Nobelpreis: Pro. Wir sind Nobelpreisträger

Oder warum Athen doch nicht so weit von Oslo entfernt liegt

, von  Paul Sander

Nobelpreis: Pro. Wir sind Nobelpreisträger

„Merkels Besuch in Griechenland hat gezeigt, dass Athen ganz weit von Oslo entfernt liegt.“ Mit diesem Satz unterschrieb die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Meinungsbeitrag, der sich mit Merkels Besuch in Athen und dem Friedensnobelpreis für die EU befasste.

Der Satz legt nahe, dass das, was derzeit in Griechenland passiert, mit dem Friedensnobelpreis nicht vereinbar ist. Das lädt ein zum Nachdenken: Über den Friedensnobelpreis, und darum ob die EU ihn verdient hat.

Die Kritiker haben Recht

Vor drei Jahren gab es ähnliche Diskussionen, darüber ob Barack Obama, damals nur wenige Monate im Amt, diesen Preis verdient. Viele Kommentatoren meinten damals dieser Preis sei übereilt, verliehen für wenige sehr gute Reden, vor allem für die sogenannte Kairoer Rede. Oder der Preis sei eine Art „Vorschuss“ in der Hoffnung, dass er die Friedenspolitik vorantreiben und beispielsweise Guantanamo schließen würde.

Ähnlich ist es jetzt mit der EU. Einige sind verwundert, einige halten den Preis für einen tagespolitischen Hinweis, wieder andere sehen den Preis kritisch. Die Kritiker haben durchaus ernstzunehmende Argumente auf ihrer Seite: Hat eine Staatengemeinschaft den Friedensnobelpreis verdient, die ihre Grenzen so radikal abschottet, gleichzeitig aber jene Immigranten auf spanischen Plantagen unter sklavischen Bedingungen das Gemüse für die gesundheitsbewussten Europäer ziehen lässt? Diese Argumentation ist durchaus nachvollziehbar und sie ist auch richtig. Denn nach innen individuelle Freiheit zu predigen, nach außen aber radikal die innere Sicherheit zu verteidigen, das ist wahrlich ein Widerspruch.

Der Preis ist dennoch verdient

Doch es gibt gute Gründe, warum der Friedensnobelpreis für die EU verdient ist. Der britische Bestseller Autor Ken Follet hat vor zwei Jahren den ersten Weltkrieg schlicht, aber fesselnd beschrieben. Sein Roman „Sturz der Titanen“ beschreibt das Europa vor circa hundert Jahren. Ein Europa das keinen äußeren Frieden (Erster Weltkrieg), aber innerhalb der Völker auch keinen inneren Frieden hat: Klassenkämpfe, Paternalismus, prekäre Lebensverhältnisse, Ausbeutung, und ein Krieg mit Millionen von Toten. Das war Europa.

Vieles von dem ist Europa, und auch die EU, heute noch. Aber nicht mehr alles. Europa ist nicht das Paradies, aber im Paradies wäre der Friedensnobelpreis unnötig. Der Nobelpreis ist ein Preis für gute Ideen, und nicht für Perfektion. Der Friedensnobelpreis ist nicht der Preis für den perfektesten Friedensstifter, den besten aller Gutmenschen, er ist nicht für den fleißigsten Brunnenbauer. Er ist ein Preis für eine gute Idee. Hätte Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, einer der ersten und entschiedensten Kämpfer für ein friedliches und geeintes Europa, den Nobelpreis erhalten – niemand hätte protestiert.

Die EU ist mehr als Krisengipfel

Aber bei EU denkt der Zeitgeist an Krisengipfel, Gurkennorm und die EU-Kommission. Jedoch hat kein Organ der EU, sondern die Europäische Union den Friedensnobelpreis erhalten. Diese Unterscheidung ist wichtig. Der Friedensnobelpreis ist verdient, weil er das honoriert was für uns selbstverständlich geworden ist: Dafür, dass politische Aktionen wie RISE UP, über Ländergrenzen möglich sind. Er ist verdient, weil es möglich ist, dass dieses Onlinemagazin in mehreren Sprachen erscheint. Der Friedensnobelpreis bedeutet, dass die EU eine gute Idee auf dem Weg zu einem globalen Frieden ist.

Der Friedensnobelpreis ist aber auch ein Anspruch. Ein Anspruch, der erfüllt werden muss. Eine EU, die sich Friedensnobelpreisträger nennt, muss alles tun, um diesen Titel in Zukunft zu rechtfertigen – damit Athen nah bei Oslo bleibt.

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