Europawahlen bestimmen nationale Kommissare: Nicht zuhause nachmachen!

, von  Juuso Järviniemi, übersetzt von Theresa Bachmann

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Europawahlen bestimmen nationale Kommissare: Nicht zuhause nachmachen!

Mit den in weniger als einem Jahr bevorstehenden Europawahlen, ist derzeit Hochsaison für Ideen, wie den Wahlen Auftrieb verschafft werden kann. Viele Ideen, unter denen das erfolgreiche Spitzenkandidaten-System das meist zitierte ist, sind bereits eingebracht worden, um den Hauptunterschied zwischen Europawahlen und allen anderen uns vertrauten Wahlen anzugehen. Insbesondere der Umstand, dass die Wählerstimmen in Europawahlen nicht eindeutig die Zusammensetzung der Exekutive festlegen, d.h. der Kommission.

Im Rahmen der von der Europäischen Bewegung Finnlands am 25. Mai organisierten Diskussion „Ein Jahr bis zu den Europawahlen“, wurden die MEP’s Liisa Jaakonsaari (S&D), Pirkko Ruohonen-Lerner (ECR) and Heidi Hautala (Greens/EFA) neben anderen Rednern darum gebeten, zu den Spitzenkandidaten Stellung zu nehmen. Der Frage, wie ihre nationalen Parteien ihre respektiven europäischen Spitzenkandidaten unterstützen werden, wich dabei jeder der Redner geschickt aus. Nichtsdestotrotz stellte Heidi Hautala eine weitere interessante Idee vor: Europawahlen, in denen der finnische Kommissar bestimmt wird. Die in den Wahlen bestplatzierte Partei würde also ihren bevorzugten Kommissar durchsetzen können.

Wiederbelebung der Wahlen

Die Idee begeisterte mich zunächst und ich teilte sie auf Twitter. Der offensichtliche Vorteil würde darin bestehen, dass Europawahlen mit neuer Spannung und Energie geimpft werden würden. Die Wahlen würden für Parteien wesentlich bedeutender werden. Die Kommissare würden im Normalfall relativ abgeschirmt sein von medialer Überwachung, aber den Kommissar zu stellen, würde mit großem Prestige für jede Partei einhergehen.

Die Menschen würden eine klare Wahl zwischen verschiedenen Alternativen haben und ihre Stimme würde mehr zählen den je zuvor. Wenn jeder Kommissar so direkt gewählt würde wie ein Regierungschef, würde es sehr viel schwerer werden zu argumentieren, Wählerstimmen zählten nichts in der EU. Man könnte ebenso antizipieren, dass diese Kombination eine höhere Wahlbeteiligung schaffen würde als die bislang erzielte.

Aber so arbeitet die Kommission nicht

Trotz der guten Seiten, wird bei weiterem Nachdenken das Problematische an der Idee ersichtlich. Ein Punkt bezieht sich auf die Anwendbarkeit dieser Idee auf Länder außerhalb Finnlands. Außerdem impliziert der Vorschlag fälschlicherweise, dass die Kommission vielmehr ein Kollektiv aus 28 Repräsentanten ihrer Heimatländer ist als ein Gremium, das im allgemeinen europäischen Interesse handelt.

Im Sinne von Heidi Hautala ist anzumerken, dass sich der Vorschlag insbesondere auf die Wahlen in Finnland bezog. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die in den Wahlen 2019 siegreiche Partei in Finnland eine andere als eine der EPP – S&D – ALDE „großen Koalition“ sein wird, die traditionell die große Mehrheit der Kommission ausmacht. Insofern würde die finnische Wählerschlaft einen Kommissar entsenden, der sowieso in das 28-köpfige (ja, 28!) Kabinett passen würde.

Die Befürworter der Idee anderswo sollten jedoch zunächst einmal ihre nationalen politischen Umstände überprüfen. Wenn der französische Kommissar vom Front National, der Britische von der UKIP oder vielleicht der Italienische von der Lega kämen, würden wir alle raue Zeiten durchleben. Die Kommission nimmt Entscheidungen als Kollektiv an und muss – wie jedes Kabinett in den Mitgliedsstaaten – ideologisch geschlossen sein, um Zusammenarbeit zu ermöglichen. Würde in einigen Ländern moderate Parteien die Wahlen gewinnen und in anderen eine radikale, so wäre die Kommission zu tiefen internen Spannungen verdammt.

Außerdem ist fraglich, ob grenzwertige faschistische Kommissare über einen längeren Zeitraum hinweg das Vertrauen des Parlaments genießen würden. Eine unter diesen Umständen ernannte Kommission würde vielmehr mit Verwirrung und einem Misstrauensvotum des Parlaments rechnen müssen. Andererseits würde ein solches Misstrauensvotum die Öffentlichkeit daran erinnern, dass die Kommissare dem Europäischen Parlament verantwortlich sind!

Ein weiterer Punkt steht im Zusammenhang mit der Natur der Kommission. Selbst wenn die Kommission ideologisch kohäsiv verbleiben würde, missversteht der Vorschlag das Gremium als verabscheuenswürdige Verschmelzung von 28 Nationalitäten denn als eine europäische Exekutive. Europa wird 2019 nicht 28 Wahlen für 28 verschiedene Parlamente erleben, sondern eine EU-weite Wahl. Die Gewählten werden alle in derselben Vollversammlung sitzen, nicht in 28 verschiedenen. Dies muss sich in der Zusammensetzung der Kommission wiederspiegeln. Ein falsches Verständnis der Wahlen wäre ein ebenso großes Problem wie Kommissare, die die kurzfristigen, unmittelbaren Interessen ihrer Heimatländer vertreten würden, während sie hinter einem mit der EU-Flagge geschmückten Podium stehen.

Warum nicht stattdessen einen Blick auf das Parlament werfen?

Auf den ersten Blick scheint es eine gute Idee zu sein, die Wähler auf nationaler Ebene über ihre Kommissare entscheiden zu lassen, aber letztlich ist die Idee problematisch und sogar potenziell gefährlich. Glücklicherweise gibt es bessere Alternativen. So könnten die Kommissare beispielsweise aus den Reihen der neugewählten MEP’s ausgewählt werden. Die Menschen könnten ihrem Kommissar für Gesundheit immer noch das gleiche demokratische Mandat geben wie ihren nationalen Gesundheitsministern. Gleichzeitig wären die oben aufgeführten Probleme gelöst, da der kommende Kommissionspräsident in Bezug auf seine künftigen Teammitglieder mehr zu sagen hätte, die darüber hinaus dezidierter dem europäischen Interesse dienen würden.

Am Ende des Tages ist die Kommission nicht direkt den Menschen gegenüber verantwortlich, sondern dem Europäischen Parlament. Dies unterscheidet sich nicht von dem, wie die Dinge innerhalb der Mitgliedsstaaten funktionieren. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoller, den Weg zu neuer Energie und Engagement für Europawahlen über den „hemicycle“, sozusagen den Halbkreis, nicht über die Volksversammlung zu gehen.

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