Polen sendet ein selbstbewusstes Zeichen für Europa

Das Europäische Forum für Neue Ideen in Sopot

, von  Niklas Kramer

Polen sendet ein selbstbewusstes Zeichen für Europa
Jerzy Buzek

Initiiert von der polnischen Wirtschaftsvereinigung Leviathan und vielen Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft wurde vom 26. bis zum 28. September 2012 eine Großveranstaltung im schönen Badeort Sopot, nahe Danzig organisiert. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft kamen in Europäischen Forum für neue Ideen zusammen, um über die Zukunft in Europa zu diskutieren. Das Abschlussdokument ist ganz im Sinne der Jungen Europäischen Föderalisten.

Zur Eröffnungsrede der Konferenz war der polnische und ehemalige Sicherheitsberater von Jimmy Carter, Zbigniew Brzeziński geladen. In der Rede, die sich durch die klaren und erfrischenden Worte eines amerikanischen Geopolitologen auszeichnete, unterstrich der Pole und Wahlamerikaner die Bedeutung der Stadt Danzig (Gdańsk) und der hier beginnenden Solidarność-Bewegung. Er habe auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs vielleicht mehr Macht hinter sich gewusst. Dies sei jedoch nicht zu vergleichen mit dem beeindruckenden Freiheitskampf der Werft-Arbeiter um Lech Wałesa. In seiner Analyse der aktuellen Lage der Weltpolitik, die durch das Fehlen eines Hegemon und Konflikten vieler Art gekennzeichnet ist, kam er dann auch auf die Rolle Europas zu sprechen. Mit Deutlichkeit pflichtete er dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski bei, der in der im Inland umstrittenen Berlin-Rede, die Führungsrolle Deutschlands für Europa angemahnt hatte. „Deutschland mit seiner Aussöhnung zunächst mit Frankreich und später mit Polen sowie seiner grundsoliden Demokratie kann und sollte Europa führen und Verantwortung übernehmen. Polen sollte Deutschland darin unterstützen.“, so Brzeziński.

Das Format der Veranstaltung war breit gewählt und zahlreiche hochkarätige Gäste waren geladen. Hans-Dietrich Genscher, Michail Gorbatschow und Lech Wałesa, der erste Präsident des freien Polens persönlich, sprachen über Herausforderungen der Energiepolitik. Der ehemalige Kommissar für Erweiterung Günther Verheugen und Jürgen R. Thumann von Buisness Europe betonten die besondere Rolle der Türkei, welche als besonderes Partnerland bei dem Forum geladen war. Daneben wurden Fragen der sozialen Ungleichheit, aber auch die Notwendigkeit für Wettbewerbsfähigkeit und Europa als Wettbewerbsstandort gesprochen. Vor allem die Wirtschaftsvertreter machten sich immer wieder dafür stark, das Unternehmertum in Europa nicht zu vergessen und sich vermehrt für die Belange des Mittelstandes einzusetzen. Überschattet wurde die Veranstaltung durch die Finanz- und Eurokrise sowie den Reformvorschlägen, die von der Kommission und anderen auf den Tisch gelegt wurden. George Friedmann, der Leiter des amerikanischen Think-Tanks „Stratfor“, welcher die fehlende kulturelle Identität und Staatlichkeit Europas anprangerte, setzten verschiedene Europäer entgegen, dass das bisher Erreichte nicht kleingeredet werde dürfe. Vor allem Lech Wałesa, der ein eigenes Institut zur Förderung der Demokratie und Freiheit gegründet hat, rief emphatisch: „Wir haben doch keine Wahl!“.

Der erste Finanzminister des freien Polens und berühmte Liberalreformer Leczek Balcerowitz griff die aktuelle Bail-Out Politik sowie das Eingreifen der Europäischen Zentralbank in seinem Vortrag scharf an. „Der Kern des Problems wird nicht gelöst“, so der Professor und Gründer der Warschauer Wirtschaftsuniversiät (SGH), welcher die Lösung in einer Stärkung der No-bailout-Klausel und einer Härtung der Maastrichter Kriterien sieht. Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy rief in seiner Abschluss-Rede der Konferenz dagegen dazu auf, auch den Schritt hin zu einer politischen Union und Wirtschaftsregierung zu gehen. Dies dürfe nicht mit einer Vereinheitlichung der Kultur gleichgesetzt werden, da Europa gerade von seiner Unterschiedlichkeit profitiere. Der Schritt hin zu einer politischen Union sei aber notwendig und würde zudem Europa „als neue Idee an sich“ unterstreichen. Dabei suchte Lévy auch den Vergleich mit den westeuropäischen Eliten in den 70er und 80er Jahren, die in ihrer Lethargie und Gleichgültigkeit gegenüber der Teilung Europas erst durch die Bilder der Solidarność aufgeweckt wurden.

Die „Erklärung von Sopot“, das Abschlussdokument der Veranstaltung, ist ein positives Signal für Europa. Die Staaten werden aufgefordert mehr Souveränität nach Brüssel abzugeben und sich vehementer als bisher die Herausforderungen der Zeit anzugehen. Gleichzeitig werden die Politiker dazu aufgerufen, Schluss zu machen mit zu schuldenbasierten Haushalten. Das Europäische Forum für neue Ideen war eine gelungene Veranstaltung und unterstreicht zudem die neue selbstbewusste Rolle Polens als europäischer Akteur.

Ihr Kommentar
  • Am 4. Oktober 2012 um 12:48, von  Christoph Als Antwort Polen sendet ein selbstbewusstes Zeichen für Europa

    Vor allem Lech Wałesa, der ein eigenes Institut zur Förderung der Demokratie und Freiheit gegründet hat, rief emphatisch: „Wir haben doch keine Wahl!“ - was fuer ein brillantes Demokratieverstaendnis dieser Herr Walesa doch hat, ganz aehnlich dem von Frau Merkel.

    Aber nun zur Sache. Vielen Dank Niklas fuer deinen Artikel. Leider ist mir nicht so richtig ersichtlich, was denn das Neue an den entwickelten Ideen sein soll. Ich meine, immerhin heisst die Veranstaltung Europaeisches Forum fuer neue Ideen, aber die Ideen sind doch weitgehend bekannt und wenig innovativ. So erscheint es zumindest mir.

    Vielleicht willst du noch ein Bisschen ausfuehren, was bei dem Forum als Ergebnis festgehalten wurde, welche neuen Gedanken aufgekommen sind, usw.

    Wuerde mich freuen! Gruesse

  • Am 4. Oktober 2012 um 16:48, von  Niklas Als Antwort Polen sendet ein selbstbewusstes Zeichen für Europa

    Lieber Christoph,

    das Neue an dem Forum für neue Ideen ist alleine bereits die Tatsache, dass in Polen eine breite und produktive Debatte zu dem Thema geführt und so ein Forum auf die Beine gestellt wird. Und ja es wurden viele kleinere Ideen während des Forums geäußert, die neu waren. Das fing an bei dem Binnenmarkt, der Wirtschaftsförderung etc. Bezüglich der Eurokrise sind ja bereits viele neue Ideen auf den Tisch, die man vielleicht erst einmal durchdiskutieren sollte! Lech Walesa Zitat so uminterzupretieren wie Du es tust, scheint mir, vor dem Hintergrund was der Mann - trotz Kritik - für sein Land und die Freiheit in Europa getan hat, nur böswillig. Mit seinem Aufruf ist doch das Argument gemeint, dass wir angesichts der Globalisierung nur zusammenrücken können. Na klar bleibt am Ende die Wahl des Bürgers, der sich auch dagegen entscheiden kann!

  • Am 4. Oktober 2012 um 19:01, von  Christoph Als Antwort Polen sendet ein selbstbewusstes Zeichen für Europa

    Hallo Niklas,

    keine Angst, so böswillig wollte ich in diesem Moment nicht sein. Eigentlich hat mich vorallem der - vermutlich verzerrte - Zusammenhang amüsiert. Dass er es wortwörtlich so gemeint hat, hätte mich schon sehr überrascht.

    Eigentlich wollte ich dich ein wenig aus der Reserve locken, sodass du noch etwas nachlegst bezüglich der Ergebnisse des Forums. Klar ist es vielleicht ein Novum, dass soetwas in Polen stattfindet, aber das allein erklärt nicht den mit einem gewissen Anspruch verbundenen Titel mit den „neuen Ideen“.

    Du sagst, es liegen neue Lösungen für die Eurokrise auf dem Tisch, welche hast du da im Blick?

    Auch schreibst du ja, dass es in einigen Bereichen durchaus neue Ideen gab. Welche haben dich da überzeugt? Von welchen hältst du weniger? Wo gingen die neuen Vorschläge besonders weit und wo blieben sie mehr im bereits Vertrauten?

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