Die Innovationspolitik der EU basiert auf Artikel 173 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Mit der “Neuen Europäischen Innovationsagenda” von 2022 verfolgt die EU einen umfassenden Ansatz mit 25 spezifischen Maßnahmen in fünf Schlüsselbereichen: Finanzierung von Skalierungen, Ermöglichung von Innovationsräumen, Stärkung von Innovationsökosystemen, Förderung von Deep-Tech-Talenten und Verbesserung von Politikinstrumenten. Der zweite Horizon Europe Strategische Plan 2025-2027 konzentriert sich auf drei Schlüsselprioritäten: grüne und digitale Transformation sowie ein widerstandsfähigeres, wettbewerbsfähigeres und demokratischeres Europa.
Förderprogramme- ein Überblick
Die EU hat verschiedene Förderprogramme für Unternehmen wie Neuralfinity ins Leben gerufen. Mit Horizon Europe verfügt die EU über das weltweit größte Forschungs- und Innovationsförderprogramm mit einem Budget von 95,5 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021-2027. Die Initiative zielt darauf ab, globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken.
Eine Schlüsselkomponente von Horizon Europe ist der Europäische Innovationsrat (EIC), der sich auf die Förderung radikaler Technologien konzentriert. Mit einem Budget von 10 Milliarden Euro richtet sich der EIC besonders an Startups und kleine Unternehmen, die bahnbrechende Innovationen vorantreiben wollen.
Betrachtet man aktuelle Innovationen wie im Bereich der künstlichen Intelligenz, könnte man meinen, Europa sei im globalen Innovationswettbewerb hinter den USA und China zurückgeblieben. Ist das wirklich die Realität?
Ein Vorbild aus Deutschland
Ein Beispiel für die europäische Innovationslandschaft ist das deutsche Unternehmen Neuralfinity, ein KI-Startup, das die ModelEngine-Plattform für das Vortraining multimodaler KI-Modelle entwickelt. Jannik Malte Meissner, Mitbegründer von Neuralfinity, betont die Bedeutung von EU-geförderten Projekten für den Unternehmenserfolg: "Auf der einen Seite hat es uns mit spannenden anderen Leuten aus der Europäischen Startup Szene zusammengebracht, unsere Teilnahme an wichtigen Messen und Konferenzen wie z.B. der VivaTech unterstützt und zum Anderen aber auch dabei geholfen, eine neue Open Source Lizenz zu erarbeiten, die speziell auf die Veröffentlichung großer Sprachmodelle ausgelegt ist, also die Aspekte Daten, Model Weights und Code gleichermaßen abdeckt.”
Das X2.0 programist eine EU-Initiative zur Unterstützung von Deep-Tech-Startups in Europa. Es konzentriert sich darauf, 50 ausgewählte Unternehmen beim Wachstum zu unterstützen, indem es maßgeschneiderte, branchenspezifische Wachstumsprogramme anbietet. Die Innovationsleistung variiert erheblich zwischen den europäischen Ländern und unterstreicht die unterschiedlichen Stärken und Herausforderungen in der EU-Innovationslandschaft. Das European Innovation Scoreboard (EIS) 2024 bietet eine vergleichende Bewertung der Forschungs- und Innovationsleistung unter EU-Mitgliedsstaaten, benachbarten europäischen Nationen und globalen Wettbewerbern.
Europa im Innovationsvergleich: Zurückgeblieben trotz Förderung?
Trotz dieser Initiativen bleibt die Frage, ob die EU im globalen Innovationswettbewerb tatsächlich zurückgefallen ist. Statistiken unterstützen diese Bedenken: Das Ifo-Institut stellte fest, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der EU 2021 2.2% des BIP betrugen, während es in den USA 3,5% waren. In absoluten Zahlen investierten die USA 730 Milliarden Euro, während Europa nur 322 Milliarden Euro ausgab.
Herausforderungen für europäische Startups
Jannik Malte Meissner sieht klare Hindernisse für europäische Startups: “Im Vergleich mit den USA haben Europäische Startups viele Nachteile. Zum einen ist das Ökosystem deutlich kleiner und fragmentierter, was es schwerer macht sich mit anderen”Leidensgenossen" zu vernetzen. Gleichzeitig ist es schwerer Investoren zu finden, da auch hier das Ökosystem um ein vielfaches schwächer ist”.
Er hebt insbesondere die Risikoaversion europäischer Unternehmen hervor. Europäische Unternehmen seien oft zögerlicher, mit jungen Startups zusammenzuarbeiten. Viele Unternehmen seien zurückhaltend, Produkte oder Dienstleistungen von Startups zu kaufen, auch wenn sie dringend benötigte Lösungen anbieten würden.
EU-Regulierungen: Hindernis oder Chance?
Die EU hat neue regulatorische Rahmenbedingungen mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), dem Digitaldienstgesetz (DSA) und dem Digitale-Märkte-Gesetz (DMA) geschaffen. Meissner sieht sowohl Vor- als auch Nachteile darin, wodurch die DSGVO ein großer Schritt sei, das Vertrauen in europäische Unternehmen zu stärken Jedoch gebe es viele neuen Regelungen, die das Leben von Startups und Open-Source-Projekten besonders schwierig machen.
Besonders problematisch sei die vage Formulierung im geplanten KI-Gesetz: "Die definition von KI im AI Act zum Beispiel ist sehr schwammig und ich könnte sowohl auf der einen Seite argumentieren, dass eigentlich alle Software darunter fällt, also auch auf der Gegenseite, warum Deep Learning in der Definition nicht erfasst ist; Und gerade diese Ambiguität ist nicht gut für Europa. Aber auch hier machen andere es nicht besser, SB1047 zum Beispiel, aus Kalifornien, ist auch eine Katastrophe.”
Zukunftsperspektiven: Wege zur Stärkung der Innovationskraft
Um hierbei zu einer stärkeren Innovationskraft beizutragen plädiert Meissner für einen integrativeren Ansatz innerhalb Europas: “Wir brauchen mehr Regulatorische Einheit in der EU. Ein Startup zu gründen ist schwierig genug - zusätzliche Bürokratie durch 27 verschiedene Steuersysteme hilft nicht." Der Mut zur Konzentration auf zukunftsorientierte Industrien ist hierbei bedeutend. So passiere Innovation, mit oder ohne Europa. Wenn der europäische Kontinent, inbesondere die Mitgliedsstaaten der EU, Teil dieser Veränderung sein wollen, müsse auf Technologien der Zukunft gesetzt werden – nicht an veralteten Industrien festgehalten werden.
Trotz der Herausforderungen sieht Meissner Potenzial für Europa, insbesondere im Bereich Künstlicher Intelligenz mit seiner Firma: "Einige unserer Kunden nutzen Modelle von OpenAI oder Anthropic. Aber wenn Startups, die darauf aufbauen, erfolgreich werden, wird das oft sehr teuer, da kann es sich lohnen für einen speziellen Anwendungsfall ein deutlich weniger generelles, optimiertes Modell zu entwickeln und genau das bieten wir an. Dazu gehört auch unsere eigene Architektur, die eine Option auf unserer Plattform darstellt.”
Was bedeutet das?
Die EU hat eine solide Grundlage für Innovation geschaffen, aber es gibt noch Hindernisse, die das Innovationspotenzial hemmen. Ein Vergleich mit den USA und China zeigt, dass Europa bei Investitionen in Forschung und Entwicklung zurückliegt. Um eine führende Rolle in der globalen Innovation zu spielen, benötigt Europa nicht nur mehr finanzielle Ressourcen, sondern auch eine Kultur, die unternehmerisches Risiko fördert und regulatorische Hürden abbaut. Hier zeigt sich aber auch, dass diese Regulierungen auch positive Auswirkungen haben können. Die Basis sind die Menschen wie Jannik, die hinter ihrer Idee stehen.
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