Stürmische Zeiten in den deutsch-französischen Beziehungen

, von  Olivier Abessolo, Übersetzt von Janina Kömen

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Stürmische Zeiten in den deutsch-französischen Beziehungen

Niemals schien die zarte Liebe zwischen Helmut Kohl und Francois Mitterrand so weit entfernt, wie in den letzten Wochen. Die Zeiten, in denen sich der frisch gewählte Präsident Sarkozy beeilte Angela Merkel in Berlin in die Arme zu fallen, sind vorbei…

Dieses Mal ist klar, dass zusammenklappende Türen im Hintergrund nicht ausreichen und dass fassadenhafte Lächeln und die zeremoniellen Umarmungen können über nichts hinwegtäuschen: Zwischen Paris und Berlin herrscht Unwetter. Man versteht sich nicht mehr, man diskutiert zweifelsohne nicht genug.

In der ersten Jahreshälfte schwärmte Präsident Sarkozy und zukünftiger Präsident des Rats der Europäischen Union noch vom Beispiel, dem er folgen wollte: der deutschen Präsidentschaft. Jenseits des Rheins versprach Angela Merkel Frankreich eine unvergängliche Unterstützung in guten wie in schlechten Zeiten.

Die französische Präsidentschaft beginnt allerdings leidvoll. Nach dem irischen „Nein“ zum Lissabon Vertrag am 12. Juni scheint die Union eine Pause einlegen zu müssen. Der russische Angriff auf Georgien am 8. August und der Finanztsunami, gefolgt von der Angst vor einer Rezession hätten, der guten alten Logik zufolge, die Europäer spalten und Frankreich und Deutschland in der Unglückssituation annähern sollen. Dies entspricht allerdings nicht der Realität und der französische Präsident ist nicht unbeteiligt an den Erfolgen der französischen Präsidentschaft wie auch an den abgekühlten französisch-deutschen Beziehungen.

„Was eine Entscheidungsfindung verhindert, ist ein Mangel an Mut“, verkündete er unverfroren vor dem europäischen Parlament. Und trotzdem kommt stürmischer Beifall aus Brüssel. Sogar Francis Wurtz, der Präsident der kommunistischen Partei des europäischen Parlaments, hat dem „ungebräuchlichen Stil des Präsidenten“ gehuldigt währenddessen Martin Schulz, Präsident der sozialistischen Partei, den „omnipräsenten Präsidenten“ begrüßte… Also, was geht auf der anderen Seite des Rheins vor sich?

Der Stil Sarkozys verärgert die Deutschen

Mit einem stark ausgeprägten Voluntarismus und einer anscheinend ungezügelten Aktivität hat Sarkozy einen gewissen Stil durchgesetzt, was hinter den Kulissen auch für Ärger gesorgt hat. “Europe puissance" (das mächtige Europa), das von dem französischen Präsidenten geförderte Konzept, missachtet gerne die Meinungen der kleineren Mitgliedstaaten und die vorschnellen Aktionen verkürzen so einige Male die Verhandlungen und die Suche nach dem perfekten Konsens, der den Deutschen und den Brüsselern so am Herzen liegt.

Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise konfrontiert, schlagen die Wellen zwischen Paris und Berlin hoch. Seit der finanzielle Wirbelsturm die Europäische Union erfasst hat, bremst Berlin mit eiserner Kraft den Aktionismus aus Paris: Nachdem Berlin einen gemeinsamen Aktionsplan auf dem Gipfeltreffen der vier europäischen Mitgliedsländer der G8 am 5. Oktober in Paris abgelehnt hat, muss Deutschland, überrascht durch das Ausmaß der Krise, dem Plan am 12. Oktober während des Gipfeltreffens der Regierungschefs der Euro-Zone, abermals in der französischen Hauptstadt, zustimmen. Seitdem beharrt Angela Merkels Deutschland auf der Ablehnung eines Plans zur Belebung der europäischen Wirtschaft, um eine Rezession zu vermeiden und bevorzugt die Strategie „jeder für sich“.

Deutschland vorsichtig gegenüber einer wirtschaftlichen europäischen Regierung

Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück erklärt wieso er die Idee, durch neue Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft in Deutschland an Europa zu zahlen und die europäische Wirtschaft anzustoßen, ablehnt: „Es wird keine großen Rettungspläne geben“ verkündete er in seiner Rede vor dem Rat der französischen und deutschen Minister.

Selbst die Idee einer europäischen Wirtschaftsregierung der Euro-Zone, die Frankreich gerne einführen würde, wird von Deutschland abgelehnt. Am 22. Oktober erklärte der französische Staatschef in Strassburg, dass „die wirkliche Wirtschaftsregierung der Eurogruppe eine Eurogruppe ist, die auf der Ebene der Regierungschefs und Regierungen tagt“ [1] . Berlin hat sofort klar gemacht, dass sich die Frage diese Instanz zu institutionalisieren nicht stelle: Die Eurogruppe, das sind die Finanzminister der Euro-Zone, die sich unter der Führung Jean-Claude Junckers, des luxemburgischen Premierministers und Finanzministers, versammeln, Punkt.

Die europäischen Partner Deutschlands haben in den letzten Tagen die Aufrufe an Deutschland größere Anstrengungen zur Ankurbelung der Wirtschaft zu unternehmen, verdoppelt und argumentiert, dass sein fast ausgeglichenes Haushaltsdefizit Luft für Manöver lasse. Unter der Anleitung der Europäischen Union hätte Deutschland große Anstrengungen unternommen, um sein Budget zu sanieren, erinnerte M. Steinbrück vor einer Versammlung der sozial-demokratischen Partei.

Angela Merkel sind die Hände aufgrund der bevorstehenden Wahlen gebunden

Das deutsche Misstrauen stößt in Paris aufgrund der Schwere der wirtschaftlichen Krisensituation auf Unverständnis. Angela Merkel scheint wegen der Wahlkampagne von nun an gelähmt. In Berlin glaubt man Paris möchte von den Umständen profitieren, um eine Wirtschaftsregierung einzurichten, die die Unabhängigkeit der europäischen Zentralbank in Frage stellen und mit ihr konkurrieren könnte. Außerdem habe das Hexagon, getreu seines Heuschreckenrufs, sein Haushaltsdefizit empor sausen lassen und seine Schulden nicht gekannte Höhen erreichen lassen (70% des BIP 2010).

Große Ankündigungen und spitze Bemerkungen

Empört hat der Minister Frankreich mit Strenge daran erinnert, dass Deutschland ein Viertel der Kosten der jeweiligen, auf europäischer Ebene beschlossenen Maßnahmen, finanzieren müsste. Kurz gesagt, angesichts der wachsenden Anzahl spitzer Bemerkungen ist es augenscheinlich schlecht bestellt um die Beziehungen zwischen Paris und Berlin. Wenn Berlin mit den Zähnen knirscht, regt sich Paris auf.

Die Verärgerung in Paris ist deutlich spürbar wo man von jetzt an ohne Komplexe die britische Karte ausspielt. Gordon Brown, der britische Premierminister, scheint immer wohlgestimmter gegenüber einer notwendigen gemeinsamen Krisenkoordination auf Gemeinschaftsebene, um zu retten, was zu retten ist, zu werden. Ein Beweis dass der Ausmaß der aktuellen Krise ist die europäischen Karten neu gemischt hat.

Der französische Präsident hat bereits drei Mal für seine Fehler bezahlt. Die deutsch-französische Verständigung funktioniert gut solange die Ansprachen vor und nicht nach der Verkündung von unilateralen Entscheidungen stattfinden. Der Voluntarismus und der übertriebene Aktionismus, der durch die Berichterstattung in den Medien noch verstärkt wurde, sind kein Pfand für Kohärenz.

Unverdiente Vorwürfe gegenüber der deutschen Kanzlerin?

Die französischen Beobachter, die Angela Merkel beschuldigen, mehr « Deutsch als Europäisch zu denken », machen ihr sehr französische Vorwürfe. Sicher, es stehen Wahlen bevor und sie muss die internen Widersprüche innerhalb der Koalition berücksichtigen und ist von einer Krise, die alle Voraussagen bei Weitem übersteigt, überrumpelt worden, aber sie weiß mehr als jeder andere, dass Europa die überlagernde Dimension ist. Was sie nicht will, ist ihr Land auf einen Weg zu bringen, der schlecht definiert bleibt und sehr kostenintensiv für die Wirtschaft werden könnte. Eine Wirtschaft, die die Franzosen sich nicht schwächer wünschen sollten- denn Deutschland wird den größten Anteil zum 130 Milliarden schweren europäischen Budget beisteuern.

Zum Anlass des letzten europäischen Ratstreffens haben Angela Merkel und Nicolas Sarkozy unter den wohlwollenden Blicken von Jean Claude Juncker verkündet, dass „gezielte Maßnahmen zugunsten der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren getroffen werden müssten wie z. B. der Automobilindustrie. Die Deutschen haben angekündigt, zwei Jahre lang Steuern für neue Autos zu streichen.“.

Ein frischer Windhauch könnte das Unwetter in den französisch-deutschen Beziehungen bald vorbeiziehen lassen. Die erneute Abstimmung in Irland und eine gemeinsame europäische Koordinierung der Wirtschaft lassen schönere Tage voraussehen. Die Zeiten sind nicht mehr vom Prinzip „Deutschland wird’s bezahlen“ geprägt und es handelt sich auch nicht um einen Rückzug in nationale Angelegenheiten, wie es die deutsche Einstellung erdenken ließe. Die Verstimmung zwischen Paris und Berlin, wird sie also nicht mehr als eine Wetterlaune sein?

 Bild : Nicolas Sarkozy und Angela Merkel in London (29 janvier 2008)
 Quelle : Europäische Kommission

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Anmerkungen

[1Siehe Euractiv.

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