Die EU retten oder zerbrechen? Die europäische Jugend ist gespalten

, von  Emil Staulund Larsen, übersetzt von Marie Menke

Die EU retten oder zerbrechen? Die europäische Jugend ist gespalten
Die Jugend in Europa erlebt unterschiedliche sozioökonomische Wirklichkeiten - je nach Ort. Foto: d26b73 /Flickr / CC BY 2.0-Lizenz

Peter Laugesen und Elena Askløf von „Our Europe“ sind durch Europa gereist und haben Möglichkeiten gesucht, wie die europäische Jugend das EU-Projekt retten kann. Es zeichnete sich ein gespaltenes Bild: insbesondere im Süden sind junge Menschen wütend über die hohe Arbeitslosigkeit und die Sparpolitik.

Die britische Premierministerin Theresa May hat den berühmten Artikel 50-Brief eingereicht, der den offiziellen Start des Brexits markiert. Insbesondere die jungen Menschen in Großbritannien wollen davon nichts hören, denn sie haben für die EU und einen Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt. Die Unterstützung für die EU ist jedoch nicht in der gesamten europäischen Jugend gegeben, denn ein Großteil der jungen Europäer sind zwar generell zufrieden mit der Europäischen Union, haben aber die Nachkriegszeit ebenso wie den Weg zu den Römischen Verträgen von 1957 nicht miterlebt. Deshalb werden neue Geschichten rund um die kulturellen Aspekte hinter der Europäischen Union gebraucht, glauben Elena Askløf und Peter Laugesen von der dänischen Organisation „Our Europe“. Sie sind durch ganz Europa gereist, um mit Europas Jugend zu sprechen. „Ihr müsst damit aufhören, das Argument zu nutzen, dass die EU Frieden bringen würde und dass es nur wegen der EU keinen Krieg auf unserem Boden gäbe. Kein Nationalist wird jemals sagen, dass es die EU wäre, die den Frieden sichert. Eher im Gegenteil: Der Nationalist würde sagen, dass gerade wenn die EU zu komplex wird, wenn sie Kulturen und Gesetze verschiedener Länder vermischt, Krieg und Konflikte entstehen würden“, sagt Elena Askløf. Stattdessen müssen die Argumente neu aufgearbeitet werden. „Die EU hat ein Potential, das nicht genutzt wird. Viele von den jungen Menschen, die wir getroffen haben, tragen eine Liebe für Europa in sich, schätzen Vielfalt wert und kennen Menschen in ganz Europa. Auf der anderen Seite wirkt die EU sehr elitär und viele sehen sie als großes, bürokratisches Monster, das all die Kultur einsaugt, die Europa auch darstellt.“

Viel geht dadurch verloren, wie über „Brüssel“ gesprochen wird. Und die Europäische Union steht vor der Herausforderung, mit der eigenen Jugend zu kommunizieren. „Die jungen Menschen, die sich eher rechts orientieren, sind einfach etwas mehr „Rock’n’Roll“, sie sagen auch einfach mal „Scheiß drauf“, aber die EU ist politisch korrekt – und das hat nichts mit Rock’n’Roll zu tun. Es gibt zu viele, bei denen die EU nicht ankommt“, sagt Peter Laugesen. Elenas und sein erster Europatrip fand 2013 statt und dauerte zwölf Monate. Er führte sie in 24 Länder, bevor sie 2015 erneut aufbrauchen. Bei ihrer ersten Reise wollten sie herausfinden, wer die europäische Jugend ist, bei ihrer zweiten Reise wollten sie wissen, wie heute Veränderungen herbeigeführt werden können.

Ein geteiltes Europa

Peter Laugesen und Elena Askløf haben sowohl Menschen getroffen, die gegen die EU sind, als auch Menschen, die für sie sind. Sie haben eine Generation zu sehen bekommen, für die die EU wichtig geworden ist, aber auch eine Generation, die bereit wäre, die EU zu zerbrechen. „Die Jugend von heute und die Jugend von morgen können das Projekt weitertragen. Sie können gleiche Möglichkeiten für alle in Europa bringen und auf die Werte bauen, auf denen die EU gegründet wurde“, so Elena Askløf. „Aber es gibt auch einen klaren Trend in die gegensätzliche Richtung. Wir haben einige rechtsorientierte, nationalistische, junge Menschen getroffen. Sie müssen noch nicht einmal radikal darin sein, aber ihnen fehlt das Gefühl, irgendwo hinzugehören. Stattdessen fühlt sich die EU zu groß für sie an und sie sehen nicht, was die EU für sie tut – außer für die privilegierten Menschen, die die EU bereisen und an Erasmusaufenthalten teilnehmen können.“

Eine der jungen Menschen, die bereit sind, die EU und das alte System hinter sich zu lassen, ist die Französin Justine Dielafait. Sie ist achtzehn Jahre alt und frustriert über ihre Situation und der ihrer Mitmenschen. Die britische Zeitung „Financial Times“ folgte ihr und fünfzehn weiterer Personen desselben Alters, als sie auf eine Autobahn kletterten, um ihre Frustration nach außen zu tragen. Sie hielten einen riesigen Banner mit der Aufschrift „Jugend mit Marine“ auf und zündeten rote, weiße und blaue Lichter an, um ihre nationalistische Botschaft zu unterstreichen.“

„Wir hatten fünfzig Jahre lang linke und rechte Parteien an der Macht und schaut euch die Millionen von uns an, die keine Arbeit haben, die unter der Armutsgrenze leben und die keine Wohnung haben“, sagte Justine Dielafait der „Financial Times“. „Es ist Zeit, das System zu ändern. Es ist Zeit für Marine.“ Letztere, Marine Le Pen, führt den französischen Front National an, der zufolge einer IFOP-Befragung die beliebteste Partei zwischen 18 bis 24-jährigen Franzosen war. 39 Prozent würden der Befragung zufolge, gerne einen charismatischen und kontroversen Führer des rechten Flügels wählen, der Frankreich aus der EU und aus dem Euro heraus führt.

Nicht nur in Frankreich ist die Jugend frustriert mit dem bestehenden System. In Italien beispielsweise würde die Hälfte der jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren die euroskeptische Partei Fünf-Sterne-Bewegung wählen, so eine Umfrage von Quorum Poll Forester. Ähnlich skeptisch zeigt sich die Jugend in Griechenland und in Spanien, wo die Frustration über die hohen Jugendarbeitslosigkeit eine gewaltige Herausforderung für das System darstellt – und für die EU.

Hoffnung wird zu Frustration

Peter Laugesen und Elena Askløf zufolge spiegelt diese Frustration verschiedene Dinge wider. Die allgemeine Unzufriedenheit gelte dem System und der älteren Generation, die im Schatten von Wirtschaftskrisen aufgewachsen ist. „Das war zu viel Hoffnung. Da waren viele junge Menschen, die in Krisen Möglichkeiten sahen. Sie konnten die Gesellschaft umkrempeln, aber jetzt hat sich Apathie und Resignation breit gemacht“, beschreibt Elena Askløf die Jugend in Spanien und Griechenland, welche sie 2013 und 2015 für ihr Buch „Travel Stories about the new Europeans“ besuchte.

„Die Generation ihrer Eltern ist daran gescheitert, korrupte Politiker unter Kontrolle zu bringen. Viele junge Menschen kritisieren diese Generation, die die Korruption nicht stoppen konnte. Sie geben den nationalen Regierungen die Schuld für was passiert ist“, sagt Peter Laugesen. Die EU kam Wirtschaften wie der griechischen zur Hilfe, aber nicht ohne Forderungen zu stellen. Privatisierung, Sparpolitik und strukturelle Veränderungen waren notwendige Bedingungen für die Zahlungen. Und diese hatten schmerzliche Folgen.

„Die EU ist zum Sündenbock geworden. Die EU hat es nicht geschafft – oder ihr ist es nicht erlaubt – auf die Dinge stolz zu sein, die sie geschaffen hat. Nationale Führer sind gut darin, die Schuld auf die EU zu schieben“, so Peter Laugesen, auch wenn er sagt, dass die EU nicht ganz schuldfrei ist. „Ich kann verstehen, dass ein junger Spanier oder ein junger Italiener das Gefühl hat, dass die EU ihm nicht die Chance gibt, sich ein Leben aufzubauen. Sie haben das Gefühl, dass ihnen eine helfende Hand fehlt.“

„Wir haben junge Menschen im Süden Europas getroffen, die das Gefühl hatten, dass die EU für sie gescheitert ist“, beschreibt auch Elena Askløf. „Viele erzählen die Geschichte der Vereinigten Staaten, die mit dem Marshall-Plan Europa nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Beine halfen. Aber stattdessen hat die EU in Krisenzeiten wie nach dem Ersten Weltkrieg agiert. Junge Menschen fragen sich, warum Deutschland und die EU sie so behandeln, wenn gerade Erstere doch wissen müssten, wohin es führen kann.“

Der Trend wandelt sich

Die Jugend in Dänemark ist jedoch optimistisch und davon überzeugt, dass die EU die Krise überleben wird. Trotz Euroskeptikern wie Nigel Farage, Marine Le Pen und Geert Wilders, die sich ins Rampenlicht stellen. „Die Skeptiker sind in voller Fahrt. Trotzdem glauben wir, dass der Trend sich auch wendet. Wir haben bereits Reaktionen gesehen wie die „Pulse of Europe“-Bewegung“, erzählt Niels Peter Frederiksen von der „Danish European Youth“. Er glaubt nicht, dass die Situation so düster ist, wie Italien und Frankreich sie darstellen. „Die Jugend ist traditionell für Fortschritt und Kooperation, aber sie kann auch mit Rebellion und Protest assoziiert werden. Wir werden sehen, wie die Wahlen letztendlich ausgehen werden.“

Auf die Frage hin, ob die EU die Jugend im Süden vernachlässigt hat, antwortet er, dass die nationalen Regierungen gescheitert sind, aber auch die EU noch nicht die richtige Antwort hat. „Die EU hat geholfen, nach einer Lösung zu suchen, aber wir müssen akzeptieren, dass diese noch nicht gefunden ist. Wir brauchen sie aber, wir haben schließlich auch Krisen wie die Flüchtlingskrise, den Brexit und die wirtschaftliche Situation in Griechenland“, beschreibt er weiter.

Peter Laugesen von „Our Europe“ deutet auf die aufkommenden Wahlen in Frankreich und in Deutschland, wo die nächste Zukunft der EU beschlossen werden wird. Die pro-europäischen Kandidation Emmanuel Macron und Martin Schulz sind erfolgreich. Peter Laugesen vermutet, dass die beiden ein sozialeres Europa, vermutlich ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, schaffen würden. Wie die Jugend damit umgehen wird, wird nur die Zukunft zeigen. Momentan ist sie noch gespalten.

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