Eheverbot in Europa

, von  Isabel Lerch

Eheverbot in Europa
Die Kolumne „Wir in Europa“ erscheint jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden. Foto: © European Commission / 2004

Ja ich will. Drei Sätze, die nicht jeder sagen darf. Homosexuelle Paare dürfen sich nicht in allen europäischen Ländern das Ja-Wort geben. Seit anderthalb Jahren ist die gleichgeschlechtliche Ehe nun in Frankreich erlaubt. Ich durfte erleben, wie schön das sein kann: Meine ehemalige Chefredakteurin heiratete ihre Freundin. Doch der Kampf ist noch nicht vorbei.

Sie hatten Glück. Das Ja-Wort geben sie sich auf einem alten Schloss an der Loire. Der Ort wirkt geheimnisvoll, idyllisch, irgendwie aus einer anderen Zeit. Es ist eine schöne Kulisse und zugleich ein großer Kontrast: Hier, wo einst Fürsten herrschten, feiern heute Abend zwei glückliche Menschen ihre Hochzeit. Es sind zwei Frauen - zwei Französinnen. Sie heirateten, weil sie sich lieben und weil es der französische Staat ermöglicht hat. Doch fast wäre es nicht dazu gekommen.

Alles begann vor genau zwei Jahren: Ich zog für ein Praktikum beim französischen Radiosender Euradio für sechs Monate von Berlin nach Nantes. Meine Chefredakteurin Laurence Aubron war mir gleich zu Beginn sehr sympathisch. Aber besonders eine Tatsache beeindruckte mich: Laurence ging sofort sehr offen mit ihrer Homosexualität um. Auch ihre Lebensgefährtin Marine lernte ich kennen. Die ehemalige Journalistin nahm sich die Zeit mich einzuarbeiten.

Die Homo-Ehe spaltete die französische Gesellschaft

Nur zwei Monate später bahnte sich ein politischer Kampf an, der Frankreich den gesamten Winter über beschäftigen sollte. Im Parlament wurde um die Homo-Ehe gestritten – eines der Prestigeprojekte der damals frisch in die Regierung gewählten Sozialisten. Das Thema spaltete die französische Gesellschaft. Hunderttausende Menschen gingen gegen das geplante Gesetz auf die Straße – Konservative, Katholiken und Anhänger des Front National. Und Hunderttausende wehrten sich: Riesige, bunte Aufmärsche zeigten Flagge für die Homo-Ehe. Woche für Woche gab es große Demonstrationen beider Seiten im ganzen Land.

Ich erlebte diesen Kulturkampf mit voller Wucht: Für Euradio berichtete ich mehrfach von den aktuellen Entwicklungen und den Demonstrationen. Als ich an einer Reportage über ein lesbisches Pärchen und ihren Sohn arbeitete, ging mir das Thema emotional besonders nahe. Die beiden erzählten mir von dem sozialen Druck ihres Umfelds und dem Gefühl als nicht „normal“ anerkannt zu werden. Ich konnte mich sehr gut in sie hineinversetzen, denn ich bin selbst homosexuell. Die Hoffnung, dass sie durch die Homo-Ehe in Frankreich eine gesetzliche Anerkennung ihrer Lebensform erfahren würden, teilte ich. Denn ich dachte an meine eigenes zukünftiges Leben: Auch ich möchte später in einem Land leben, in dem meine Form zu lieben anerkannt wird. Der Austausch mit Laurence während dieser Zeit hat mir sehr geholfen. Sie war ein Vorbild. Sie führt eine glückliche Beziehung, ist Mutter von zwei Kindern und eine erfolgreiche Journalistin. Wer hat das Recht über ihre Leben und ihre Art zu lieben moralisch zu urteilen?

Die Wahl haben

Einige Monate später war der Kampf gewonnen: Das französische Parlament stimmte für das Gesetz und der Weg für die Homo-Ehe wurde freigemacht. Trotz der vielen Massendemonstrationen gegen die „marriage pour tous“. Als sogar eine Verfassungsbeschwerde – die letzte Hoffnung der Opposition – abgelehnt wurde, war klar, dass sich eines der zentralen Wahlversprechen der Sozialisten erfüllen würde. Die Freude war groß. Genau wie die Hoffnung, dass auch in Deutschland bald die gleichgeschlechtliche Ehe möglich wird.

Als ein Jahr später die Hochzeitseinladung von Laurence und Marine in meinem Briefkasten lag, bekam ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Ich zögerte nicht eine Sekunde und sagte den beiden zu. Vor einer Woche war es nun soweit: Nach der offiziellen Zeremonie im Rathaus von Nantes feierten und tanzten wir bis tief in die Nacht hinein im alten Schloss von Goulaine.

Ich habe mich in diesem Sommer frisch verliebt. Es ist der Anfang einer schönen Beziehung. Wir sind jung und machen noch keine konkreten Pläne. Wer weiß, ob wir jemals heiraten wollen. Doch egal, was wir irgendwann machen möchten, wir möchten die Wahl haben. Die gesetzliche Diskriminierung von homosexuellen Paaren sollte schleunigst beseitigt werden. Menschen, die sich lieben, sollten das Recht haben, sich lebenslange Treue zu schwören. Egal, welches Geschlecht sie haben.

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