Welche Verteidigung braucht Europa?

Die Jeunes Européens Bordeaux luden zur Debatte ein

, von  übersetzt von Inga Wachsmann

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 Welche Verteidigung braucht Europa?
Medaillien für Soldaten der EUTM Somalia © EUTM Somalia, EU

Zu ihrer Konferenz „Welche Verteidigung für Europa?“ hatten die Jeunes Européens Bordeaux eingeladen. Die Gäste waren der Konteradmiral Jean Dufourcq vom Institut für Strategie an der Militärschule (Institut de recherche stratégique de l’École militaire), Chefredakteur der Zeitschrift Défense nationale (Nationale Verteidigung), sowie Olivier Védrine vom Team Europe (Referententeam der Europäischen Union), Präsident des Atlantic-Ural College. Die Diskussionen verschafften den Teilnehmern einen Überblick zum Stand der Dinge und den Herausforderungen einer europäischen Verteidigung.

Die Europäische Verteidigung in der Sackgasse?

Schaut man sich verschiedene Ereignisse der jüngsten Vergangenheit an, sieht man die Europäische Verteidigung in einer Sackgasse. Die französisch-britischen Abkommen aus dem November 2010 zum Beispiel. Indem sie die anderen Mitgliedstaaten außen vor lassen, stehen die Abkommen für einen Rückschritt im Prozess einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Auch die Rückkehr Frankreichs in das gemeinsame Kommando der NATO ist eine Bremse für die Entstehung einer gemeinsamen, vom Atlantikpakt unabhängigen europäischen Verteidigung.

Das jüngste Beispiel des Libyeneinsatzes zeigt schließlich symptomatisch die fortbestehenden unterschiedlichen Herangehensweisen in Militärfragen innerhalb der Europäischen Union auf. Wie in anderen Bereichen auch, schafft es Europa anscheinend nicht mit einer Stimme zu sprechen.

Die Konferenz der Jeunes Européens (JEF-Bordeaux) diskutierte nun einige grundlegende Schwierigkeiten einer gemeinsamen Europäischen Verteidigung. Dufourcq wies darauf hin, dass die europäischen Staaten in der Vergangenheit ausschließlich gegen ihre Nachbarstaaten Krieg geführt hätten. Zunächst sei der Europäische Einigungsprozess Antwort auf die zwei Weltkriege gewesen, die auf dem europäischen Kontinent ihren Ursprung fanden. Damit war die Idee einer gemeinsamen Verteidigung in Europa zum Einigungsprozess ein Widerspruch an sich.

Wer ist heute der „Feind“?

Dufourcq erinnerte weiter daran, dass die Visionen Europas von unterschiedlichen geopolitischen Positionen der einzelnen Staaten abhängig seien. Ansichten, die nicht zwingend miteinander einhergingen. Großbritannien habe beispielsweise eine europäische Verteidigung immer abgelehnt. Es könne eine Macht entstehen, die London die Regeln vorschreibe. Stattdessen stehe London für eine zum Atlantik ausgerichtete Koalition und sehe Russland als feindliches Land.

In Deutschland fände man hingegen eine europäische Vision der geopolitischen Ausrichtung des europäischen Kontinents. Man möchte sich auf das Weimarer Dreieck stützen, also die Achse Paris-Berlin-Warschau, um den Frieden in Europa zu sichern.

Schließlich habe Frankreich im Laufe der Geschichte eine umfassende und globale Haltung entwickelt, die aus Frankreichs geopolitischen, militärischen und industriellen Potenzialen alle nur möglichen Vorteile ziehe. Die drei Dimensionen, die der französischen Vision zu Grunde liegen seien eine kontinentale, eine Mittelmeer- und eine atlantische Vision.

Eine Europäische Verteidigung könne demnach lediglich die Synthese der drei unterschiedlichen Ansichten sein und müsse darüber hinaus die Positionen der anderen Mitgliedstaaten berücksichtigen. Polen habe zum Beispiel ein besonderes Interesse an seiner Pufferposition zwischen dem europäischen und russischen Einflussgebiet. Die Feststellung dieser Unterschiede lasse schlussfolgern, dass die größte Hürde einer Europäischen Verteidigung wahrscheinlich in der Festlegung gemeinsamer Ziele liegt.

Auf dem Weg zu einer Annäherung an Russland?

Olivier Védrine betonte seinerseits die Bedeutung der Achse Paris-Berlin-Moskau. Zum ersten Mal seit Iwan dem Schrecklichen (1530-1584, erster russischer Zar) sei der Feind Russlands nicht mehr im Westen sondern im Osten, am östlichsten Ende Asiens, zu finden. Wir müssten daher eine Annäherung an ein Russland fördern, dass seit dem Fall des Eisernen Vorhangs europhil sei. Die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) müsse so reformiert werden, dass sie die Interessen der NATO, der Europäischen Union sowie Russlands vertreten könne, ohne die Interessen der OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit) zu verletzen.

Dufourcq ergänzte zwei weitere Herausforderungen. Die Priorität solle auf den drei Achsen Eurasien, dem Euro-Mittelmeerraum und den Transatlantischen Beziehungen liegen. Diese Gebiete lägen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft: wir seien von den dort stattfindenden Ereignissen betroffen oder zögen unsere Vorteile daraus. Wir müssten diesen Nachbarn eine Partnerschaft vorschlagen und sie in irgendeiner Form integrieren.

Olivier Védrine betonte schließlich, dass im Vergleich zur amerikanischen Macht, die gleichzeitig von hard und soft power gezeichnet sei, eine „Europäische Macht“ ein „politisches Europa“ brauche. Die Rückkehr der Nationalismen schade Europa als Weltmacht. Der Verzicht auf Verteidigung erkläre sich hauptsächlich durch eine fehlende politische Vision. Dies sei vielleicht einem zu schnellen Erweiterungsprozess zuzuschreiben. Am Ende der Konferenz kam schließlich der Gedanke auf, dass die Einigung sich um einen harten Kern entwickeln könnte, höchstwahrscheinlich zwischen Paris und Berlin, und dass diese Union symbolischere Führungspersonen als die der aktuellen Troika Barroso-Van Rompuy-Ashton bedürfe.

Zu ihrer Konferenz „Welche Verteidigung für Europa?“ hatten die Jeunes Européens Bordeaux eingeladen. Die Gäste waren der Konteradmiral Jean Dufourcq vom Institut für Strategie an der Militärschule (Institut de recherche stratégique de l’École militaire), Chefredakteur der Zeitschrift Défense nationale (Nationale Verteidigung), sowie Olivier Védrine vom Team Europe (Referententeam der Europäischen Union), Präsident des Atlantic-Ural College. Die Diskussionen verschafften den Teilnehmern einen Überblick zum Stand der Dinge und den Herausforderungen einer europäischen Verteidigung.

Photo: Kévin Perrottet

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