Euroskepsis als Chance zum gemeinsamen Wiedererstarken

, von  Tobias Kreutzer

Euroskepsis als Chance zum gemeinsamen Wiedererstarken
Rechtsextreme Parteien in Europa holen zur Zeit bei Umfragen und Wahlen Rekordwerte ein. Foto: © Andreas Issleib: „Sticker gegen Rechtspopulismus“, https://www.flickr.com/photos/a-issleib/7942315516/. Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

„Für unsere Familien gibt’s mehr Geld, statt Zuwanderung aus aller Welt“, rappt Heinz Christian Strache in seinem mittlerweile fünften Wahlkampf-Song, diesmal zu den Wahlen in Österreich 2013. Der Mann mit Lederjacke, Sonnenbrille und einem, für das Rappen recht unvorteilhaften österreichischen Akzent gehört der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) an. Kaum zu glauben, dass diese bei der Parlamentswahl über 20 Prozent der Stimmen geholt hat. Strache ist nur das bizarrste und sichtbarste Zeichen einer neuen Euroskepsis und eines massiven Zugewinns der Rechtspopulisten innerhalb der EU-Staaten. Richtig deutlich wird dies im Mai kommenden Jahres werden – dann stehen die Europawahlen an.

Liberalismus oder Populismus?

Bernd Lucke wäre gerne Vorsitzender einer liberalen Partei, einer, den die Leute offensichtlich in der FDP nicht mehr finden konnte. Drängt man seine Alternative für Deutschland (AfD) an den rechten Rand, legt er großen Wert darauf, diesen Irrtum richtig zu stellen. Die AfD ist gegen den Euro und will Ausländer auf ihre Qualifikationen testen, bevor sie sie einwandern lässt. Rechts sei sie deshalb noch lange nicht.

Nach beinahe fünf Prozent für die AfD bei der Bundestagswahl, erklärte die rechtspopulistische Partei „Die Freiheit“, ihre Wahlkampfbemühungen zugunsten der AfD einzustellen. Deren Inhalte stimmten „zu mindestens 90 Prozent“ mit den eigenen überein, hieß es in einer Mitteilung. Ein kurzer Blick in das Parteiprogramm, welches größtenteils AfD-Standpunkte enthalten soll, liest sich so: Sofortiger Zuwanderungsstopp, Austritt aus dem Euro, das Einstellen jeder weiteren Form von Euro-Rettungsschirmen. Außerdem sollen alle in Deutschland aktiven islamischen Vereine auf gefährliche politische Tendenzen überprüft werden. „Die Freiheit“ ist eine Partei, wie sie rechtspopulistischer und gefährlicher kaum sein kann. Ihr Verzicht auf Stimmen zugunsten des großen Bruders im Mainstream ist bedenklich.

Die EU als Unterdrücker

Ein weiteres Warnsignal für die EU kam aus Frankreich. Bei einer Kantonalwahl im Süden des Landes erhielt die rechtsextreme Front National unter der Führung von Marine Le Pen unglaubliche 40 Prozent. Insgesamt konnten rechte Parteien sogar über die Hälfte aller Stimmen auf sich vereinen. Erst im Juni hatte das Europäische Parlament Le Pens Immunität aufgehoben, ihr droht eine Anklage wegen Aufstachelung zum Hass. Der Grund: Vor Parteianhängern hatte sie die Anwesenheit öffentlich betender Muslime mit der Besatzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland verglichen. Das positive Ergebnis bei der Kantonalwahl und die guten Umfragewerte sieht man in der Partei als Zustimmung zur Kritik an der „ultraliberalen Europäischen Union“, welche Frankreich unterdrücke. Bei der Europawahl könnte die Front National laut Umfragen die stärkste Kraft in Frankreich werden.

Euroskeptiker im EU-Parlament – Die Chance zum Dialog

Laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Fünf-Prozent-Hürde, die bei den Bundestagswahlen in Deutschland der AfD zum Verhängnis wurde, auf europäischer Ebene verfassungswidrig. Damit kann die Partei auf einen Einzug in das Europäische Parlament nach der Wahl im kommenden Jahr hoffen. Das aus krisengebeutelten Ländern wie Italien, Spanien und Griechenland ebenfalls keine positiven Signale in Richtung EU bei der Abstimmung zu erwarten sind, steht wohl außer Frage. Die Folge wird ein erhöhter Stimmenanteil für Konservative und EU-Skeptiker im Europäischen Parlament sein. Bereits jetzt verfügt die Europapartei „Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten“, die dem rechten Lager zuzuordnen ist, über 50 Sitze. Fraglich ist, ob es den Euro- und Europaskeptikern gelingen wird, ihre Kritik im Parlament sachlich zu äußern, ja womöglich sogar zu Lösungen für bestehende Probleme beizutragen. Eine ernsthafte Option zur Europäischen Union gibt es nicht und auch die Forderung des Austrittes aus dem Euro ist wohl mehr Säbelrasseln als alles andere.

Es ist nie schön zu sehen, wie rechtsextreme Parteien in Europa bei Umfragen und Wahlen Rekordwerte einholen. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass extreme politische Strömungen zu Krisenzeiten traditionell einen Aufschwung erleben. Es ist sehr einfach, innerhalb des eigenen Landes zu hetzen und die Situation der „Königin Europas“ (wahlweise Mutti oder Margaret Thatcher, gerne auch mit Hitlerbart) in die Schuhe zu schieben. Spätestens auf der politischen Bühne Europas wird ein Dialog unausweichlich werden. Populismus und Hetze sind hier fehl am Platz. Es geht um ein Europa, von dem alle Mitgliedsstaaten profitieren können. Die meisten der Staaten aus denen die heftigste Kritik kommt, ständen heute wohl noch wesentlich schlechter da, gäbe es keine Europäische Union. An dieser Stelle besteht tatsächlich die Möglichkeit, gestärkt aus Verhandlungen und Diskussionen hervorzugehen. Viel Kritik mag berechtigt sein und es wäre ein Zeichen der Stärke Europas, zusammen mit Skeptikern an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten.

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