Die Hauptnutzer von Facebook, X (Twitter), Instagram und TikTok sind vor allem junge Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren. Wenn Nutzer ihre Ansichten, Meinungen, Vorurteile oder Voreingenommenheit öffentlich kundtun, entsteht ein gewisses Gefühl der Gewöhnung. Durch den regelmäßigen Konsum der Inhalte werden problematische Einstellungen nach Angaben des Deutschen Jugendinstituts vor allem bei jungen Menschen verstärkt.
Eine Studie von 2012 hat gezeigt, wie Politiker mit Hilfe von Facebook Beiträgen versuchen Parteiinhalte zu vermitteln und sich die Aufmerksamkeit der zukünftigen Wähler zu sichern. Der freie Zugang zu Social-Media-Plattformen ermöglicht ebenfalls antidemokratischen Nutzern und Parteien, ihre Inhalte zu verbreiten. Der Versuch rechtspopulistischer Parteien, viele Menschen zu beeinflussen, zielt darauf ab, das Denken und Sprechen allmählich in Richtung antidemokratischer und diskriminierender Ideen und politischen Einstellungen zu lenken. Sie verbreiten in einem stark vernetzten Online-Publikum Ideen, die sich gegen wirtschaftliche Fairness, Einwanderung, Kriegsführung und Klimawandel richten. Innerhalb dieses Publikums gibt es einen beträchtlichen Anteil junger Wähler. Denn oft beziehen gerade diese Altersgruppen ihre Nachrichten oft über soziale Medienplattformen.
Hintergrund
Vor der US-Präsidentschaftswahl 2009 war die dauerhafte Nutzung von sozialen Medien bei deutschen Politikern nicht verbreitet. Eine Studie hat sich das politische Netzwerk mit Fokus auf politische Parteien und deren politische Kommunikation auf Facebook genauer angeschaut. Dabei kam heraus, dass deutsche Politiker erst nach dem erfolgreichen Vorbild der US-Wahl von Obama verstärkt das Internet und soziale Medien nutzen. Doch warum bietet gerade die Onlinewelt eine ideale Plattform für die Verbreitung politischer Inhalte? Soziale Medien ermöglichen einen einfachen und direkten Austausch mit potenziellen Wählern. Im Vergleich zu traditionellen Wahlkampfauftritten besitzt Social Media die Möglichkeit, ein größeres Publikum anzusprechen. Die Tatsache, dass Handys ein fester Bestandteil des täglichen Lebens geworden sind, bedeutet, dass jeder jederzeit Zugang zu Informationen hat.
Politische Akteure machen sich besonders die junge Generation zu nutzen, um ihre politischen Inhalte zu präsentieren. Die Zustimmungswerte für die rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland) sind in Umfragen vor den Wahlen im Vergleich zu anderen großen (Alt-)Parteien deutlich gestiegen. Auffallend ist, dass die AfD ihre politischen Ansichten besonders stark auf Plattformen wie TikTok, YouTube und Facebook verbreitet (Diagramm). Die Inhalte bestehen meist aus Halbwahrheiten und irreführenden Informationen. Anderen deutschen Parteien liegen bei den Followerzahlen weit zurück. Aber warum schafft es die rechtspopulistische AfD, ein größeres Publikum zu erreichen und im Vergleich zu anderen deutschen Parteien eine so große Zahl von Followern zu generieren?
Diagramm 1: Followerzahlen der deutschen Parteien auf Social Media :
Quelle: Intermate Group veröffentlicht von rnd Visualisierung erstellt von Magdalena Kensy.
Das Geheimrezept zum Erfolg
Der Erfolg der rechtspopulistischen AfD beruht auf verschiedenen Strategien. Der größte Vorteil ist jedoch, dass die AfD früher mit TikTok begonnen hat und es besser versteht als die anderen Parteien. Die Dominanz auf TikTok ist darauf zurückzuführen, dass sie mehr in ihre Social-Media-Kommunikation investiert als alle anderen. Die Inhalte konzentrieren sich auf wenige zentrale Themen, wie Migration und COVID-19. Diese wiederholen sie regelmäßig, um Aufmerksamkeit und Interaktion zu erzeugen. Diese Themen sind besonders geeignet, da sie starke Meinungen provozieren und somit politische Debatten anregen. Mit provokanten Aussagen wie „Stoppt den Genderwahn“ und „Import von Messerkriminalität“ werden gesellschaftliche Normen gebrochen und die Öffentlichkeit immer wieder auf diese Themen aufmerksam gemacht. Strategisch plant die AfD ihre Aktionen so, dass sie Reaktionen anderer Parteien provoziert und sich damit in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit stellt. Diese Taktik sorgt dafür, dass Medien über ihre Ansichten und Themen berichten und so ihre Botschaft noch weiter verstärken.
Im Gegensatz zu anderen Parteien setzt die AfD auf ein Netzwerk von Anhänger-Accounts. Die Inhalte der AfD werden von ihnen in eigene Videos eingebunden und mit reißerischen Titeln verbreitet. Anhänger wie die „Junge Alternative“ und die „Identitäre Bewegung“ sind wichtige Eckpfeiler für den Ausbau der AfD-Reichweite und ihrer Popularität. Weibliche Akteure, die für die AfD werben, werden strategisch eingesetzt. Frauen wirken oft weniger gefährlich und aggressiv als ihre männlichen Kollegen und wirken auf ein breiteres Publikum attraktiver. Eines der bekanntesten Gesichter der AfD-Partei ist Alice Weidel, die auf TikTok mehr als 270.000 Follower hat. Damit hat sie eine größere Fangemeinde als jeder andere politische Akteur in Deutschland.
Mehr zur Strategie der AfD
Die AfD ist dafür bekannt, Halbwahrheiten zu verbreiten und Informationen so zu manipulieren, dass sie in ihr Narrativ passen. Dazu nutzt die Partei negative Emotionen, wie Angst, und lässt sich auf Interaktionen mit ihrem Publikum ein. Oft sind sie mit negativen Kommentaren verbunden. Diese Inhalte kommen bei Erstwählern gut an,denn sie sprechen ihre Ängste und Sorgen direkt an und geben ihnen das Gefühl, von der Partei gehört und verstanden zu werden. Durch dieses Engagement bleiben die Menschen länger auf ihren Plattformen, was dazu führt, dass Algorithmen ihre Inhalte priorisieren und die Partei eine Gemeinschaft um ihre Weltanschauung herum aufbauen kann.
€ Investitionen in soziale Medien
Trotz der großen Reichweite der AfD auf TikTok haben die Bundesverbände der Grünen und der CDU, laut einer Analyse des Magazins Spiegel, das meiste Geld für Wahlwerbung in sozialen Medien während der Bundestagswahl 2021 ausgegeben. Insgesamt gaben die Parteien in den drei Monaten vor der Bundestagswahl rund 4,7 Millionen Euro für Wahlwerbung (Facebook, Instagram, Google und YouTube) aus.
Diagramm 2: Wahlkampfausgaben der politischen Parteien 2021 auf Facebook und Instagram in Euro
Data provided by Spiegel and published here. Visualisation created by Magdalena Kensy
UNGARN
Das politische Monopol Die ungarische rechtspopulistische Fidesz Partei ist mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit seit 2010 im ungarischen Parlament vertreten. Damit ist sie bei Abstimmungen zu Gesetzesänderungen oder -vorschlägen nicht mehr auf die Opposition angewiesen. Zusätzlich sind mehr als 80 Prozent der ungarischen Massenmedien im Besitz der Fidesz oder werden von Personen geleitet, die mit der Partei in Verbindung stehen.
Der Erfolg der Fidesz beruht auf den gängigsten populistischen Methoden. Sie finden immer einen neuen Feind, der nicht gut in der Öffentlichkeit präsent ist. Ein Beispiel ist das linke Spektrum, die Oppositionspartei oder die Europäische Union. Jede politische Bewegung und jeder Trend, der nicht mit dem Fidesz-Narrativ übereinstimmt, wird zum Feind. Dadurch werden die Möglichkeiten der Meinungsbildung und des Austauschs behindert/verhindert. Erschwerend kommt hinzu, dass Social Media der Regierung einen weiteren Vorteil verschafft. Denn auf diesen Plattformen gibt es keine offiziellen Kontrolleure, die die Fakten vor der Veröffentlichung überprüfen können. Damit kann die rechtspopulistische Regierung die offiziellen Regeln des Journalismus umgehen. Ihre Art des Social-Media-Marketing: kurze Worte, Bilder, Ungarns Nationalfarben und das Parteilogo.
v.l.n.r.: „Es ist an der Zeit, die Opposition Show in Budapest abzuschalten.“ „Die neuen Gesichter der linken Opposition.“ „Europawahlen am 9. Juni.“ „Die neuen Gesichter der linken Opposition.“ Quelle: Instagram
Geld ist König Von den großen Parteien in Ungarn hat die Fidesz nicht die meisten Follower, weder auf Facebook noch auf Instagram. Allerdings stehen der Partei die meisten Mittel für Werbung in den sozialen Medien zur Verfügung. Auf der Instagram-Seite der Fidesz gibt es jeden Tag neue Beiträge und Viktor Orbán postet jeden zweiten Tag etwas. Selbst wenn man ihnen nicht folgt, werden die Beiträge angezeigt. Die Instagram-Seite der rechtspopulistischen Partei besteht größtenteils aus kurzen Video-Interviews mit Parteimitgliedern oder Reden aus dem Parlament. Die Schlüsselwörter sind in Rot oder Orange auf dem Video-Titelbild zu sehen. Inhalt der Videos sind überwiegend Hassreden gegen die Opposition und die EU.
Im Jahr 2022 berichtete Telex, dass Fidesz mehr als 44 Milliarden ungarische Forint - das entspricht 113 Millionen Euro - für Propaganda Werbung auf Online-Medienplattformen und Plakatwänden ausgegeben. Auf diese Weise kann man ihr Narrativ auf YouTube, Instagram und auf der Straße sehen. Dafür muss man kein Parteimitglied sein oder ihnen den sozialen Medien oder in den Massenmedien folgen. Im Jahr 2010 nutzten sie nur Plakatwände und Massenmedien. Mit der steigenden Popularität der sozialen Medien begann die Fidesz auch diese zu nutzen. Viktor Orbáns persönliches Instagram besteht hauptsächlich aus Bildern von ihm und anderen Politikern oder aus Bildern, die seine täglichen Aufgaben zeigen. Sie sind alle in der gleichen Schriftart, Farben und Design gehalten. Orbáns Seite zeigt mehr die Seite des Ministerpräsidenten, während die Seite der Fidesz-Partei hauptsächlich aus Propaganda-Inhalten besteht.
Diagramm 3: Followerzahlen auf Facebook und Instagram der ungarischen Parteien und Viktor Orbán
Die ungarische rechtspopulistische Fidesz ist überall in Posts und Videos zu sehen. Der Erfolg kommt durch das große finanzielle Budget der Partei, welches für Propaganda genutzt wird. Auf jedem Werbepost und auf Plakaten wird das gleiche populistische Narrativ mit den gleichen “Feinden” verwendet.
BELGIEN
Im Jahr 2023 waren die rechtspopulistische Vlaams Belang („Flämisches Interesse“) und die separatistische Neue Flämische Allianz (N-VA), beides Parteien des rechten Flügels, die größten Geldgeber für Social-Media-Werbung unter den europäischen politischen Parteien. Zusammen investierten sie rund 3,4 Millionen Euro in Facebook- und Instagram-Anzeigen. Diese Ausgaben machten mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben aller belgischen Parteien aus, die sich 2024 auf etwas mehr als 6 Millionen Euro belaufen. Im Vergleich zum Jahr 2022 macht das einen Anstieg um eine Million Euro. Obwohl 2023 in Belgien keine Wahlen stattfanden, blieben Vlaams Belang und die N-VA Spitzenreiter bei den Ausgaben für politische Werbung in Europa.
Diese Zahlen stammen von AdLens, einem Bürgerkollektiv, das politische Anzeigen in sozialen Medien anhand der Daten der Facebookanzeigen analysiert. Besonders bemerkenswert ist, dass Vlaams Belang bei den Ausgaben auf Facebook und Instagram mit knapp 1,7 Millionen Euro führend ist. Damit übertrifft sie die Ausgaben der N-VA um 8.000 Euro. Die Spitzenreiter bei den Einzelausgaben waren überwiegend männlich. In den Top 15 der Einzelausgaben war Melissa Depraetere von der sozialdemokratischen Partei Vooruit als einzige Frau vertreten und Georges-Louis Bouchez von der liberalen MR der einzige französische muttersprachliche Politiker. In der am 9. Februar beginnenden Vorwahlperiode gelten für Parteien und Politiker vier Monate lang vor der Wahl Obergrenzen für die Kommunikationsausgaben.
Die Belgier bereiten sich auf mehrere wichtige Wahlen im Jahr 2024 vor. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, dass rechtsorientierte Parteien ihre Budgets für politische Kampagnen Werbung in den sozialen Medien im vergangenen Jahr deutlich erhöht haben. Rechtspopulistische Parteien, insbesondere Vlaams Belang, verzeichneten mit einer Steigerung von 50,6 Prozent einen erheblichen Anstieg der Ausgaben zwischen den Quartalen 2023. Vor allem niederländischsprachige Parteien dominierten die Ausgaben, allen voran Vlaams Belang, gefolgt von der N-VA. Trotz eines allgemeinen Rückgangs der Ausgaben auf den von Meta betriebenen Social-Media-Plattformen hielten die flämischen Parteien ihre hohen Investitionen aufrecht, insbesondere die rechten Parteien. Die Auswirkungen gezielter Social-Media-Werbung auf das Wahlverhalten bleiben jedoch ungewiss, da Studien auf minimale langfristige Auswirkungen hindeuten.
ITALIEN
Im Vorfeld der Europawahlen hat der italienische Vizepräsident Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega Partei und Minister für Infrastruktur, einen Countdown gepostet, der einen sehr oberflächlichen Vergleichen zwischen „Mehr Italien, weniger Europa“ zeigt. Er verdoppelt seine Aktivitäten in den sozialen Netzwerken mit durchschnittlich 200 Beiträgen pro Monat.
Allein im April hat Matteo Salvini 266 Beiträge auf Facebook, 134 auf X (früher Twitter), 241 auf Instagram und 42 auf TikTok veröffentlicht. Diese Zahlen wurden durch eine von DeRev für die Mailänder Traditionszeitung Corriere della Sera durchgeführte Analyse aufgedeckt. Die Zahlen weisen nicht nur auf eine Beschleunigung von Salvinis Kommunikation in den sozialen Medien hin, sondern machen die virtuelle Arena auch zu einem Schlachtfeld. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der nationalkonservativen Fratelli d’Italia hat hingegen nur 38 Beiträge auf Facebook, 61 auf X, 43 auf Instagram und 17 auf TikTok gepostet. Salvinis Online-Präsenz scheint achtmal größer zu sein als die der Ministerpräsidentin.
Diagramm 4: Postings auf sozialen Medien im Vergleich
Quelle: Von DeRev für den Corriere della Sera bereitgestellte Daten. Visualisierung erstellt von Magdalena Kensy
Nach der Niederlage des AC Mailand gegen Inter Mailand (16.05.), postete Vizeminister Salvini auf X, dass er die Niederlage mit den Überschwemmungen in der Region Emilia-Romagna in gleich stellt. Der Tweet wurde schnell gelöscht, nachdem er als unsensibel kritisiert worden war, aber Spuren blieben. Der Versuch eines Lega-Senators, den Tweet in einer Radiosendung zu rechtfertigen, verschlimmerte die Situation noch weiter. Solche Vorfälle untergraben die Bemühungen der Regierung, einen hohen Standard im Krisenmanagement und in der Kommunikation aufrechtzuerhalten. Sie untermauern auch das Bild von der isolierten Ministerpräsidentin Meloni, die von Personen umgeben wird, die sie eher behindern, als unterstützen. Dies erschwert die Aufgabe, die Kommunikationsstrategie der Regierung auszuarbeiten und zu reparieren.
* Eine Woche vor den Europawahlen zeigte eine POLITICO-Recherche, welche Parteien wie viel Geld für Social-Media-Kampagnen ausgeben. Das Ergebnis: Ministerpräsident Orbán und seine Regierungspartei Fidesz haben im Vergleich zu allen anderen politischen Parteien in den 27 EU-Ländern die meisten Anzeigen (basierend auf den ausgegebenen Euros) auf Google- und Meta-Plattformen gekauft. „Bei der Auflistung der größten Spender für politische Anzeigen in jedem EU-Land waren sieben der zehn größten nationalen Spender rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien, darunter Ungarns Fidesz, Deutschlands AfD, Österreichs Freiheitliche Partei (FPÖ), die Schwedendemokraten, Polens Recht und Gerechtigkeit (PiS), Italiens Brothers und Spaniens Vox“, stellt POLITICO als Ergebnis ihrer Recherche fest.
Aussichten: Die Zukunft von links und rechts
Rechtspopulistische Parteien gewinnen in der politischen Parteienlandschaft zunehmend an Bedeutung. Während solche Parteien in Ungarn und Italien bereits an der Regierung sind, sind entsprechende rechtspopulistische Parteien in Deutschland und Belgien auf dem Vormarsch. Über verschiedene Nationalitäten und Landesgrenzen hinweg konzentrieren sich die Strategien rechtsgerichteter Parteien eindeutig auf ihre Präsenz in den sozialen Medien. Inwieweit dieser Fokus mit dem Wahlerfolg korreliert, lässt sich nicht abschließend sagen. Sicher ist jedoch, dass rechte Parteien einen klaren Vorteil in ihrem Auftreten und bei der Mobilisierung von Anhängern/ potenziellen Wählern auf Social-Media-Plattformen haben.
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