Leitmotiv: Demokratie

Kaum ein europäischer Politiker verkörpert die Idee von Freiheit und Demokratie so wie der Bürgerrechtler Gauck. Europa kann davon nur profitieren. Entwicklungen wie in Ungarn wird ein Präsident Gauck scharf verurteilen, Bürgerrechtsverletzungen in der Ukraine oder Weißrussland immer wieder anprangern. Und auch den Umgang mit Menschenrechten in der Türkei wird der Beitritts-Skeptiker beobachten und ansprechen.

Es gibt mächtigere Ämter als die Bundespräsidenten. Viele von Gaucks Vorgängern begnügten sich mit der Rolle des repräsentativen Händeschüttlers, andere waren wichtige Impulsgeber in Deutschland und Europa. Joachim Gauck ist kein genügsamer Typ.

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