EU-Grenzgänger*innen: Von den Außengrenzen der EU

, von  Marie Menke

EU-Grenzgänger*innen: Von den Außengrenzen der EU
Die Karpaten liegen vor allem in Polen, der Slowakei, der Ukraine und Rumänien. Damit überwindet die Gebirgskette EU-Außengrenzen. Inna aus der Ukraine wurde beim Wandern dort die Präsenz der EU bewusst.
Fotoquelle: Flickr / Robert Anders / CC BY 2.0

Meinungen werden von geografischen Positionen beeinflusst. Je nachdem wo wir leben, diskutiert unser Umfeld über andere Themen und Kontexte. Je nachdem wo wir wohnen, sehnen wir uns nach anderen Veränderungen. Küste oder Landesinnere, Dürre oder Dauerregen, Bevölkerungsdichte und Landesgröße, all das sind Faktoren, die uns und unsere Sichtweise beeinflussen.

Jede geografische Position in Europa bringt ihre eigenen Spezifika mit sich: Die deutsche, dass Deutschland nur im Norden an das Meer grenzt und ausschließlich von EU-Mitgliedern umgeben ist. Die britische, dass Großbritannien vom Meer eingeschlossen ist und damit nur eine Landesgrenze hat: zwischen Nordirland und der Republik Irland. Die spanische, dass der afrikanische Kontinent viel näher als die meisten Länder Osteuropas ist, und die polnische, dass Russland viel näher als die iberische Halbinsel ist.

Wir reden viel und gerne über die Reisefreiheit, die die EU uns ermöglicht, und über den Schengen-Raum, innerhalb dessen wir Grenzen überqueren, ohne sie zu bemerken. Manchmal reden wir auch noch über die Eurozone, innerhalb derer wir mit einer einzigen Währung bezahlen können. Seltener reden wir über die Linien, an denen nicht nur der Schengen-Raum und die Eurozone, sondern auch die EU selbst enden. Die Europäische Union in ihrer Komplexität zu begreifen, ist nicht einfach, aber man kann versuchen, sich der europäischen Idee zu nähern - zum Beispiel dort, wo sie zumindest auf der Weltkarte endet: an den Außengrenzen der EU.

Europa kennt verschiedene Grenzen: zum einen EU-Innengrenzen, beispielsweise zwischen Deutschland und den Niederlanden, und zum anderen EU-Außengrenzen, zum Beispiel zwischen Polen und der Ukraine. Das Mittelmeer und der Bosporus in der Türkei zählen zu den Grenzen Europas als Kontinent, dazu kommen die Grenzen des Schengen-Raums, in dem wir uns ohne Grenzkontrollen bewegen können, und der Eurozone, in der mit dem Euro gezahlt wird. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, aber es handelt sich bei ihr um Räume in Europa, die bestimmte Länder ein- und andere ausschließen.

Grenzen können sich jedoch verschieben: Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Erweiterungen der EU. Erstmals traten mit Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich 1973 gleich drei Länder der EU bei, zuletzt wurde 2013 Kroatien EU-Mitglied. Mit jeder EU-Erweiterung verändert sich auch etwas für nicht direkt involvierte Drittstaaten: Sie werden zu EU-Nachbarn. Teile der Außengrenzen der Ukraine wurden beispielsweise erst 2004 zu EU-Außengrenzen, als Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien der EU beitraten.

Damit sind Grenzen zwar veränderlich und verschiebbar, aber sie sind da. Mit ihrer Präsenz bestimmen sie Konkretes, zum Beispiel welche Länder in die EU zahlen und zugleich von ihrem Geld profitieren, aber sie prägen auch unbewusst unser Denken: Auf der einen Seite einer Grenze müssen die Dinge anders sein als auf der anderen, das klingt zuerst einmal selbstverständlich. Über die Außengrenzen der EU haben wir mit jungen Menschen, die auf beiden Seiten von ihnen leben, gesprochen.

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Wenn Jasna und Arnisa aus dem Balkan erzählen, geht es um offene und geschlossene Grenzen, um Privilegien und um die Frage, wer frei reisen darf, wer ein Visum braucht und wer gar nicht reisen darf. Wenn Jenna und Grace von der irischen Insel erzählen, geht es nicht zuletzt um den Brexit. Wenn Juuso erzählt, auch um die Wehrpflicht, und wenn Gonzalo erzählt, auch um Asylpolitik. An diesen Außengrenzen der EU spiegeln sich einige der wichtigsten, aktuellen Diskussionen in Europa wieder.

Anspruch auf Vollständigkeit haben diese Perspektiven nicht. Es gibt unzählig viele weitere persönliche Geschichten, die von den Außengrenzen der EU handeln - oder von den Grenzen, an denen in unseren Köpfen Europa endet. Ob so lang wie die Außengrenze zwischen Finnland und Russland oder so kurz wie die Außengrenze zwischen der Slowakei und der Ukraine, ob Mittelmeer oder Land, Grenzen sind unterschiedlich. In vielen Punkten bewegen aber Amine aus Marokko und Inna aus der Ukraine ähnliches, ebenso wie Arnisa im Kosovo und Jhon in der Türkei oder Lidia aus Polen und Gonzalo aus Spanien. Ihre Sichtweisen verbinden sie trotz der geografischen Distanz zwischen ihnen.

Hinter den Geschichten

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