Erleuchtung

Wirtschaftspolitik der EU

Was macht eigentlich die EU im Bereich Wirtschaft und Soziales?

, von  Florian Ziegenbalg

Wirtschaftspolitik der EU

Immer schon stand die europäische Integration für wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand. Der Kern der heutigen Europäischen Union ist immer noch die Wirtschaftsgemeinschaft. Doch was sind die genauen Aufgaben der EU im Bereich der Wirtschaftspolitik? Wird die Sozialpolitik ausschließlich auf nationaler Ebene geregelt? Der folgende Überblick gibt Antworten.

Der Binnenmarkt

Als im Jahr 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet wurde, stand die Idee Pate, einen einheitlichen Wirtschaftsraum und einen Gemeinsamen Markt zu schaffen. So wie schon zuvor im Bereich von Kohle und Stahl sollte im Bereich der gesamten Wirtschaft Bedingungen geschaffen werden wie sie bislang innerhalb der Mitgliedstaaten bestanden hatten.

Dies bedeutete, dass die unterschiedlichen nationalen Regelungen in diesen Bereichen entweder einander angeglichen werden mussten oder aber die Mitgliedstaaten ihre Regelungen gegenseitig anerkannten. Das Ziel, den Gemeinsamen Markt durch die Verwirklichung der Freiheit des Warenverkehrs, des Kapitalverkehrs, der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit bis zum 01.Januar 1970 zu schaffen wurde allerdings nicht erreicht.

Erst Mitte der achtziger Jahre wurde mit dem so genannten Binnenmarktprogramm ein neuer Anlauf gestartet. Die Einheitliche Europäische Akte als neuer Vertrag schuf die nötige rechtliche Grundlage für diesen Integrationsfortschritt. Bis zum 31.Dezember 1992 sollte der europäische Binnenmarkt nun endgültig geschaffen werden.

Dabei wurde der Binnenmarkt als „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist”, definiert (Art. 14 EG-Vertrag).

Die Wirtschafts- und Währungsunion wird als logische Fortsetzung des Binnenmarktes angesehen.

Das ehrgeizige Ziel „Binnenmarkt 1992" wurde zwar in seinen Grundzügen erreicht, aber noch heute gibt es Einzelbereiche, in denen der Binnenmarkt noch nicht vollständig verwirklicht ist. Beispiele sind die technischen Handelshemmnisse und die Integration der Finanzmärkte. Zudem haben die einzelnen Mitgliedstaaten die Maßnahmen recht unterschiedlich umgesetzt.

Nach Ansicht vieler Experten sind im auch Bereich der Dienstleistungen noch sehr viele Hindernisse für einen wirklich grenzenlosen Markt vorhanden. Das mögliche Potenzial eines echten Dienstleistungsbinnenmarktes würde durch die vielen Hemmnisse nicht ausgeschöpft.

Die Dienstleistungs-Richtlinie (auch Bolkestein-Richtlinie genannt) soll einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Erbringung von Dienstleistungen im Binnenmarkt schaffen. Der Vorschlag der Kommission sah vor, dass künftig das so genannte Herkunftslandprinzip gelten soll. Danach soll jeder Anbieter von Dienstleistungen diese nach Bedingungen seines Heimatlandes anbieten können – ungeachtet der Standards des jeweils anderen Mitgliedstaates.

Kritiker erhoben deshalb den Vorwurf, diese Regelung würde einem Sozialdumping die Tür öffnen, da Anbieter von Dienstleistungen aus Niedriglohnländern mit geringeren Sozialleistungen ihre Dienste wesentlich billiger anbieten könnten als solche aus Ländern mit hohen Einkommen und hohen Kosten für Sozialsystem. Zudem könnten dadurch hohe Schutzniveaus für die Umwelt und die Verbraucher umgangen werden.

Befürworter halten dieser Kritik entgegen, dass der Zwang zur Einhaltung der jeweils vor Ort geltenden Bedingungen ein fast unüberwindbares Hindernis für viele Anbieter von Dienstleistungen ist, in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden.

Die Wirtschafts- und Währungsunion wird als logische Fortsetzung des Binnenmarktes angesehen. Mit der Einführung einer einheitlichen Währung für den bereits bestehenden Binnenmarkt soll dieser noch gestärkt werden. Gleichzeitig findet eine Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten statt, die aber keine Vereinheitlichung bedeutet.

Der Lissabon-Prozess

Als sich im März 2000 die europäischen Staats- und Regierungschefs in Lissabon trafen, hatten sie diese Herausforderung der Globalisierung vor Augen. Als Ziel für das Jahr 2010 setzten sie, dass sich die EU zur wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsregion der Welt entwickeln sollte.

Der auf zehn Jahre angelegte Lissabon-Prozess umfasst die Bereiche Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit, Soziales und Umwelt. Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist ebenso Ziel wie die Verbesserung der sozialen Situation der Menschen oder auch die Steigerung der Investitionen in Forschung und Bildung.

Derzeit sind die Aussichten, das Ziel der Lissabon-Strategie bis 2010 zu erreichen eher schlecht.

Auf ihrer Frühjahrstagung beraten die Staats- und Regierungschefs über die Ergebnisse des jährlichen Fortschrittsberichts der Kommission. Das Hauptinstrument der Lissabon-Strategie ist die sogenannte Offene Methode der Koordinierung. Sie beinhaltet keine Harmonisierung auf europäischer Ebene sondern setzt auf freiwillige Kooperation und den Austausch bewährter Praktiken in den Mitgliedstaaten.

Auf Vorschlag der Kommission legt der Europäische Rat Zielvorgaben (benchmarks) fest anhand derer die Mitgliedstaaten ihre nationalen Aktionspläne ausrichten und dann bewerten können. Ein sehr wichtiger Bestandteil des Lissabon-Prozesses ist die Europäische Beschäftigungsstrategie, in der die Offene Methode der Koordinierung angewendet wird.

Derzeit sind die Aussichten, das Ziel der Lissabon-Strategie bis 2010 zu erreichen eher schlecht. Deshalb wurde im Frühjahr 2005 ein Neustart eingeleitet, der mit einer Konzentration auf Schwerpunktthemen erreichen will, dass die EU dem Ziel wenigstens nahe kommt.

Die europäische Sozialpolitik

Oftmals wird gegen die Europäische Union der Vorwurf erhoben, sie sei nur dem freien Markt verpflichtet und Fragen der Sozialpolitik spielten keine Rolle. Richtig ist, dass gemäß dem EGVertrag durch sozialpolitische Maßnahmen ein Minimum an sozialen Rechten garantier werden muss, um eine Nivellierung auf dem niedrigsten Niveau zu verhindern. Mit der Einführung des Binnenmarktziels in der Einheitlichen Europäischen Akte wurde zugleich die Sozialpolitik als Politikbereich der Gemeinschaft eingeführt.

Allerdings ist hier eine Harmonisierung ausgeschlossen. Ziel der gemeinschaftlichen Sozialpolitik ist vielmehr durch gemeinsame Initiativen die soziale Situation in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Die 1989 verabschiedete „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer” sollte die erzielen Fortschritte für die Arbeitnehmer im Binnenmarkt festschreiben sowie ihre sozialen Rechte weiterentwickeln.

Gemäß dem EGVertrag durch sozialpolitische Maßnahmen ein Minimum an sozialen Rechten garantier werden muss, um eine Nivellierung auf dem niedrigsten Niveau zu verhindern.

Nachdem sich Großbritannien lange weigerte, der Charta beizutreten, wurde diese erst 1999 mit dem Amsterdamer Vertrag rechtsverbindlicher Teil der Verträge. Auch die EUGrundrechte-Charta, die bislang noch nicht rechtsverbindlich ist, enthält eine Reihe sozialer Grundrechte.

Das wichtigste Instrument der europäischen Sozialpolitik ist der Europäische Sozialfonds (ESF), der aus dem Unionshaushalt finanziert wird und von der Kommission verwaltet wird. Der Fonds unterstützt Projekte im Bildungsbereich, Projekte zur Förderung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit, Initiativen zur Schaffung neuer Beschäftigungsm öglichkeiten, Projekte zur Verbesserung der Effizienz der Arbeitsverwaltungen etc.

In Art. 138 EG-Vertrag wird der „Soziale Dialog” zwischen den Sozialpartnern, also Gewerkschaften und Arbeitgebern auf europäischer Ebene verankert. Er stärkt die Rolle der Sozialpartner bei der europäischen Sozialgesetzgebung erheblich. So haben die Sozialpartner den Anspruch von der Kommission gehört zu werden, bevor diese Vorschläge im Bereich Sozialbereich macht.

Gewerkschaften und Arbeitgeber können dann entscheiden, ob sie selbst tätig werden möchten und eine gemeinsame Vereinbarung über die Maßnahme abschließen wollen. Die Kommission kann dann die Vereinbarung aufgreifen und dem Rat als Gesetzesvorschlag übermitteln, der sie dann in europäisches Recht umwandeln kann. Ein Beispiel für die Ergebnisse des Sozialen Dialogs ist eine europaweite Regelung zur Teilzeitarbeit.

Dieser Artikel wurde ursprüglich im treffunkt.europa (Zeitschrift der JEF Deutschland, Ausgabe 04/2006) herausgegeben.

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