Die Digitalisierung nimmt Einfluss auf weitreichende Bereiche unseres Lebens. Im politischen Kontext werden ihre Chancen und Risiken kritisch diskutiert. Auch im Hinblick auf das Wahlgeschehen gilt es diese abzuwägen.
Wie kann KI unser Leben vereinfachen? Wollen wir das überhaupt? Und wie steht es um die Sicherheit? Die 1979 eingeführte Direktwahl des Europäischen Parlaments ist ein bedeutsamer Beitrag zur Demokratisierung der EU. Sie begründet die Mitwirkungsbefugnisse der EU-Bürger und verleiht dem Parlament einen besonderen Status. Diese institutionelle Aufwertung des Europäischen Parlaments führte, entgegen der Erwartungen, zu keiner steigenden Beteiligung an den Europawahlen. Die Kritik am Demokratiedefizit wurde in den letzten Jahren eher verstärkt. Für viele Wähler*innen scheint diese Wahl unwichtig zu sein und dient oft als Mittel, um die Unzufriedenheit mit der nationalen Regierung zum Ausdruck zu bringen. Eine Ausweitung der Wahlen auf die Nutzung digitaler Möglichkeiten könnte dazu führen, dass sich mehr Menschen an der Wahl beteiligen. Dies birgt aber auch einige Risiken.
Digitalisierter Wahlvorgang
Die Wahlen des Europäischen Parlaments erfolgen nach Art. 14 (3) EUV in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl. Dieser Grundsatz könnte durch den Einsatz digitaler Technologien ins Wanken geraten. Das Land Estland, welches auf dem Gebiet der Digitalisierung eine Vorreiterstellung eingenommen hat, setzte bereits E-Voting im Wahlprozess ein. Diese Form des Wählens ermöglicht eine elektronische Stimmabgabe per Internet. Die abgegebenen Stimmen müssen stark geschützt sein, um eine Manipulation zu verhindern. Eine Verschlüsselung muss zudem dafür sorgen, dass das Wahlgeheimnis bestehen bleibt und der Wahlgrundsatz „geheim“ gewahrt bleibt. Neben diesen Risiken, die das „digitale Wählen“ birgt, gilt es aber zudem die Chancen in die Abwägung miteinzubeziehen. Die Kosten- und Zeitersparnis ist hierbei von einigem Gewicht. Allerdings erfolgt das „Wählen per Klick“ womöglich unüberlegter. Die Bedeutung der Wahl als demokratische Verankerung und Legitimation des Europäischen Parlaments ginge zudem verloren. Einen geringen Verlust dieser Grundidee spürt jeder, der sich für die Briefwahl entscheidet.
Beeinflussung im Wahlkampf
Abgesehen davon, ob man sich für oder gegen die Einführung digitaler Techniken im Wahlprozess entscheidet, sind wir bereits vor der Entscheidung einer Manipulation ausgesetzt. Algorithmen gestalten unsere Startseite. Um das zu testen, kann man ganz einfach denselben Suchbegriff in die Suchmaschinen zweier unterschiedlicher Personen eingeben. Die Reihenfolge der erhaltenen Ergebnisse ist auf den jeweiligen Benutzer ausgerichtet. Des Weiteren vergibt der Algorithmus an diejenigen, die in Anbetracht ihres Inhalts und ihrer Regelmäßigkeit „mehr zu sagen haben“ - vereinfacht gesagt - mehr Punkte und somit einen höheren Platz in der Auflistung. Parteien betreiben Suchmaschinenoptimierung. Das heißt, dass uns Parteien, die unsere Einstellung widerspiegeln eher ins Auge fallen, als solche, die eine Gegenauffassung vertreten. Einige Algorithmen haben die Fähigkeit, unsere Persönlichkeit gut kennenzulernen und so die Angebote entsprechend auf unsere Person auszurichten. Andere entwickeln für jede Persönlichkeitsstruktur gezielt Werbebotschaften. Das nennt sich Mikrotargeting und beeinflusst unsere Wahrnehmung. Algorithmen gefährden somit den Grundsatz der „freien Wahl“.
Theorie der Filterblase
Neben den Suchmaschinen ertappen wir uns in sozialen Netzwerken immer wieder dabei, dass wir nur noch das lesen, was uns interessiert. Wir finden immer dieselben Argumente und umgeben uns nur oder zumindest fast nur mit Menschen, die dieselbe Meinung vertreten. Dies kann dazu führen, dass extremere Meinungen zu Tage treten als im Kontakt mit Menschen unterschiedlicher Ansichten. Wie können wir uns aber davor schützen? Ganz einfach: Indem wir einen Meinungsmix aus Fernsehnachrichten, Tageszeitungen und sozialen Netzwerken unseren Entscheidungen zugrunde legen und uns auf Basis dessen unsere eigene Meinung bilden.
Fazit
Die Digitalisierung bietet zahlreiche Möglichkeiten, Prozesse zu vereinfachen und einen höheren Nutzerkreis dadurch zu erreichen – dies gilt auch für die Wahl. Allerdings müssen wir uns fragen, ob eine schnelle, womöglich unüberlegte Entscheidung bei dieser grundlegenden Ausprägung des Demokratieprinzips wünschenswert ist, oder ob man hier nicht bewusst und mit Überzeugung handeln sollte. Es gilt, sich seine eigene Meinung zu bilden und sich der tagtäglichen Beeinflussung zum Beispiel durch soziale Medien und Suchmaschinen zu widersetzen und diese einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Oftmals verlieren wir den Kontakt zur realen Welt und dem gegenseitigen Austausch und verfestigen unsere Meinungen in unseren homogenen Informationswelten. Folglich ist es wichtig, diese Welten - wenn auch nur zeitweise - zu verlassen, um im Gespräch mit Anderen den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren und im Diskurs zu neuen Ansichten zu gelangen.
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