Brief an Europa: Adesso Basta, Signore Conte?

, von  Grischa Alexander Beißner

Brief an Europa: Adesso Basta, Signore Conte?
. Das MoVimento 5 Stelle übernahm die Regierung und brachte Italien den neuen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Doch während Gewaltverbrechen gegen Migranten zunehmen, hetzt Parteigründer Beppe Grillo inzwischen mit. Foto: Revol Web / Flickr / CC BY-SA 2.0

Jeden Sonntag widmet sich der „Brief an Europa“ an besondere Menschen oder Themen unserer Zeit. Diesen Sonntag richtet unser Redakteur Grischa Beißner einen dringenden Appell an den italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Denn in Italien macht sich der Rassismus breit und während die rechtspopulistischen Minister das Feuer weiter anheizen, bleiben die Mitglieder der Wahlsieger von der 5 Sterne Bewegung viel zu passiv.

Sehr geehrter Giuseppe Conte,

in Ihrer Antrittsrede im Juni versprachen Sie: “Wir sind nicht und werden nie rassistisch sein.” Sie traten an, um viele Dinge zu verändern. Speziell „Ihre“ Partei, das MoVimento 5 Stelle (5 Sterne Bewegung) - auch wenn Sie eigentlich parteilos sind -, sieht sich dem Willen des Volkes verpflichtet und hat auch einiges gutes bewirkt. Dass all Ihre Abgeordneten einen Teil ihres Regierungseinkommens an einen Fonds zur Unterstützung sozial schwacher Spenden, ist beispielhaft. Eigentlich will man Ihnen vertrauen, wenn Sie sagen, sie wollen Positives bewirken. Doch leider spricht die Realität eine andere Sprache. Vor allem angesichts dessen, dass der Familienminister Lorenzo Fontana das italienische Anti-Rassismus Gesetz abschaffen will, weil “Globalisten” es nutzen würden, um ihren “anti-italienischen Rassismus als Antifaschismus zu tarnen. Sie, Herr Conte, haben das sogenannte Mancino-Gesetz daraufhin zwar als “sakrosankt” erklärt, aber, sagen Sie, was ist da bei Ihnen in der Regierung los?

Rassismus wird in Italien zum Alltag

Das Credo der Partei, die Sie für Ihr Amt vorschlug, ist es, das zu tun, was das Volk will. Aber das ist eine Philosophie, die stark in Frage gestellt wird, wenn Sie mit einer Partei das Koalitionsbett teilen, die rassistische Propaganda speit und die Ängste der Bevölkerung ausnutzt, um Stimmung gegen Fremde zu machen. Es sind rechtspopulistische Lügen, mit denen die Lega spielt. Sie propagieren, dass mehr Flüchtlinge automatisch mehr Verbrechen bedeuten würden - obwohl die Kriminalität in Italien seit Jahren rückläufig ist. Die Zahl der Morde ist so niedrig wie nie - allerdings glauben dies 75% der Italiener schlicht nicht. Wer davon spricht, dass die Zahl der an den Küsten ankommenden Flüchtlinge sich um zwei Drittel reduziert habe, der wird als “buonista”, als Gutmensch, bezeichnet. Die Angst vor Überfremdung und der Zerstörung der italienischen Kultur durch Flüchtlinge, das hingegen seien nachvollziehbare Sorgen des normalen Italieners. Und diese Saat des Hasses trägt Früchte.

Beinahe täglich erreichen uns Berichte über gewalttätige Angriffe auf Menschen mit dunkler Hautfarbe. Als dann ein Unbekannter die 22-jährige Leichtathletin Daisy Osakue aus einem Auto heraus mit einem einem Ei bewarf und am Auge verletzte, ging wenigstens ein Aufschrei von Kirchen, Sportlern und Medien durch das Land.

Sie selbst haben während Ihrer USA-Reise aus Washington angerufen und sich solidarisch gezeigt. Leider sehen das viele Politiker ihrer Regierung und auch viele Italiener anders. Auch dass dieser Aufschrei und all die Solidarität erst kamen, als eine “echte” Italienerin, die dazu noch im Nationalteam aktiv ist, getroffen wurde, stimmt pessimistisch. Seit Beginn Ihrer Amtszeit wurden Menschen afrikanischer Herkunft in Ihrem Land mit Luftpistolen beschossen, sie wurden zusammengeschlagen, ein Marokkaner sogar zu Tode geprügelt. Flüchtlingen wurde in Bauch und Rücken geschossen, ein frührerer Senatsangestellter schoss auf ein 13-Monate altes Baby einer Roma-Familie, weil er “nur die Waffe ausprobieren” wollte. Das Ausmaß der Gewalt gegen Migranten ist so bestürzend wie ekelerregend. Manche der Angreifer riefen dabei sogar johlend “Salvini, Salvini!” - den Namen Ihres Innenministers, Matteo Salvini.

Stimmenfang mit Hassparolen

Das ist auch keine große Überraschung. Salvini glänzt mit immer neuen verbalen Entgleisungen. Selbst vor Mussolini-Zitaten schreckt er nicht zurück, der Innenminister, der sich per Twitter eine “große Säuberung” wünscht. Der im Wahlkampf erklärte, die EU solle sich selbst f***en. Als dann Italiens höchstes Gericht erklärte, dass der Spruch “Haut ab!” gegenüber Migranten rassistisch sei, reagierte Salvini auf Twitter mit einem dreifachen “Haut ab! Haut ab! Haut ab!” und postete darunter ein Bild von afrikanischen Männern. Berichte über Angriffe auf Migranten sind für ihn eine reine Erfindung der „Linken“.

Und auch der Gründer der 5 Sterne Bewegung, Beppe Grillo, scheut sich nicht, den inneren Widerling nach außen zu kehren und den Medien Hysterie wegen eines Ei-Wurfes ins Gesicht zu unterstellen. Für ihn sind es nicht Rassismus und populistische Panikmache, sondern die Medien, die das “Land an den Rand des Abgrunds brächten.”

Herr Conte, ihre Politiker tanzen Ihnen auf der Nase herum.

SIE sind der Ministerpräsident. Treten Sie aus dem Schatten, Herr Conte!

Bisher sind Sie eher wie ein schüchterner Junge auf der internationalen Bühne erschienen. Jemand, der von Angela Merkel überrumpelt werden konnte und der selbst neben Trump noch ganz artig lächelt. Natürlich ist es nicht einfach, von einer recht unbekannten Jura-Professur zum höchsten Staatsamt aufzusteigen. Aber niemand erwartet von Ihnen Wunder oder Unmögliches. Sie sind ein Mensch des Anstands. Also setzen Sie auch diesen Anstand durch. Es sind ihre Minister. Es ist Ihre Regierung.

Italien braucht einen Menschen, der sich für die Bürger einsetzt, der die Unfairness, mit der Italien in Europa konfrontiert ist, bekämpft. Sie haben recht, wenn sie nach einem Ende der Dublin-Regelung verlangen. Und auch wenn Sie anprangern, dass Länder wie Deutschland Italien im Stich gelassen haben. Es ist richtig, Länder wie Deutschland dazu zu zwingen, sich aus dem bequemen Sessel der Dublin-Verordnung heraus zu bewegen - aber nicht mit der Geiselnahme von Bootsflüchtlingen.

Trauen sie sich, ein Machtwort zu sprechen. Gegenüber Deutschland, unbedingt, aber auch vor allem gegenüber den Hetzern in Ihren eigenen Reihen.

Italien hat genug Probleme. Ja. Eine extrem hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen. Dazu eine Tiefe Spaltung zwischen Bevölkerung und politischer Elite. Aber diese Probleme lassen sich nicht durch Rassismus gegen Migranten lösen. Denn auch wenn alle Migranten über Nacht verschwunden wären, hätte das nur minimale Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit. Tun Sie was, Herr Conte. Räumen Sie Ihren Laden auf und lassen Sie den Versprechungen Taten folgen. Überlassen Sie den öffentlichen Raum Ihres Landes nicht der rassistischen Hetze eines Matteo Salvini. Denn egal wie das Vermächtnis dieser italienischen Regierung aussieht: Es wird Ihr Vermächtnis sein. Und ich bezweifle, dass Sie als Ermächtiger eines neuen italienischen Rassismus in die Geschichte eingehen wollen.

Hochachtungsvoll,

Grischa Beißner

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