Die Europäische Union ist für mich unfassbar. Irgendwie mächtig, irgendwie zahnlos, riesig groß, aber auch ganz weit weg von meiner eigenen Lebensrealität. Klar, als Redakteur für treffpunkteuropa.de konnte ich mich in manche europäische Themen einlesen. Die EU hat Grenzen geöffnet, Mauern eingerissen, Freiheit geschaffen. Gleichzeitig agiert sie als undurchdringbare Mauer. Blicken wir auf die EU-finanzierten Sicherheitskräfte an der tunesischen Grenze, die nachweisbar Asylsuchende verschleppt haben. Blicken wir auf die Push-Back-Vorwürfe gegen die EU-Küstenwache Frontex. Die EU ist längst kein grenzfreier Raum. Länder wie Frankreich, Dänemark oder Deutschland führen seit Jahren “temporäre” Grenzkontrollen zu ihren Nachbarländern durch, um illegale Migration zu bekämpfen.
All das macht die EU für mich zu einem Komplex, den ich nie richtig durchdrungen habe.
So wie mir geht es vielen Menschen. Die lokalen Abgeordnete im Stadtparlament kennt man vielleicht noch, man weiß womöglich, wer für einen im Bundestag sitzt, und auch die prominenten Köpfe aus Berlin sind den meisten vertraut. Aber die EU bleibt für viele ein schwarzes Loch. Ende 2024 stimmten 74 Prozent der Deutschen der Aussage zu, Deutschland sei “als Mitglied der EU besser für künftige Herausforderungen gerüstet”. 69 Prozent der Bürger*innen in der EU halten die EU für einen “Ort der Stabilität in einer krisengeschüttelten Welt”. Das sind positive Zahlen. Trotzdem haben in meinem Umfeld nur die wenigsten konkrete Vorstellungen davon, was in Brüssel und Straßburg passiert und wer was entscheidet. Wir müssen die Vorgänge in der EU nachvollziehen können, europäische Werte für uns ausformulieren. In Großbritannien wurde das versäumt - mit den bekannten Folgen. Ich glaube fest daran, dass wir die globalen Probleme unserer Zeit nur international lösen können. Ich definiere mich mehr als Europäer, nicht so sehr als Deutscher. Ich genieße das Privileg, unkompliziert nach Paris, Rom oder Budapest fahren zu können. Doch die Frage bleibt:
Wie schaffen wir es, die EU näher ins Leben der Menschen zu bringen? Ist das überhaupt möglich, ja, nötig?
Im Oktober begebe ich mich auf eine Reise nach Brüssel, direkt ins Herzen der EU. Ehrlich gesagt aber nicht ganz freiwillig, sondern für ein verpflichtendes Schulpraktikum. Mein Arbeitgeber dort steht geradezu dafür, die Region mit der EU zu verbinden - die “Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union”. Hier finden fast täglich Podiumsdiskussionen, Vorträge und Netzwerktreffen statt. Gleichzeitig hat jedes hessische Ministerium hier Spiegelreferent*innen, die darüber Auskunft geben, auf welche Verordnungen, Vorhaben und Förderprogramme sich Hessen einstellen muss.
In den kommenden vier Wochen möchte ich meine Entdeckungen, Begegnungen und Erlebnisse aus Brüssel aufschreiben und mit Politiker*innen, Lobbyist*innen, Journalist*innen in Kontakt kommen. Ob ich die EU innerhalb von einem Monat etwas besser verstehen lerne, oder an dem Satz “Brüssel sehen und sterben” von Nico Semsrott doch etwas dran ist, bleibt offen. Ich freue mich, wenn ihr dabei seid!
“Die egale Union?!” ist ein multimediales Projekt. Alle 2-3 Tage wird ein Artikel hier auf treffpunkteuropa.de erscheinen. Zusätzlich dazu gibt es Stories und Reels auf Instagram.

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