Die rechtskonservativen Parteien um die britischen Torys und die polnische PiS konnten sich im Jahresverlauf 2017 moderat von neun auf zehn Prozent Wähleranteil europaweit steigern. Besonders in Meinungsumfragen erfolgreich ist die aktuelle polnische Regierungspartei von Ministerpräsident Morawiecki.
Polen: Mateusz Morawiecki
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Mateusz Morawiecki ist seit dem 11. Dezember 2017 neuer Ministerpräsident Polens. Beobachter sehen in ihm eine Marionette des ehemaligen Regierungschefs Jarosław Kaczyński. Für den Fall, dass sich Morawiecki von seinem politischen Ziehvater lossagen sollte, könnte er zum neuen Poster-Boy der europäischen Konservativen werden. Ausgeschlossen ist dies nicht, nähert sich Kaczyński doch seinem 70. Geburtstag. Für ihn wird es bald Zeit sein, das Zepter der Macht aus der Hand zu geben. Morawiecki kennt die Europäische Union und ihre Beziehungen zu Polen wie kaum ein anderer. An der Universität Hamburg studierte er von 1995 bis 1997 Europäisches Recht und Wirtschaftsintegration. Im Anschluss daran machte er seinen Abschluss in European Studies im schweizerischen Basel. Der neue Regierungschef kennt also die Brüsseler Spielregeln nur zu gut. Ihm kam eine zentrale Rolle bei den Beitrittsverhandlungen Polens mit der EU zu. Die Financial Times spekulierte Anfang Dezember, dass Morawiecki daher die Beziehungen seines Landes zur Europäischen Union verbessern könnte. Unter seiner Vorgängerin Beata Szydło war es zunehmend zu Spannungen zwischen Warschau und Brüssel gekommen.
Irland: Gerry Adams
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Gerry Adams war und ist eine Ikone der irischen Linken. Über 50 Jahre war er politisch aktiv. Nach 34 Jahren an der Spitze der irischen Sinn Féin gab Adams nun am 18. November 2017 in Dublin vor bewegten Anhängern seinen Rückzug für 2018 bekannt. Im Brexit-Referendum 2016 sprach sich Adams für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union aus. Dies war insbesondere deshalb bedeutsam, weil Adams‘ Sinn Féin nicht nur in Irland, sondern auch im nordirischen Teil Großbritanniens aktiv ist. Andere Linksparteien wie „People Before Profit“ unterstützten in dieser Zeit die Leave-Kampagne. Unter Adams unterzeichnete Sinn Fein 1998 das Friedensabkommen zwischen Katholiken und Protestanten. Adams war damit Teil derer, die dem blutigen Konflikt auf der Insel ein Ende bereiteten. Das Friedensabkommen könnte durch die Brexit-Entscheidung in Gefahr geraten. Auch deshalb unterstützt der Sinn Fein-Führer ein Referendum für die Wiedervereinigung von Irland und Nordirland im Falle eines „harten Brexits“. Eine Mehrheit der Nordiren würde sich im Falle der Wiedereinführung von Grenzkontrollen und Zollbarrieren eine irische Wiedervereinigung wünschen. Adams wird nach Einschätzung von POLITICO Europe bei der Auswahl seiner Nachfolgerin eine bedeutsame Rolle spielen und deshalb auch 2018 die politischen Geschicke auf der westeuropäischen Insel beeinflussen. Die Wahlsiegerin der nordirischen Parlamentswahl 2017 Michelle O’Neill hat die Kandidatur für das Amt an der Parteispitze bereits ausgeschlossen. O’Neill führt die nordirische Sektion von Sinn Fein und kämpft entschieden gegen den Austritt Nordirlands aus der Europäischen Union.
Außerhalb der Europäischen Union konnten die Linken bei der isländischen Parlamentswahl am 28. Oktober 2017 mit Katrín Jakobsdóttir an der Spitze einen historischen Wahlsieg erringen, der den Linken und Jakobsdóttir in Island erstmals den Posten der Ministerpräsidentin einbrachte. Europaweit stehen die Linksparteien bei durchschnittlich 8,5 Prozent (Januar 2017: 7,5 Prozent).
Deutschland: Alice Weidel
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Die euroskeptischen Parteien der EFDD-Gruppe konnten im Jahresverlauf von durchschnittlich vier auf heute fast acht Prozent europaweit zulegen. Eine Frau sticht dabei besonders hervor. Zielstrebig, bestimmt und eiskalt hat sie sich 2017 in der Parteienhierarchie hochgearbeitet. Alice Weidel war 2016 den wenigsten Wählern in Deutschland, geschweige denn Europa, bekannt. Dann wurde sie Spitzenkandidatin der euroskeptischen Alternative für Deutschland für die Bundestagswahl. Seitdem hat sie den Kurs der Partei deutlich beeinflussen können. Nach einem Wahlkampf, in dem die Partei insbesondere um Wähler am extrem rechten Rand warb, verließ die damalige Parteiführerin Frauke Petry die Partei. Petry war der im Wahlkampf zelebrierte Rechtsrutsch zuwider. Ihr Rückzug kann daher als Sieg der Newcomerin Weidel gewertet werden. Weidel hat sich insbesondere durch eine ausländerfeindliche Asylpolitik und die Kritik am Euro bei Pro-Europäern unbeliebt gemacht. Eine Krankenversicherung für Asylbewerber in Deutschland lehnt sie ab. Die Zeitung „Die Welt“ beschreibt gar als „die Zukunft der AfD, die neue Petry. Charismatisch, gutaussehend, intelligent, rhetorisch begabt und anscheinend bereit, für die Macht Prinzipien zu opfern.“
Armenien: Edmon Marukyan
Edmon Marukyan ist in Europa weitgehend unbekannt. Dabei ist der 36-jährige Armenier in seinem Heimatland bereits seit 2001 politisch aktiv. Arbeitete Marukyan zunächst in verschiedenen Menschenrechtsorganisationen, wechselte er 2012 in die Politik. In einem Haustürenwahlkampf schlug Marukyan die Kandidaten der etablierten Parteien in seinem Parlamentswahlkreis 2012. Daraufhin wurde er unter dem Label „Lichtblick“ landesweit bekannt. Am 2. April 2017 stand dann seine liberale Partei „Auswegs-Allianz“ landesweit zur Wahl für das Nationalparlament und erhielt aus dem Stand 7,8 Prozent der Stimmen. Ein ähnlicher Erfolg wiederholte sich bei der Bürgermeisterwahl in der Hauptstadt Erevan gut einen Monat später. Hier erhielt der Lichtblick aus dem Stand 21 Prozent der Stimmen. Dieser historische Wahlsieg für eine liberale Partei in dem Kaukasus-Land wurde in europäischen Medien kaum beachtet. Dabei will Marukyan die Bindung seines Landes mit West- und Zentraleuropa stärken und Armenien in die Europäische Union führen. Keine andere große Partei in Armenien wirbt so offensiv mit der Westbindung, ist Armenien militärisch und ökonomisch auch abhängig von Moskau. Marukyans Partei wirbt für den Austritt aus der Eurasischen Union, einem Wirtschaftsbündnis zwischen Russland und anderen osteuropäischen und zentralasiatischen Autokratien.
Tschechien: Tomio Okamura
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Tomio Okamuras Vater ist selbst Ausländer in Europa. Dennoch setzt sich der heute 45-Jährige für höhere Migrationshürden auf dem Kontinent ein und arbeitet dabei eng mit Marine Le Pen aus Frankreich zusammen. Damit konnte er in Tschechien bei der Parlamentswahl im Oktober 2017 mit seiner Partei SPD vor allem in ländlichen Regionen und bei Jungwählern punkten. Landesweit wurde seine Partei aus dem Stand heraus viertstärkste Kraft. Okamura sticht unter den Le-Pen-Verbündeten hervor: Im Durchschnitt halbierten sich die Le-Pen-Partner im Jahresverlauf 2017 in der Wählergunst. Okamura setzte hier mit einem erfolgreichen nationalen Wahlkampf einen Kontrapunkt. Der in Tokio geborene Okamura arbeite in Japan als Müllsammler und Popcornverkäufer, bevor er im Tourismusbereich und als Autor in Europa zu arbeiten begann. 2012 wechselte Okamura dann in die Politik und gründete die heute bedeutungslose Partei Úsvit und im Mai 2015 die SPD. Trotz des Brexit-Chaos will seine Partei ein Referendum über die Mitgliedschaft Tschechiens in der Europäischen Union.
Die Parteien der Fraktionsgemeinschaft aus Grünen, Piraten und Separatisten sind mit rund vier Prozent auch 2017 weiter extrem schwach. Der Grüne Niederländer Jesse Klaver und der Spitzenkandidat der Piraten bei der tschechischen Parlamentswahl Ivan Bartoš konnten mit historisch guten Wahlergebnissen 2017 aber zeigen, dass auch grüne Parteien in Europa bei den Wählern noch punkten können.
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