So wie immer in Sachen Klimaschutz ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Obwohl die jüngsten Berichte über Treibhausgasemissionen zeigen, dass die CO2-Emissionen der Europäischen Union zwischen 2017 und 2018 um 2,5 % gesunken sind und im Vergleich zu 1990 um 23 %, ist sie immer noch einer der größten Umweltverschmutzer der Welt. Die EU liegt im Ranking des Global Carbon Project auf Platz drei gleich hinter den Vereinigten Staaten und China.
„Einen Fahrplan, der die Wirtschaft in der EU nachhaltiger machen soll, indem die klima- und umweltpolitischen Herausforderungen in allen Politikbereichen in Chancen umgewandelt und der Übergang für alle gerecht und inklusiv gestaltet wird.“, so lautet das Ziel der Europäischen Kommission. Der Green Deal soll sich mit den Bedenken und Umweltfragen der Europäer*innen auseinandersetzen . Obwohl seine Umsetzung mit Ankündigungen und Vorschlägen bereits im Januar 2020 gut angelaufen war, unter anderem mit dem im März vorgeschlagenen europäischen Klimagesetz, stehen ihm mehrere Hindernisse im Weg, die seinen Fortschritt erheblich verlangsamen.
Ein fulminanter Start
Die Europäische Kommission hat keine Zeit verloren, um ihre ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen. Bereits im Januar 2020, einen Monat nach der Ankündigung des Green Deal, übermittelte sie dem Rat der Europäischen Union einen Verordnungsentwurf zur Einrichtung des „Fonds für einen gerechten Übergang“. Dieser Fonds soll Regionen unterstützen, die bei der ökologischen Wende aufgrund ihrer Abhängigkeit von Öl und Kohle sozioökonomische Herausforderungen bewältigen müssen.
Am 4. März dieses Jahres veröffentlichte die Kommission einen Verordnungsentwurf zur Erweiterung des bestehenden Rechtsrahmens, um die EU- Zielsetzung in Bezug auf die CO2-Neutralität im sogenannten sekundären, also direkt anwendbaren Recht umzusetzen. Der Vorschlag der Kommission sieht die Untersuchung nationaler Maßnahmen durch ihre Dienststellen vor und behält sich die Möglichkeit vor, Empfehlungen abzugeben, falls diese Maßnahmen unzureichend sind. Am selben Tag wurde ein weiterer Vorschlag veröffentlicht: 2021 zum Europäischen Jahr des Schienenverkehrs zu machen.
Schließlich übermittelte die Kommission am 11. März ihren „Neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft - Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“. Die Maßnahmen sollen das Recycling elektronischer Geräte, von Fahrzeugbatterien, Verpackungen und Textilien umfassen.
Bislang wurde der Zeitplan also eingehalten. Die Kommission scheint einen sehr guten Start hingelegt zu haben. Dabei hatte man jedoch nicht mit den schon lange bestehenden Polarisierungen und der aktuellen Corona-Pandemie gerechnet, die das Projekt höchstwahrscheinlich verlangsamen werden. Dieser Zeitraum wird daher ein echter Crash-Test für die europäischen Ambitionen sein.
Verlangsamt durch die Ost-West-Spaltungen
Der Green Deal hat nicht in allen Mitgliedsstaaten Begeisterung hervorgerufen. Vor allem Ungarn, die Tschechische Republik und Polen begrüßten das Projekt nicht gerade und verwiesen auf die volkswirtschaftlichen Kosten. Zudem hat sich Polen noch nicht einmal zu den für 2050 festgelegten Klimaneutralitätszielen verpflichtet. Die bestehenden Unterschiede zwischen Ost- und Westeuropa, insbesondere im Hinblick auf den Energiemix, sind und werden in Zukunft noch mehr Grund für Auseinandersetzungen bieten und könnten damit zu einer weiteren Verlangsamung des Projekts führen.
Im Osten Europas sind die Staaten nach wie vor weitgehend von umweltbelastenden Energieträgern, wie Öl oder Kohle abhängig und befürchten, dass die Anforderungen des Green Deal zu ihren Lasten gehen werden. Beispielsweise werden 80% des Stroms in Polen von Kohlekraftwerken erzeugt. Aufgrund des Übergewichts dieser Energien könnten auch viele Arbeitsplätze in diesen Branchen gefährdet sein, aber diese Gefahr ist in dem Projekt berücksichtigt worden, und es gibt Ansätze zur Lösung dieser Problematik.
Im Westen Europas hat der Übergang zu nachhaltigeren Energien bereits begonnen. Mehrere Staaten haben erneuerbare Energien bereits massiv in ihre Energieproduktion einbezogen und werden daher nicht mit den gleichen wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sein wie ihre östlichen Nachbarn.
Diese Spannungen haben sich durch die Gesundheitskrise um das Coronavirus noch verschärft. Der tschechische Premierminister Andrej Babiš hat dazu aufgerufen, den Green Deal aufzugeben, um die Bemühungen auf die Bewältigung der aktuellen Krise zu konzentrieren. Die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler erklärte, dass sie mit dieser Position nicht einverstanden sei. Die Diskussionen über die Gewichtung der unterschiedlichen Problemfelder könnten zu zwei Szenarien führen: das Projekt könnte auf Eis gelegt werden oder aber die Gesundheitskrise als Sprungbrettdienen, um dem Green Deal neue Impulse zu geben. Letztere Hypothese wäre zu wünschen.
Die Gesundheitskrise: ein Sprungbrett zu Gunsten der Klimaziele?
Es gibt zwar Stimmen, die sagen, dass das Projekt nicht aufgegeben wird, aber viele sind sich einig, dass der Green Deal im Zeitplan zurückfallen wird. In der Tat ist diese Verzögerung bereits sichtbar: Die letzten von der Kommission vorgeschlagenen Texte gehen auf den 11. März zurück. Die ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplante Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die auf die Entwicklung von Maßnahmen zum verringerten Einsatz chemischer Pestizide und Düngemittel abzielte, wurde verschoben.
Beim Green Deal wird man versuchen müssen den entstandenen Rückstand so schnell wie möglich aufzuholen. Einige Experten haben jedoch Vorbehalte, da sie glauben, dass „... der Rat durch seine inhärente Ineffizienz bei der Lösung mehrerer gleichzeitiger Krisen stark betroffen sein wird.“
Die finanziellen Anstrengungen der Mitgliedsstaaten sollten der Umsetzung des Green Deal neuen Elan geben. Das Geld, das zur Bewältigung der Wirtschaftskrise bereitgestellt wird, muss in Übereinstimmung mit den Zielen des Green Deal verwendet werden. Die während des Lockdowns beobachtete Verringerung der Umweltverschmutzung muss die Staaten ermutigen, ihre Wirtschaft unter Berücksichtigung der selbst gesetzten Ziele anzukurbeln und das Projekt nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Jetzt nicht aufgeben
Die jüngsten Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) fordern die Staaten zum Handeln auf. Auch wenn sich der Zeitplan zur Umsetzung des Green Deal verlangsamt hat, was angesichts der gegenwärtigen Situation verständlich ist, darf die Uneinigkeit, die um ihn herum entstanden ist, nicht weiter andauern. Es ist dringend notwendig, dass die Europäische Union ihre Kräfte bündelt und die Dringlichkeit des Green Deal nicht zurückstuft, denn der Klimawandel wird nicht warten.
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