Wie eine Bürgerinitiative entsteht
Bevor Bürgerbewegungen der EU-Kommission ihr Anliegen vorlegen dürfen, müssen sie einige Hürden überwinden. Zu Beginn der Aktion gründen die Antragsteller einen Bürgerausschuss mit mindestens sieben Mitgliedern aus verschiedenen EU-Ländern. Dieser Ausschuss soll prüfen, ob die geplante Petition überhaupt die Voraussetzungen erfüllt. Einerseits muss das Thema im Zuständigkeitsbereich der EU-Kommission liegen. Hierzu zählen zum Beispiel die Bereiche Umwelt, Landwirtschaft und öffentliche Gesundheit. Andererseits muss das Papier die Institution dazu auffordern, einen Gesetzesvorschlag zu erlassen.
Anschließend registriert der Bürgerausschuss den Antrag auf einem Internetportal und die wichtigste Phase beginnt: Innerhalb eines Jahres müssen mindestens eine Million Menschen aus wenigstens sieben EU-Ländern unterschrieben haben. Wer die Aktion mit seiner Stimme unterstützen möchte, muss Staatsangehöriger eines Mitgliedslandes sein und das aktive Wahlrecht im Herkunftsland besitzen. Sammeln die Antragsteller nicht genügend Unterschriften, ist die Petition gescheitert. Andernfalls prüfen die nationalen Behörden sie innerhalb von drei Monaten. Wenn die Prüfung erfolgreich ist, können die Initiatoren ihr Anliegen der Europäischen Kommission vorlegen. Außerdem gibt es eine öffentliche Anhörung im EU-Parlament und eine schriftliche Antwort der Kommission.
Klare Meinung in Europa
Verbindlich ist die Europäischen Bürgerinitiative (EBI) allerdings nicht. Die Kommission ist nicht zu einer Gesetzesvorlage verpflichtet und kann die Initiative einfach übergehen, wie bei Right2Water geschehen. Dem Antrag wird kein Gesetzesentwurf folgen. Zwar erklärte die EU in ihrer schriftlichen Stellungnahme, dass sie Konsultationen zur EU-Trinkwasserrichtlinie einleiten und sich für mehr Transparenz einsetzen wolle. Die Hauptforderung, Wasser als Menschenrecht zu garantieren und Privatisierungen der Wasserbetriebe abzulehnen, wird aber nicht erfüllt. Das sei Sache der nationalen Regierungen, begründete die Kommission.
Das hatte sich der Europäische Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst, Initiator der Kampagne, zu Beginn sicher anders vorgestellt. Die Unterstützer der Bürgerinitiative versammelten sich erstmals im Juni 2012 mit Plakaten, T-Shirts und reichlich Informationsmaterial vor Brunnen in ganz Europa und machten damit international auf das Thema Wasserversorgung aufmerksam.
In den darauffolgenden Monaten gab es zahlreiche Kundgebungen in europäischen Städten, bei denen Helfer tausende Unterschriften sammelten. Auch über die Internetseite, soziale Netzwerke und per Mail wurde unterschrieben, geteilt und geliked. Auf diese Weise schafften es die Antragsteller, 1,8 Millionen Unterschriften zu sammeln. Das beweist nicht nur, dass das Thema Wasser äußert wichtig für die Bürger ist. Es zeigt auch, dass die Menschen in Europa eine klare Meinung vertreten und sich für diese einsetzen.
Kein Instrument direkter Demokratie
Die Europäische Bürgerinitiative ist kein Instrument direkter Demokratie, da die Entscheidung für oder gegen ein Gesetz letztendlich nicht Bürger, sondern Abgeordnete treffen. Dennoch fördert sie die Partizipation und ist ein Weg für die Bürger, ihre Meinungen und Sorgen kund zu tun. Schafft es das Thema auf die politische Agenda, trägt der Bürger indirekt zur Entstehung neuer Gesetzesinitiativen bei. Auch wenn kein Gesetzesentwurf folgt, müssen sich europäische Politiker mit dem Thema der Initiative auseinandersetzen und dazu äußern. Außerdem steigert die Petition das Medieninteresse. Die Right2Water-Aktion hat das Thema Wasserversorgung in den Vordergrund gerückt: Sven Giegold, Mitglied der Grünen Fraktion im EU-Parlament, kündigte an, die Grünen würden die Forderungen der Petition zum Europa-Wahlkampfthema machen.
Durch die Anhörung vor der EU-Kommission und die Informationsveranstaltungen trägt die Initiative zur Meinungsbildung der Bürger und Politiker bei. Sie kann damit gegebenenfalls auch Einfluss auf spätere Abstimmungen und Verhandlungen nehmen.
Trotz der negativen Antwort der EU-Kommission laufen die nächsten Bürgerinitiativen schon. Gute Aussichten auf Erfolg hat zum Beispiel eine Petition für Medienpluralismus, die unter anderem die Harmonisierung der Vorschriften für Pressefreiheit in Europa fordert.
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