Europawahl: Russland und Fake News stehen auf dem Prüfstand

, von  Cédric Cousseau, übersetzt von Niclas Hüttemann

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Europawahl: Russland und Fake News stehen auf dem Prüfstand
Pressekonferenz von Kommissarin Mariya Gabriel und Madeleine de Cock Buning, Vorsitzende der Expertengruppe zu Fake News Und Online-Desinformation, März 2018. © European Union, 2019 - Source: EC - Service Audiovisuel - Photo: Lukasz Kobus

Um Eingriffen in den Wahlkampf für die Wahlen des Europäischen Parlaments im Mai 2019 entgegenzuwirken, stärkt die Europäische Kommission ihren Kampf gegen die Verbreitung von Fake News. Dafür sollen mehrere Millionen Euro in dieses Vorhaben investiert und ein besonderer Fokus auf Internet-Plattformen gelegt werden. Momentan stehen jedoch noch keine genaueren Maßnahmen fest.

„Die noch nie da gewesene Situation, in der wir leben, ist so beunruhigend, sodass wir erhebliche Ressourcen investieren werden, um sicherzustellen, dass die Wahlen im Mai 2019 ohne jegliche Manipulation der Bürger und Bürgerinnen stattfinden können.“ In dem Telefongespräch versteckt der Sprecher der Vertretung der Europäischen Kommission in Frankreich, Guillaume Roty, seine Bedenken bezüglich der anstehenden Wahlen nicht; die Europawahl wird die MdEP, und letztendlich und indirekt auch die Kommissionsmitglieder und deren Kabinette erneuern.

Im Gespräch deutet Roty weiterhin an, dass „alle Beweise darauf hindeuten, dass Falschinformationen aus Russland kommen.“ Vor dem Hintergrund dieser Bedrohung baut die Europäische Kommission ihren „Anti-Fake-News-Schild" auf. Die Kommission zieht dabei den Begriff „Desinformation“ vor, welchen sie als die absichtlich falsche Verbreitung von überprüfbaren Informationen im Kontext einer bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Agenda versteht.

Gewappnet mit einer Budgeterhöhung leitet der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) die Untersuchungen, um Desinformationen zu erkennen. Dafür wurde das Budget vor Kurzem mehr als verdoppelt. Während im Jahr 2018 noch 1,9 Mio. Euro zur Verfügung standen, konnte der EEAS 2019 mit ungefähr 5 Mio . Euro haushalten. Dieser Ruf zu den Waffen beinhaltet auch eine Rekrutierung von russisch- und ukrainischsprachigem Personal.

Die Europäische Kommission weiß, dass sie keine guten Chancen hat. Brüssel schätzt, dass Moskau jährlich 1 Mrd. Euro in Pro-Kreml Medien investiert. Zudem ist es kein Geheimnis, dass ein paar Tausend Euro mehr als genug sind, um russische Fake News Agenturen und „troll factories“ zum Laufen zu bringen. Laut Andrus Ansip, Vizepräsident der Europäischen Kommission, sind „Fehlinformationen Teil von Russlands Militärdoktrin und Strategie, den Westen zu teilen und zu schwächen.“

Google, Facebook und Twitter haben sich dafür ausgesprochen, einem Verhaltenskodex zu folgen

Eine effiziente Antwort würde eine bessere Koordination zwischen Mitgliedsstaaten verlangen. Tatsächlich erwarten wir die Erstellung eines „Frühwarnsystems“, das im Mai eingeführt werden soll und Desinformationskampagnen identifiziert und meldet. Eine andere herausfordernde Strategie besteht daraus, Bürger und Bürgerinnen auf falsche Informationen aufmerksam zu machen. Diese Aufgabe wird durch Veranstaltungen, wie zum Beispiel die European Media Literacy-Woche im März jeden Jahres oder eine extra dafür eingerichtete Website „EU vs Disinfo.“

Guillaume Roty erklärt, dass „das Hauptziel darin besteht, einen Verhaltenskodex zu etablieren, durch den Plattformen ihren Verpflichtungen nachkommen müssen.“ Denn, Google, Facebook und Twitter haben alle verschiedene und unverbindliche Standards. Es liegt an ihnen, die notwendigen Schritte einzuleiten, um Fake Accounts und Bots und Probleme mit Internetnutzern, die Werbung finanzieren, anzugehen und vielleicht sogar das Business-Modell von Webseiten, die aus Desinformation Gewinn ziehen, zu verhindern.

Die Kommission möchte sich einen Überblick davon machen, inwiefern die Plattformen sich darauf einlassen, denn sie hat die YouTube Kampagne, in der Stars falsche Informationen teilten, die Artikel 13 der EU Urheberrechtsrichtlinie attackierte , nicht vergessen. Guillaume Roty sagte hinsichtlich dieses Vorfalls, dass „es nötig ist, zu klären, wo diese Meldungen herkamen.“ Schlussendlich bleiben zwei Fragen zu klären, nämlich ob diese Plattformen sich an die Regeln halten, und ob sich lediglich an die Regeln zu halten ausreichend ist. Im Falle eines Regelbruchs spricht sich Guillaume Roty für eine Androhung von rechtlichen Konsequenzen aus.

Seit den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 steht Facebook ebenso im Fokus der Kommission. Die Wahlen waren geprägt von Vermutungen über russische Einwirkung, die durch den Kauf von bestimmter Werbung und Medien das Ziel verfolgte, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Spannungen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zu verstärken. Mark Zuckerberg, Vorsitzender von Facebook, veröffentlichte ein Op-Ed, in dem er versuchte, sein Geschäftsmodell zu erläutern. Der Artikel wurde Ende Januar von mehreren europäischen Zeitungen veröffentlicht. Er schreibt, dass „eine häufige Frage sei, ob wir schädliche und polarisierende Inhalte deshalb nicht entfernen, weil diese Inhalte Interesse ankurbeln. Das tun wir nicht.“ Er gab auch zu, dass „der einzige Grund, wieso schlechte Inhalte erhalten bleiben, ist, dass Menschen und künstliche Intelligenz, die Inhalte überprüfen, nicht perfekt sind – nicht, weil wir einen Anreiz hätten, diese zu ignorieren. Unsere Systeme befinden sich unter einer stetigen Entwicklung und Verbesserung.“

Kandidaten, die nicht vom Anti-Fake-Radar erwischt werden

Die Antwort der Europäischen Kommission kommt als Reaktion auf das Gebot des Europäischen Parlaments im Januar 2018, in welchem es die Kommission dazu auffordert, angesichts der russischen Propaganda, die Ärmel hochzukrempeln. MdEPs denunzierten den Anstieg von „Informationsleaks, Desinformation und Desinformationskampagnen“ seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine. Sie unterstrichen auch, dass „Russland sich in den Brexit und die jüngsten Wahlen in Frankreich, Deutschland und Spanien einmische.“

In Frankreich verurteilen die Anti-Fake-News-Gesetze von Emmanuel Macron die „verlogene Propaganda,“ die während den Wochen vor seiner Wahl in den russischen Medien wie Sputnik und RT präsent waren. Hinsichtlich zukünftiger Wahlkampagnen wurden Richter und der Hoher Rat für audiovisuelle Medien (CSA) mit der Kompetenz ausgestattet, Sanktionen zu verhängen. Diese beiden Akteure können ihre Kompetenzen ausüben, wenn bestimmte Plattformen und Medien Fake News verbreiten, die „einen negativen Effekt auf die öffentliche Ordnung und die Transparenz bei Wahlen“ haben könnten. Das erste Mal, dass dieses Gesetz Anwendung finden könnte, wäre bei den Europäischen Wahlen im Mai.

Diese Regelungen – ob europäisch oder französisch – können jedoch auch Publikationen einschränken, die ausschließlich satirisch oder ehrliche Meinungen sind. Zudem wird es Probleme bereiten, wenn politische Kandidaten falsche Informationen in ihren Reden oder ihren sozialen Medien einbauen. Ihre Unterstützer werden diese Informationen über das Web und durch endlose Ketten-E-mails verbreiten, ohne dass sich um diese Angelegenheit gekümmert wird. Und in der Tat befassen sich Gesetze nicht mit solchen Fragen, solange die Fehlinformation keine schwerwiegenden Verstöße wie Beleidigung, Diffamierung, Volksverhetzung oder Terror-Propaganda beinhalten.

Die sogenannten „Big Four" Technologieunternehmen verhängen die oben genannten Restriktionen ebenfalls. In ihren Nutzungsbedingungen verbieten Google, Amazon, Facebook und Apple alle Arten von gewalttätigen und hasserfüllten Inhalten.

Laut einer Umfrage des Eurobarometers, sagen 37% der Teilnehmer, dass sie fast täglich Fake News sehen oder lesen. Acht von zehn Europäer und Europäerinnen glauben, dass diese Art von Inhalt eine Gefahr für die heutige Demokratie darstellt.

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