Die afrikanischen Länder und Europa können auf ein langjähriges Verhältnis zurückblicken. Die heutigen Beziehungen basieren auf einer stark belasteten Kolonialgeschichte, einem wichtigen kulturellen und kommerziellen Austausch und natürlich wirtschaftlichen und politischen Verbindungen. Außenpolitische Maßnahmen Europas richten sich nach wie vor darauf, ihren Platz in den Beziehungen zu den afrikanischen Ländern zu finden: Die koloniale Vergangenheit einiger EU-Mitglieder verursacht dabei gelegentlich zusätzliche Schwierigkeiten, während sie gleichzeitig auch der Ursprung privilegierter Beziehungen sein kann. Die europäischen Institutionen suchen nach einem Gleichgewicht zwischen ihrem Bestreben, demokratische Werte zu vermitteln, und wirtschaftlicher Expansion, jedoch nicht ohne Eigeninteresse, da die Union für 80% der öffentlichen Entwicklungshilfe für Afrika verantwortlich und dessen wichtigster Handelspartner ist. Der politische Dialog zwischen der EU und Afrika scheint sich also auf eine einseitige Verhandlung zu stützen, in der es oft zu Zusammenstößen mit nationalstaatlichen Interessen der afrikanischen Länder kommt.
Die wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zwischen der EU und Afrika können nicht auf einem Spender-Empfänger-Prinzip beruhen, darauf haben sich Jean-Claude Juncker und Paul Kagame, Präsident Ruandas und der Afrikanischen Union, geeinigt. Gegenseitige Investitionen in engere Beziehungen sind positiv und angesichts des enormen Wirtschaftswachstums Chinas sogar unerlässlich. Die neokolonialistische Logik hält dennoch in der öffentlichen Meinung beider Kontinente stand: Die Europäer*innen haben die Pflicht, ihre Denkweisen bezüglich der afrikanischen Länder sowie ihr Verständnis ihrer eigenen Überlegenheit zu überdenken und letztendlich das Beziehungsmodell neu zu erfinden.
Ein „neuer Bund“ mit heilsamer Wirkung?
Europa und Afrika haben viele gemeinsame Interessen, sei es eine vorteilhafte Wirtschaft und ein günstiges Geschäftsklima oder auch in Sicherheitsfragen. Der Präsident der Europäischen Kommission hat ein afrikanisch-europäisches Bündnis für nachhaltige Investitionen und Arbeitsplätze vorgeschlagen, mit dem Ziel, strategische Investitionen von Seiten Europas anzukurbeln und den Austausch zwischen den Handelspartnern zu stärken. Diese Projekte nutzen das Potenzial der African Continental Free Trade Area (AfCFTA), der geplanten Freihandelszone zwischen 44 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union, und scheinen eine neue Logik in diese Beziehung zu bringen. Die Schaffung dieser Freihandelszone soll die alten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ersetzen, die insbesondere vom afrikanischen Agrarsektor kritisiert werden. Ebenso setzt sich diese Allianz zum Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und in Bildung zu investieren: Die Europäische Union will bis zu 75 000 Studierenden und Akademiker*innen Zugang zum Erasmus-Programm verschaffen.
Dennoch muss hier mit Fürsorge gehandelt werden, so dass aus diesen Projekten keine neokolonialistischen Missstände oder Neuerfindungen entstehen. Die verschiedenen Ziele erinnern tatsächlich entfernt an die Initiativen Chinas, die Peking in einer Erklärung vorgestellt hat. Diese „neue Allianz“ zwischen der Europäischen Union und den afrikanischen Ländern scheint vorteilhaft zu sein. Die Europäer*innen scheinen einige der Fehler der Vergangenheit verstanden zu haben, insbesondere im Hinblick auf unausgewogene Wirtschaftsabkommen und ungleiche diplomatische Beziehungen. Dieses Engagement erscheint jedoch dürftig angesichts des angeschlagenen Erscheinungsbildes Europas in einigen afrikanischen Regionen und der aggressiven Politik Chinas.
Institutionelle Struktur ist unzureichend
Die EU-Afrika-Partnerschaft basiert auf einem formellen Dialog, der aus Treffen zwischen afrikanischen und europäischen Amtskolleg*innen besteht. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich alle drei Jahre auf den Gipfeltreffen der Afrikanischen Union und der EU, bei denen die politischen Orientierungen der Zusammenarbeit erörtert und definiert werden. Ebenso finden Ad-hoc-Treffen und parlamentarische Sitzungen sowie spezifische thematische Dialoge statt. Die institutionelle Struktur der Beziehungen ist allerdings durch die unzureichende Häufigkeit dieser Treffen gekennzeichnet. Damit sich die beiden Kontinente bei den zahlreichen Herausforderungen annähern, ist es daher notwendig, eine viel größere Regelmäßigkeit der Treffen zuzulassen.
Die Migrationsfrage: ein kontroverses Thema
Die Kontrolle der Migration aus afrikanischen Ländern ist in vielen europäischen Gesellschaften ein heißes Thema. Europäische und afrikanische Politiker*innen sind geteilter Meinung darüber, wie die Migrationspolitik gestaltet werden soll. Die europäischen Staats- und Regierungschefs würden gerne Rückführungsabkommen mit den afrikanischen Ländern innerhalb der neuen Cotonou-Abkommen abschließen. Die Diskussionen über diese Abkommen haben bereits begonnen. Die Europäische Union hat bereits angekündigt, der Migrationspolitik in künftigen Abkommen Vorrang einzuräumen, indem sie Hilfe und künftige Finanzinvestitionen für afrikanische Länder vorsieht. Diese paternalistische, ja sogar unterwerfende Position erinnert Afrika an brutalen Neokolonialismus.
Die Abkommen zwischen Europa und Afrika zeichnen sich durch eine ausgeprägte Ungleichheit der Machtverhältnisse aus, vor allem wegen der Abhängigkeit der afrikanischen Länder von Europa. Die Gesamtheit aller (finanziellen, technischen und politischen) Strukturen pflegt beziehungsweise schafft eine strukturelle Abhängigkeit vom Wirtschaftsplan. Wenn das von der Union vorgeschlagene „neue Bündnis“ sich nur teilweise von diesem Prozess befreit, wird der europäische Neokolonialismus nicht verschwinden können. Die Europäer*innen müssen sich die richtigen Fragen stellen: Ist unsere Präsenz in Afrika wirklich von Vorteil? Für uns natürlich schon! Doch für die afrikanischen Völker ...? In der Tat koppelt der Unilateralismus, der die Abkommen zwischen der EU und Afrika der letzten Jahrzehnte kennzeichnet, die Gewährung von Entwicklungshilfe an die Niederlassung europäischer Unternehmen. Die wirtschaftliche Expansion Europas kommt einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika jedoch nicht zugute. Wie können wir uns außerdem von unserer gemeinsamen Geschichte befreien, indem wir uns von diesem Neokolonialismus emanzipieren? Die Hauptschwierigkeit liegt in unserer Unfähigkeit, uns eine Welt ohne Herrscher*innen und Beherrschte vorzustellen, was in einem Spannungsverhältnis resultiert. Wir täten gut daran, den Völkern Afrikas mehr Aufmerksamkeit schenken, um die Wiederholung von Fehler zu vermeiden, sei es der Neokolonialismus, der auf die Kolonisierung durch europäische Staaten folgte, oder auch die Schwierigkeiten, die wir mit der Achtung des Grundsatzes der Nichteinmischung in afrikanischen Ländern haben.
Die Stärkung dieses Bewusstseins würde jedoch nicht für die Neuerfindung des Modells der Beziehungen zwischen Europa und Afrika ausreichen. Das Konzept des Neokolonialismus genügt nicht, um diese Herrschaft zu verstehen. Die afrikanischen Länder müssen sich in dieser unausgewogenen Beziehung ihrer Verantwortung bewusst werden, in der sie Wertsysteme, Denkmuster und Wirtschaftsmodelle bereitwillig annehmen. Es ist vielleicht an der Zeit, dass wir gemeinsam unsere sich überschneidenden Interessen verstehen und die Eliten den Beziehungen zwischen Europa und Afrika eine psychologische Dimension in Bezug auf die gegenseitige Wahrnehmung der Menschen auf beiden Kontinenten sowie eine soziale Dimension durch ein Bewusstsein für das Wohlergehen der afrikanischen Völker verleihen.
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