Euro 2016: Im Fußball ist die EU nicht Schiedsrichter

, von  Geoffrey Lopes, übersetzt von Gesine Weber

Euro 2016: Im Fußball ist die EU nicht Schiedsrichter
Prächtige Stimmung im Pariser Stade de France beim EM-Gruppenspiel Deutschland gegen Polen. © George M. Groutas / Flickr / CC BY 2.0-Lizenz

Sport symbolisiert und prägt Europa. Nationalmannschaften, Clubs, Fans und leider auch Hooligans reisen über Landesgrenzen hinweg zu internationalen Turnieren wie der Europameisterschaft, der Champions League oder Europa League. Sie haben sich längs eines erweiterten europäischen Raums bemächtigt, ohne dass die europäischen Institutionen diesen Raum politisieren.

„Was ich von Moral weiß, ist, dass ich sie dem Fußball verdanke“, erzählte Albert Camus, selbst Torwart in seiner Jugend in Algerien. Die europäischen Institutionen hingegen wissen nicht viel über den Sport. Ihr Interesse daran ist eher erzwungen: Die Professionalisierung, die exzessive Berichterstattung über Sportereignisse in den Medien und die steigende Zahl von Finanzskandalen rücken insbesondere den Fußball in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Doch eine gemeinsame europäische Sportpolitik existiert bis dato nicht. Angelegenheiten des Sports liegen weiter in der Hand der Mitgliedsstaaten und werden insbesondere durch mächtige Verbände geprägt - allen voran die UEFA, deren Ex-Präsident Platini wegen Korruptionsvorwürfen suspendiert wurde.

Seit dem Lissabon-Vertrag von 2009 ist Sport jedoch tatsächlich Teil der gemeinsamen EU-Rechtsakte: „Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion.“ Aber genau wie in der Bildungspolitik lädt die Union die Mitgliedsstaaten zu einem Verhalten ein oder spricht Empfehlungen aus, ohne Gesetze erlassen zu können. Die Europäische Union besitzt keinerlei Kompetenz in diesem Bereich und kann in keimen Fall die nationalen Funktionsweisen harmonisieren.

Dennoch hat der Vertrag von Lissabon den europäischen Institutionen ermöglicht, den Ball aufzunehmen. Erasmus+ wurde für den Sport geöffnet. Somit teilt die der Förderung von Amateursport, dem Kampf gegen Diskriminierung, sowie der grenzüberschreitenden Mobilität junger Sportler Kommission jedes Jahr eine Summe von 270 Millionen Euro zu. Das Europäische Parlament seinerseits steuert ein europäisches Netzwerk gegen Doping und bleibt wachsam bezüglich der Korruption bei Sportwettgeschäften.

Trotzdem verpasst die Union den Abschluss und erweist sich vor dem Tor als ineffizient: Die gesetzgebenden Institutionen der EU verstecken sich zur Unterstützung des Sports hinter warmen Worten. In einer zusätzlichen Erklärung zum Vertrag von Amsterdam im Jahr 1997 unterstreicht die Union „die soziale Wichtigkeit des Sports, der Menschen verbindet“. Zwei Jahre später bedauert sie in einem Bericht „die Entwicklung von kommerziellen Denkweisen zum Nachteil der sportlichen, eine Tendenz großer Vereine, sich untereinander zum Nachteil der nationalen Verbände, den Garanten von Gerechtigkeit im Sport, zu organisieren, sowie Unterschiede in der Steuergesetzgebung, welche Ungleichheiten zwischen den Vereinen schaffen“. Dementsprechend stellt sie mehrere Vorschläge vor, deren Ziel sein soll, „die wirtschaftliche Dimension des Sports mit seinen populären, erzieherischen, sozialen und kulturellen Dimensionen in Einklang zu bringen“. Zumindest haben Parlament und Kommission die Herausforderungen erkannt, die der Sport europaweit mit sich bringt, doch zur Durchsetzung von Politikansätzen sind sie nicht imstande.

Der Gerichtshof der Europäischen Union verkriecht sich dagegen nicht auf die Reservebank. Oft landet er den entscheidenden Treffer. Mit der Bosmann-Entscheidung im Jahr 1995 stellte er klar, dass auch der Fußball seiner Kompetenz unterworfen ist. Indem er die Regel der UEFA kippte, wonach die Zahl von Spielern aus anderen EU-Ländern auf drei pro Team begrenzt worden war, betonte der Gerichtshof die Eigenschaft des Sports als vollwertige wirtschaftliche Aktivität.

Doch in größerem Umfang wollen die ängstlichen Institutionen den Sport nicht zu einem vergemeinschafteten Politikfeld machen. Die EU wird also auf jeden Fall nicht der zwölfte Mann auf dem Platz. „Es gibt keine Bestrebungen von keiner Seite der europäischen Exekutive, den Sport zu einem Teil der EU zu machen“, erklärt David Ranc, Professor für Sport an der Management-Hochschule ESSCA. „Manche Mitgliedsstaaten sehen den Sport als kulturelles Element, andere als wirtschaftliche Möglichkeit.“ Die EU kann es sich scheinbar nicht erlauben, den aktuellen heiklen Ungleichgewichten noch mehr tiefgreifende Unstimmigkeiten hinzuzufügen.

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