Deutschlands Hysterie um Reduzierung von CO2-Emissionen verfehlt das Ziel

, von  Trivun Sharma, übersetzt von John Grosser

Alle Fassungen dieses Artikels: [Deutsch] [English]

Deutschlands Hysterie um Reduzierung von CO2-Emissionen verfehlt das Ziel
Bildquelle: Flickr / Guy Gorek / CC BY-NC-ND 2.0

Deutsche Politiker*innen sind die leidenschaftlichsten in der Europäischen Union, wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels geht. Zuletzt hatten Abgeordnete vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer auf Fleisch von 7 Prozent auf 19 Prozent anzuheben, um das Klima zu schützen und den Tierschutz zu stärken. Doch mit der einzigartigen Fokussierung der deutschen Politik auf politische Initiativen zur Eindämmung des weltweit vernachlässigbaren heimischen CO2-Ausstoßes fehlt Berlin das Gesamtbild: Nicht der Fleischkonsum ist das Problem in Deutschland, sondern das Scheitern der Energiewende und die damit verbundene Umstellung auf Erdgas.

Fleisch wird derzeit zusammen mit den meisten anderen Lebensmitteln mit einem reduzierten Satz von 7 Prozent besteuert, da es als Grundnahrungsmittel gilt, das auch für sozial oder finanziell benachteiligte Konsumenten erschwinglich bleiben soll. Es ist kaum verwunderlich, dass Kritiker*innen der Steuererhöhung - unterstützt von Sozialdemokraten (SPD) und Grünen - die Idee als unsozial abgelehnt haben. Aus ihrer Sicht würde der Schritt wenig gegen den Klimawandel tun, aber am Ende überproportional viele Haushalte mit niedrigem Einkommen treffen.

Inlandsflüge verbieten?

Dies ist nicht die erste derartige Idee des deutschen Gesetzgebers zur Bekämpfung des Klimawandels. Im Juli schlugen die Grünen einen Plan vor, um Inlandsflüge bis 2035 „weitestgehend obsolet“ zu machen. Das Programm sieht vor, Inlandsflüge durch bessere, günstigere und effizientere Zugverbindungen zu ersetzen, für die die Deutsche Bahn (DB) jährliche Investitionen in Höhe von 3 Milliarden Euro erhalten soll. Um Flugreisen zu verhindern, schlug die Fraktion der Grünen im Bundestag auch die schrittweise Einführung einer Kerosinsteuer mit einem Wert von 65 Cent pro Euro auf Inlandsflüge vor. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Besteuerung von Kerosin die Einheitslösung sein wird, die sich einige deutsche Politiker*innen erhoffen. Der Flugverkehr ist eine globale Industrie und um einen umfassenden Wandel herbeizuführen, wäre eine politische Reform auf der Ebene der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) erforderlich.

Die Fallstricke der Energiewende

Alle diese Gesetzesvorschläge sind symptomatisch dafür, dass die deutschen Bemühungen zur Senkung der CO2-Emissionen nicht nur nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, sondern ihr Ziel komplett verfehlen. Deutschland vollzieht seit Jahren die Energiewende mit dem Ziel, die Wirtschaft von fossilen Brennstoffen zu befreien und die Abhängigkeit von erneuerbaren Energien zu erhöhen.

Berlin hatte gehofft, das Land sowohl energieautark als auch führend im Kampf gegen den Klimawandel zu machen. Doch trotz weitreichender Anstrengungen zur Nutzung erneuerbarer Energien zeigen die vom Umweltbundesamt veröffentlichten Zahlen, dass die CO2-Emissionen im Jahr 2018 nach einer Phase der Stagnation zwischen 2014 und 2017 im Vergleich zu 2017 nur um 4,5 Prozent gesunken sind. Ein Berichtsentwurf der Regierung vom Juni gab ebenfalls zu, dass das Land sein Emissionsziel für 2020 um 8 Prozent verfehlen würde.

Das Problem ist, dass Deutschland nicht in der Lage war, genügend erneuerbare Energien für den Eigenverbrauch im Land zu erzeugen. Berlin hat den Deutschen Energiebedarf während der Übergangszeit zu einem vollständig erneuerbaren Energienetz nicht richtig geplant, zumal die Regierung beschlossen hat, alle Kernreaktoren bis 2022 abzuschalten. Deutschland ist heute bei seinem Energiebedarf stark auf Kohle angewiesen - eine Abhängigkeit welche Umweltkosten erzeugt, die angesichts wachsender Klimabedenken als inakzeptabel angesehen werden, obwohl es Pläne zum Kohleausstieg bis 2038 gibt. Die Lösung zur Überbrückung der Lücke zwischen fossilen Brennstoffen und kohlenstoffarmer Energie demonstriert erneut die Berliner Klimaheuchelei: Erdgas aus Russland.

Das Problem mit Nord Stream 2

Während die Nutzung von Kohle- und Kernenergie letztendlich zurückgehen wird, wird die Abhängigkeit von Erdgas zunehmen. Obwohl Erdgas im Vergleich zu Kohle als bessere Option angesehen wird, bleibt es ein fossiler Brennstoff mit eigenen Problemen. Die Bohrung und Förderung von Erdgas aus Brunnen und der Transport in Pipelines führen zu einem erheblichen Methanverlust. Schätzungsweise 1 bis 9 Prozent des produzierten Gases entweichen in die Atmosphäre, was ausreicht, um die Vorteile des Ersatzes von Kohle durch Erdgas zu untergraben. Darüber hinaus ist Methan dafür bekannt, dass es mehr Wärme als Kohlendioxid auffängt. Ein signifikanter Anstieg des Methans in der Atmosphäre könnte – zum Bestürzen von Umweltschützer*innen – die Einhaltung des 2-Grad-Ziels gefährden.

Kein Wunder, dass Umweltschutzgruppen Nord Stream 2 heftig kritisieren. Der Naturschutzbund Deutschland hat wegen der Umweltschäden durch die Pipeline in deutschen Küstengebieten Alarm geschlagen. Auch hat im September 2018 die Umweltorganisation Client Earth eine Klage bei einem Gericht in Schweden eingereicht, um den Bau der Pipeline durch schwedische Gewässer zu blockieren. Die NGO behauptete, dass die Arbeit an der Pipeline unter anderem aus der Detonation von Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem Meeresboden entlang der 510 Kilometer langen Strecke des Projekts besteht– mit schädlichen Folgen für Meerestiere in der Region Darüber hinaus ist die CO2-Emissionsbilanz des russischen Energieriesen Gazprom bei weitem nicht vorbildlich. Laut der Carbon Majors Datenbank gehört Gazprom – Eigentümer des Projekts Nord Stream 2 und unterstützt von einem Konsortium europäischer Unternehmen, darunter große deutsche Unternehmen wie Uniper und Wintershall - zu den führenden staatlichen Unternehmen, die für Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Russland ist übrigens mehr als jedes andere Land ein Spitzenreiter in der verschwenderischen Öl- und Gasabfackelung geblieben.

Für Deutschland endet das Problem mit Erdgas und Nord Stream 2 jedoch nicht bei den Umweltbelangen. Die Nord Stream 2 Pipeline ist auch zu einem Symbol für politische Spannungen mit Deutschlands EU- und Nicht-EU-Partnern geworden. Das Projekt wird es Russland ermöglichen, Gas direkt nach Deutschland zu liefern und dabei die bestehenden Pipelines durch die Ukraine zu umgehen. Mit anderen Worten, Nord Stream 2 bündelt die Gasversorgung der EU über Russland, gibt Moskau die Möglichkeit, Gas an europäische Kunden zu liefern, ohne Transitgebühren an die Ukraine zahlen zu müssen - und öffnet die EU für Erpressungen aus Moskau.

Die Pipeline ist daher von der Europäischen Kommission, den Vereinigten Staaten und Ländern wie Polen heftig kritisiert worden, weil sie Europa anfälliger für russischen Druck gemacht hat. Doch diese Bedenken scheinen Deutschland wenig zu interessieren: Die Kanzlerin hat ihre volle Unterstützung für das Projekt bekräftigt und ihre Regierung drängte sogar andere EU-Länder, „einen EU-Vorschlag zur Regulierung von Nord Stream 2 zu blockieren“ - ein Schritt, der fast zum Bruch der Deutsch-Französischen Beziehungen führte.

Die deutsche Doppelmoral

Merkel schaffte es knapp, einen offenen Streit zu verhindern. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie ihre Lektion gelernt hat. Angesichts der Begeisterung der Regierung für Nord Stream 2 - eine Regierung, die Erdgas als Kompromiss auf dem Weg zu einer CO2-armen Wirtschaft betrachtet - ist nicht zu erwarten, dass sich viel ändert.

Es ist höchst ironisch, dass das gleiche Land, dessen Politiker*innen am lautesten über den Klimawandel predigen, kaum die Zähne gebleckt hat, um einem Projekt entgegenzuwirken, das die Nutzung fossiler Brennstoffe für viele Jahre zementieren wird. Anstatt sich auf sozial spaltende Vorschläge wie Fleisch- und Kerosinsteuern zu konzentrieren, müssen die größeren Mängel der Energiewende ernsthaft untersucht werden, nicht nur um Deutschlands, sondern auch um der EU willen.

Ihr Kommentar
Wer sind Sie?

Um Ihren Avatar hier anzeigen zu lassen, registrieren Sie sich erst hier gravatar.com (kostenlos und einfach). Vergessen Sie nicht, hier Ihre E-Mail-Adresse einzutragen.

Hinterlassen Sie Ihren Kommentar hier.

Dieses Feld akzeptiert SPIP-Abkürzungen {{gras}} {italique} -*liste [texte->url] <quote> <code> et le code HTML <q> <del> <ins>. Absätze anlegen mit Leerzeilen.

Kommentare verfolgen: RSS 2.0 | Atom