Die dänische Regierung macht ernst: Am Dienstag begann sie mit der Wiedereinführung von Zollkontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden. Insgesamt 50 Zöllner sind im Einsatz, 30 davon an der deutsch-dänischen Grenze, zehn an der Grenze zu Schweden und zehn an den dänischen Häfen. Das Ziel der stichprobenartigen Kontrollen: Nach Regierungsangaben sollen Kriminalität und der Schmuggel von Waffen und Drogen unterbunden werden.
Kritik von allen Seiten
Aus dem Ausland und auch aus Dänemark selbst hagelte es Kritik. Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen sei „ein Bruch des Europarechts“, erklärte das Präsidium der JEF Dänemark und forderte, die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof anzufechten. Die JEF Dänemark hält die Kontrollen für populistisch und wirkungslos: „Der Plan beinhaltet keinerlei Initiativen, die Kontrollen und die Sicherheit im Briefverkehr zu verbessern [um diesen auf Drogen zu kontrollieren]– die Verbindung zwischen der Bekämpfung des Drogenhandels und den ausgeweiteten Grenzkontrollen ist daher keineswegs der wahre Grund [für die Kontrollen].“
Die Jugendorganisationen der dänischen Oppositionsparteien lehnen die Kontrollen ebenfalls ab. Jakob Esmann von den jungen Sozialdemokraten sagte: „Ich denke, dies ist ein populistischer Versuch der Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti, DF), die Idee von Europa und die europäische Integration zu zerstören.“ Auch Hauke Petersen, der Landesvorsitzende der JEF Schleswig-Holstein äußerte sich nach der Parlamentsentscheidung enttäuscht: „Ich habe das Abstimmungsergebnis mit sehr viel Bedauern zur Kenntnis genommen.“
JEF Dänemark fordert Rücknahme
Die JEF Dänemark rief das dänische Parlament auf, die Zollkontrollen wieder abzuschaffen und andere Maßnahmen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität zu ergreifen. In einer Erklärung heißt es: „Wir empfehlen dem dänischen Parlament, die Ausnahmeregelungen [für die Zusammenarbeit zwischen der EU und Dänemark] in allen Bereichen und besonders in der Innenpolitik aufzuheben, die die Zusammenarbeit zwischen dänischen und europäischen Polizeikräften behindern. Wir denken, dass die Kriminalität ein Thema von großer Wichtigkeit ist, aber es das Problem nicht löst, wenn wir versuchen, Kriminelle an der Grenze zu stoppen. Die einzige effiziente Lösung des Problem ist es, die dänische Polizei in die Lage zu versetzen, mit ihren europäischen Partnern zu kooperieren.“ Darüber hinaus sollten andere europäische Länder weiterhin Druck auf die Regierung in Kopenhagen ausüben, forderte die JEF Dänemark.
Hessischer Minister empfiehlt Dänemark zu meiden
In Deutschland wurde die Einführung der Kontrollen auch von schrillen Tönen begleitet. Der hessische Innenminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) empfahl in der Bild-Zeitung deutschen Urlaubern, Dänemark zu meiden. Ein Sprecher der DF nannte diese Äußerungen nach Angaben der FAZ „fanatisch“ und „extremistisch“. Der dänische Steuerminister Peter Christensen erklärte, die Worte Hahns seien „hysterisch“.
Eine Initiative der Rechtspopulisten
Das dänische Parlament, der Folketing, bewilligte am Freitag den Einsatz der neuen Zöllner. Deren Zahl soll zum 1. Januar 2012 erhöht werden, 2014 sollen dann neue befestigte Grenzkontrollen gebaut werden. Steuerminister Christensen sagte, die meisten Reisenden würden die Kontrollen „überhaupt nicht“ bemerken, da nur Stichproben geplant seien. Staus an der Grenze seien nicht zu erwarten.
Die Initiative zu den Grenzkontrollen ging von der rechtspopulistischen DF aus, die auf diese Weise angeblich von Osteuropäern verübte Kriminalität bekämpfen möchte. Parteichefin Pia Kjærsgaard erklärte nach Angaben von Danmarks Radio, die EU habe eine Reihe von Staaten in das Schengen-Gebiet aufgenommen, die hochkriminell seien. Namentlich nannte sie Bulgarien und Rumänien. Dies seien Länder „in denen die Mafia fast so viel Einfluss hat wie die Politiker und in denen Schießereien auf den Straßen alltägliche Erfahrungen sind und Korruption ein normales Phänomen ist.“ Tatsächlich sind Bulgarien und Rumänien allerdings nicht Teil des Schengen-Raums.
Auf Anfrage beim Außenministerium vom vergangenen Freitag erhielt Treffpunkt Europa bislang keine Antwort.
Opposition kündigt Rücknahme an
Die dänischen Pläne waren bereits im Juni auf Ablehnung bei EU-Kommission und den Regierungen Deutschlands und Schwedens gestoßen. Im Juni hatten auch Jugendverbände und Parteien aus Deutschland und Dänemark an der deutsch-dänischen Grenze gegen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen protestiert.
Im November finden in Dänemark Parlamentswahlen statt. Kommentatoren vermuten, die Wiedereinführung der Kontrollen sei vor allem als Wahlkampfmanöver zu verstehen. Die Opposition in Dänemark kündigte an, die Kontrollen nach einem möglichen Regierungswechsel wieder zurückzunehmen. Der Europäische Rat hat unterdessen einer Reform des Schengen-Abkommens zugestimmt.
1. Am 13. Juli 2011 um 14:10, von Janne Als Antwort Kritik an der Wiedereinführung von Zollkontrollen in Dänemark
Man sollte jedoch auch erwähnen, dass die sozialdemokratische Oppositionsführerin im dänischen Folketing Anfang des Jahres selber noch verstärkte Kontrollen gefordert hat und dass die Sozialdemokraten bis zu der heftigen kritik in Deutschland auch bereit waren, das Gesetz mitzutragen. Interessant finde ich auch, dass beispielweise Norwegen (ebenfalls Schengen-Mitglied) schon kurz vor der dänischen Entscheidung, seine Zoll-Kontrollen an der Grenze zu Schweden verstärkt hat, ohne das dies zu ähnlichen Reaktionen (Boykottaufrufe, Nationalismus-Vorwürfe etc) in Deutschland geführt hätte.
Vielleicht sollten einige einfach ihre Rhetorik etwas herunterfahren. Die meisten meiner Bekannten aus Dänemark, die für die verstärkten Kontrollen sind, sind auch EU-Befürworter. Es geht denen also nicht, um einen „Verrat an der EU“ (so die taz) oder ähnlichem. Ich hab mich auf jeden Fall gewundert, wie dünnhäutig einige Politker und Journalisten reagieren. Es gibt -auch in Hinblick auf die europäische Zusammenarbeit- wirklich schlimmeres als gelegentliche Stichprobenkontrollen an der dänischen Grenze.
Ich bin, was die verstärkten Stichprobenkontrollen des Zolls angeht, auch skeptisch, ob das wirklich etwas bringt. Aber deswegen ruf ich noch lange zu keinem Boykott oder ähnlichem auf.
Die Dänische Volkspartei hat sich übrings vor einigen Tagen für diesen -wie auch finde- ziemlich blöden Patzer mit Bulgarien und Rumänien entschuldigt. Die Dänische Volkspartei hat aber nichts mit dem dänischen Außenministerium am Hut. Man müsste dann schon direkt bei der Partei nachfragen.
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