Fragen und Antworten zum Migrationspakt

, von  Gesine Weber

Fragen und Antworten zum Migrationspakt
Palais des Nations in Genf: Hier haben Diplomat*innen über anderthalb Jahre den Migrationspakt verhandelt. Foto: Flickr / United Nations Photo / CC BY-NC-ND 2.0

Gestern haben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen den Migrationspakt auf einer Konferenz im Marrakesch formal angenommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu seiner Bedeutung.

Was ist der Migrationspakt?

Der Migrationspakt, dessen vollständiger Name „Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ heißt, ist ein völkerrechtlich nicht bindendes Übereinkommen zwischen der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Er ist das erste zwischenstaatliche Abkommen, das einen umfassenden internationalen Rahmen für den Umgang mit Migration schafft. Mit seiner Unterzeichnung verpflichten sich die Staaten zwar nicht rechtlich, aber politisch zu seiner Umsetzung.

Ziel des Migrationspakts ist es, die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Migration zu verbessern. Die Unterzeichnerstaaten erkennen an, dass Migration in „einer globalisierten Welt eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung darstellt und dass diese positiven Auswirkungen durch eine besser gesteuerte Migrationspolitik optimiert werden können“. Das bedeutet, dass Migration grundsätzlich im Pakt nicht verurteilt, sondern als natürlich verstanden wird. Dabei betont der Pakt an zahlreichen Stellen, dass die Mitgliedstaaten mit der Unterzeichnung ihre volle Souveränität behalten und die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs selbst regeln.

Der Migrationspakt hat den Anspruch, die Bedingungen für Migration zu verbessern. Dazu formuliert er 13 Ziele, unter anderem die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Schaffung von Wegen für legale Migration, die Bekämpfung von Schleusernetzwerken, Investitionen in Aus- und Weiterbildung, oder die Zusammenarbeit bei der Rückkehr in die Herkunftsländer.

Wichtig für den Migrationspakt ist die Unterscheidung zwischen Migration und Flucht: Der Migrationspakt betrifft nur Migrant*innen, also Menschen, die in ein anders Land umziehen, um sich dort in den Arbeitsmarkt zu integrieren - beispielsweise Deutsche, die in Norwegen arbeiten, oder Marokkaner*innen, die in Frankreich studieren. Der Umgang mit Geflüchteten dagegen wird durch die Genfer Konvention geregelt; durch sie haben Menschen, die in ihren Heimatländern beispielsweise politisch verfolgt werden, Anspruch auf internationalen Schutz, den Migrant*innen nicht haben.

Warum haben manche Staaten den Migrationspakt nicht unterzeichnet?

Insgesamt haben 164 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen den Migrationspakt unterzeichnet. Von Anfang an nicht dabei waren die USA, im Sommer verkündete erst Ungarn, dann auch Österreich seinen Ausstieg aus dem Übereinkommen.

Die betroffenen Staaten haben die Unterzeichnung des Migrationspakts aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Ein grundsätzliches Problem für viele Regierungen bestand darin, dass der Pakt Migration grundsätzlich weder positiv noch negativ beurteilt - was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass er keine Abschreckungswirkung entfalten kann. Die Regierungen der Staaten argumentieren, dass der Migrationspakt viel eher zu einem Anstieg der globalen Migration führen werde. Dieses Argument wird damit begründet, dass sich die Staaten in Ziel 5 dazu verpflichten, reguläre Wege für Migration zu schaffen. Da aber Staaten wie beispielsweise Ungarn Migration grundsätzlich ablehnen, haben sie kein Interesse daran, legale Wege für Migration zu schaffen. Auch Ziel 15, die Gewährleistung des Zugangs für Migrant*innen zu Grundleistungen, war ein Grund für die Ablehnung.

Macht der Migrationspakt überhaupt Sinn, wenn er nicht bindend ist?

Ja - denn auch wenn er Staaten nicht rechtlich bindet, sollte die politische Wirkung nicht unterschätzt werden. Die Vereinten Nationen sind die einzige Institution weltweit, an der fast alle Staaten auf der ganzen Welt beteiligt sind. Wer nach langen Verhandlungen auf dieser Ebene einem Übereinkommen beitritt, hält sich in der Regel auch daran, da sonst die Verhandlungen umsonst gewesen wären. Für viele Staaten ist es außerdem wichtiger, dass eine globale Lösung zustande kommt, als dass diese Lösung perfekt ist. Der Migrationspakt kann so weltweit Wirkung erzielen, da sich Staaten freiwillig an ihn halten.

Außerdem hat der Migrationspakt eine wichtige Symbolwirkung. Er zeigt, dass die Staaten die Notwendigkeit anerkennen, globale Probleme auch tatsächlich auf globaler Ebene und nicht national zu lösen. Außerdem füllt er eine Lücke im System der Vereinten Nationen, da es das erste Mal war, dass sich Staaten mit einem vergleichbaren Ergebnis zum Thema Migration verständigt haben. Damit schafft der Migrationspakt eine Grundlage für weitere Zusammenarbeit in dem Bereich.

Dass auch Abkommen ohne Bindungswirkung Erfolg haben können, zeigt außerdem die Agenda 2030. Im Jahr 2015 haben sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung geeinigt, die sie bis 2030 erreichen wollen. Die Agenda 2030 ist nicht bindend; trotzdem gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass einige Ziele tatsächlich erreicht werden.

Was bedeutet der Migrationspakt für die internationale Zusammenarbeit?

Der Migrationspakt ist in mehrerer Hinsicht ein Meilenstein für die internationale Zusammenarbeit. Auch wenn er nicht bindend ist und nicht alle Staaten dabei sind, haben die 164 Unterzeichnerstaaten ein starkes Symbol für den Multilateralismus gesetzt. Mit ihrer Unterschrift bekennen sie sich dazu, dass globale Herausforderungen auch auf globaler Ebene gelöst werden. Ein Scheitern des Pakts wäre hingegen ein herber Rückfall in nationale Denk- und Handlungsräume gewesen. Abgesehen davon zeigt der Migrationspakt, dass die USA zwar nach wie vor einen wichtigen Platz im internationalen System haben, aber man durchaus willens ist, globale Herausforderungen auch ohne den größten UN-Beitragszahler anzugehen. Damit ist der Migrationspakt ein gutes Symbol für den Flüchtlingspakt, der am 17. Dezember von der UN-Generalversammlung verabschiedet werden soll. Dieser Flüchtlingspakt soll wie auch die Genfer Konvention ein rechtlich bindendes Rahmenwerk für Geflüchtete schaffen und unter anderem Regelungen zur Rückkehr oder zur humanitären Versorgung treffen.

Wie geht es jetzt weiter?

Im Januar muss die Generalversammlung der Vereinten Nationen noch einmal formell für den Migrationspakt stimmen; die Zustimmung gilt jedoch als sicher. Ist der Pakt angenommen, liegt es an den Unterzeichnerstaaten, ihn auch tatsächlich umzusetzen. Dazu werden auf nationaler oder zwischenstaatlicher Ebene entsprechende Maßnahmen getroffen.

Den Text des Migrationspakts gibt es zum Nachlesen hier.

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