„High statt Drogenfrei?“ – Europas Drogenpolitik im Wandel

, von  Maria Kroker

„High statt Drogenfrei?“ – Europas Drogenpolitik im Wandel
Die Entkriminalisierung von illegalen Substanzen könnte zu einem drastischen Wandel in der EU-Drogenlandschaft führen. Foto: © ashley rose: „judge me now, #2 in explore“, https://www.flickr.com/photos/ashleyrosex/2448288816/, Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Harte Fakten: 85 Millionen erwachsene Europäer haben schon einmal illegale Drogen konsumiert. Dabei steht Cannabis auf Platz eins. Dies fand die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) heraus, die jährlich einen Europäischen Drogenbericht veröffentlicht. Im Mittelpunkt dieser Studie steht die aktuelle Lage und Entwicklung des Drogenkonsums innerhalb der EU. Die EBDD berichtet dabei von dramatischen Veränderungen innerhalb des europäischen Drogenmarktes.

Nach wie vor ist der Cannabiskonsum in Europa auf einem hohen Stand, verzeichnete aber in den letzten Jahren einen relativ stabilen, teilweise sogar rückläufigen Trend. Auch Heroin und andere Opioide werden weniger gehandelt und konsumiert. Probleme mit Crack weisen laut Bericht der EBDD aus dem Jahr 2013 nur wenige Länder auf. Der Konsum von Kokain konzentriert sich hauptsächlich auf einzelne westeuropäische Länder, wie Belgien, Spanien und Großbritannien.

Besorgniserregend ist hingegen der Trend zahlreicher neuer psychoaktiver Stoffe, welche aufgrund ihrer neuartigen chemischen Struktur nicht vom internationalen Drogenkontrollamt erfasst werden. Allein im letzten Jahr entdeckte die EU 73 bis dahin unbekannte synthetisch hergestellte Rauschmittel. Das ist der bisher höchste Stand an neu entdeckten illegalen Substanzen innerhalb eines Jahres.

Anpassung an neue Verhältnisse

„Der Drogenmarkt ist heute offenbar komplexer und dynamischer und orientiert sich strukturell nicht mehr so stark an den pflanzlichen Stoffen, die über weite Strecken zu den europäischen Abnehmern transportiert werden“, heißt es im aktuellen Bericht der EBDD. Ursachen für diese Veränderungen seien die Globalisierung und die Weiterentwicklung der Informationstechnologie. Dabei nimmt besonders das Internet, aufgrund großer Anonymität und globaler Reichweite, einen immer wichtigeren Stellenwert für den illegalen Drogenhandel ein. Auch die neuartigen psychoaktiven Substanzen werden meist außerhalb Europas hergestellt und über Internetplattformen vertrieben.

Die Europäische Kommission erarbeitet im Moment Lösungsansätze, um verstärkt auf die neue Situation reagieren zu können. Dabei soll unter anderem das in Österreich geltende Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz in weiteren Ländern verabschiedet werden. Aufgrund des Gesetzes können einzelne neue Substanzen und Substanzgruppen, welche nicht explizit im Suchtmittelgesetz aufgeführt sind, durch Verordnungen verboten und so dem sich rasch entwickelnden Drogenmarkt schnellstmöglich entgegen gewirkt werden. Auch die EBDD ruft die Mitgliedsstaaten der EU auf, die Maßnahmen ihrer Drogenpolitik den neuen Herausforderungen anzupassen.

Gesetzes-Dschungel der europäischen Drogenpolitik

In Europa obliegt es den nationalen Regierungen, die rechtlichen und strategischen Rahmenbedingungen zur Drogenbekämpfung zu schaffen. Mehrjährige Strategien und Aktionspläne der EU-Gesetzgebung bilden dabei die Grundlage für ein koordiniertes Vorgehen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Im Dezember letzten Jahres wurde die aktuelle EU-Drogenstrategie für den Zeitraum 2013 bis 2020 verabschiedet.

Fünf Schwerpunkte bilden die Leitlinien der gemeinsamen Politik: Nachfrage- und Angebotsreduzierung, Information – Forschung – Evaluation, enge Koordinierung zwischen den Dienstleistungsstellen in der EU sowie wirksame internationale Zusammenarbeit und Harmonisierung von Straftatbeständen zwischen den Mitgliedsstaaten. Bereits im Dezember 1996 beschloss die EU eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten bezüglich der Drogenproblematik.

Passiert ist bisher nichts. Vielmehr herrscht immer noch ein rechtliches Wirrwarr innerhalb der Staatengemeinschaft: Während die nördlichen Mitgliedsstaaten Finnland, Schweden, Dänemark aber auch Griechenland an einer repressiven Drogenpolitik festhalten, folgen Länder wie Spanien und Deutschland bereits den immer lauter werdenden Forderungen nach Entkriminalisierung. Eines der liberalsten Drogengesetze Europas galt seit 2010 in Tschechien. Die dortige Regierung bestimmte einen genau festgelegten Eigenbedarf an Drogen, welcher nicht strafrechtlich verfolgt wird. Das Verfassungsgericht kippte zwar im August die Verordnung, eine Abkehr von der bisherigen Politik ist aber nicht absehbar.

Portugal als Vorreiter der liberalen Drogenpolitik

Bereits 2001 schlug Portugal den Weg der Entkriminalisierung ein - und stieß damit auf große Skepsis. Seitdem wird in dem Land nicht mehr zwischen weichen und harten Drogen unterschieden. Zudem ist der Besitz bestimmter Mengen an Rauschmitteln quasi legal: Wird ein Portugiese mit einem Gramm Heroin, Ecstasy, Chrystal oder Speed erwischt, begeht er eine Ordnungswidrigkeit - ähnlich wie Falschparken. Unter die Grenze fallen auch 25 Gramm Cannabis und zwei Gramm Kokain. Dieses Modell der Anti-Drogen-Strategie steht im klaren Gegensatz zu der bis dato angewandten konservativen Repressionspolitik. Umso mehr überrascht die Bilanz Joao Goulao, Präsident des portugiesischen Instituts für Drogen und Drogensucht: „Seit 1990 hat sich die Zahl der als problematisch betrachteten Drogenabhängigen um mehr als die Hälfte reduziert.“ Diese Zahlen ließen keinen Zweifel daran, dass das Phänomen der Drogensucht in Portugal abnähme.

Zukunftsmusik Entkriminalisierung?

Bislang ist der EU-Drogenaktionsplan auf Prävention, Verringerung des Angebots und der Nachfrage und auf Hilfe für Abhängige ausgerichtet – nicht aber auf Entkriminalisierung. Die Angleichung der nationalen Drogenpolitik der EU-Mitgliedsstaaten geschah bisher nur sehr zurückhaltend. Immer mehr Staaten öffnen sich im Alleingang der Entkriminalisierungspolitik. Für Europa wird es Zeit, Führung und Kreativität zu beweisen und im Durcheinander der nationalen Gesetze für Ordnung zu sorgen. Erst dann können alle von erfolgsversprechenden Strategien profitieren.

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