Vielseitige Gefährdungen durch rechtsextremistische Gruppen
Am 21. April veröffentlichte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ die „Rangliste der Pressefreiheit 2020“. In ihrem Bericht legte sie offen, dass besonders in Griechenland, Spanien und Italien immer häufiger Journalist*innen angegriffen werden. Verbal und physisch, vor allem durch rechtsextremistische oder nationalistische Gruppierungen. Erst Ende Januar war in Athen der Deutsche Welle Reporter Thomas Jacobi auf einer Demonstration von Rechtsextremen minutenlang verprügelt worden. Dieser Angriff war kein Zufall. Der Reporter hatte 2016 einen Film über die griechische Rechtsextreme Partei „Chrysi Avgi“ gedreht. Jacobi geht davon aus, dass die Rechtsextremen ihn wiedererkannt haben.
Gewalt erfahren derzeit auch viele Journalist*innen, die über die Zustände auf der griechischen Insel Lesbos berichten. Dort prallen derzeit regelmäßig Rechtsextreme, Journalist*innen und Flüchtlingshelfer*innen aufeinander. Während seiner Arbeit wurde dort der deutsche Videojournalist Michael Trammer von mehreren rechtsradikalen Angreifern getreten und geschlagen. Ausgerechnet dort, wo ein unverfälschter und reibungsloser Informationsfluss so wichtig ist, wird den Journalist*innen die Arbeit schwer gemacht.
Griechische Journalist*innen stehen derzeit noch einem anderen Problem gegenüber. Seit dem Wahlsieg der liberal konservativen Partei „Nea Dimokratia“ untersteht der öffentlich-rechtliche Rundfunk ERT dem Premierminister. Seit diesem Jahr zensiert das ERT die Berichterstattung von regionalen Korrespondent*innen, die über die Zusammenstöße von Anwohner*innen und der Polizei berichten wollen. Die Berichte müssen nun, vor der Veröffentlichung, der Geschäftsführung vorgelegt werden. Bevor es diese Regelung gab, durften die Korrespondent*innen ihre Berichte selbstständig veröffentlichen.
Das politische Umfeld sorgt für Stimmung
Im SWR warnte Christian Mihr, der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, vor weiteren Angriffen auf Journalist*innen. Er sieht die Verantwortung auch bei den politischen Parteien, die immer häufiger gezielt Stimmung gegen Journalist*innen machen: „Ich glaube schon, dass es eine politische Stimmung gibt, die [das] teilweise begünstigt.“ Ein Paradebeispiel dafür, ließe sich in den letzten Jahren in Spanien beobachten. Dort definierte die rechtspopulistische Partei „VOX“ den Begriff der Pressefreiheit scheinbar völlig um.
Während des Wahlkampfes für die spanischen Parlamentswahlen 2019, sind ist die Partei intensiv gegen Journalist*innen vorgegangen. Die Partei gab bekannt, Journalist*innen von neun (Online-)Zeitungen und zwei Fernsehsendungen teilweise keine Interviews zu geben. Kurz vor den Wahlen schlossen sie dann die Zeitung „El País“ und einen Radiosender von den Wahlkampfveranstaltungen aus. Der Grund: Die Zeitung hatte die Rhetorik des Parteichefs Santiago Abascals als fremdenfeindlich und intolerant bezeichnet. Außerdem initiierte die Partei Hetzkampagnen gegen Medienschaffende. Derzeit liegt Spanien auf Platz 29 der „Rangliste der Pressefreiheit“.
Die Einschränkung der Pressefreiheit der Partei blieb übrigens folgenlos. Der Zentrale Wahlausschluss Spaniens hatte die Partei zwar verwarnt, doch die Rechtspopulisten führten ihre Verbannung weiter durch. Mihr sprach daraufhin allen betroffenen Journalist*innen die volle Unterstützung zu. Kritiker*innen sehen die Pressefreiheit in Spanien schon seit der Katalonien-Krise 2017 in Gefahr. Unter anderem deshalb, weil es keinen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. In Spanien wird dieser direkt vom Staat finanziert und kann sich deshalb nie ganz frei von parlamentarischen Einflüssen machen.
K(l)eine Besserung in Sicht
Ähnlich wie in Spanien, gehen auch in Italien Politiker*innen Journalist*innen an. Politiker der EU-kritischen „Fünf-Sterne-Bewegung“ hatten Journalist*innen als „nutzlose Schakale“ und „Huren“ bezeichnet. Dennoch merkt Reporter ohne Grenzen an, dass sich italienische Politiker*innen in letzter Zeit weniger aggressiv gegenüber den Pressevertreter*innen gezeigt hätten. In diesem Jahr wurde Italien, auf der Liste der Pressefreiheit, der 41. Platz zugewiesen. Eine klare Verbesserung, wenn man bedenkt, dass sich das Land 2016 noch auf Platz 77 befand.
Schuld daran waren vor allem Angriffe und Mordversuche der Mafia. Man geht davon aus, dass sich derzeit etwa zehn Journalist*innen unter Polizeischutz befinden. Doch diese Schutzleistung wird von einigen Politiker*innen als Druckmittel genutzt. Der ehemalige italienische Innenminister Matteo Salvini (selbst ein Journalist), von der rechtsextremen Partei Lega, drohte dem Autoren Roberto Saviano mit der Einstellung seines Polizeischutzes. Saviano hatte sich sehr kritisch über Salvini geäußert und ihm unterstellt, ein Teil der Mafia zu sein.
Ein vielfältiges Problem in ganz Europa
Der Europarat warnt nicht grundlos davor, dass Angriffe auf Journalist*innen nicht zur Normalität werden dürfen. Länder wie Spanien, Italien und vor allem Griechenland zeigen, welcher Gewalt Journalist*innen in Europa ausgesetzt sind. Hier geht die Gewalt vor allem von Rechts aus. Parteien befeuern das angespannte Verhältnis zu den Journalist*innen nur noch weiter. Auf vielfältige Art und Weise wird hier an der Pressefreiheit gezerrt und gerüttelt. Und die rechten Parteien scheinen damit Erfolg zu haben. Ein Grund mehr auf die Freiheit der Presse aufmerksam zu machen und zu pochen.
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