Frankreich trippelt aus der Krise

, von  Jens Friedrich

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 Frankreich trippelt aus der Krise
Foto: © Flickr, Parti socialiste: http://tinyurl.com/oxqdfpb. CC BY-NC-ND 2.0: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Frankreich erscheint als der neue kranke Mann in Europa. Die Wirtschaft schwächelt, die Arbeitslosigkeit ist hoch, der Staatshaushalt hat ein großes Loch. Als Ausweg aus der Krise empfehlen Wirtschaftsexperten Strukturreformen nach dem Vorbild der deutschen Agenda 2010. Doch das könnte mehr schaden als nutzen.

„Der Aufschwung ist da“, verkündete Frankreichs Präsident Hollande in einem Interview anlässlich des Nationalfeiertages am 14. Juli letzten Jahres. Drei Monate später vermeldete das Europäische Statistikamt ein Schrumpfen der französischen Wirtschaftsleistung. Um 0,1 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal im Vergleich zu den Vormonaten gefallen. Kein dramatischer Einbruch - doch ein Aufschwung sieht anders aus.

Frankreichs Wirtschaft ist 2013 voraussichtlich um 0,2 Prozent gewachsen. Damit stagniert die Wirtschaftsleistung im zweiten Jahr in Folge. Seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 ist die Arbeitslosenquote auf fast elf Prozent gestiegen. Ein Viertel der unter 25-Jährigen sind arbeitslos.

Sorgen bereitet zudem der Staatshaushalt. Das selbstgesteckte Ziel, das Haushaltsloch in 2013 auf 3,7 Prozent zu begrenzen, musste die französische Regierung bereits kassieren. Das Defizit wird wohl bei über vier Prozent liegen. Für 2014 steuert das Land auf eine Rekordverschuldung zu . Wenig deutet auf den von François Hollande verkündeten Aufschwung hin. Im Gegenteil, das Land steckt tief in der Krise und Besserung ist nicht in Sicht. Ist Frankreich der neue kranke Mann Europas?

Rufe nach einer Agendapolitik

Der Lisbon Council beantwortet die Frage mit Ja. Der in Brüssel ansässige EU-Think-Tank veröffentlicht jährlich gemeinsam mit der Berenberg Bank den viel beachteten „Euro Plus Monitor“ , in dem die Reformfortschritte in Europa gemessen werden. Frankreich erhält in dem Anfang Dezember erschienenen Report durchweg schlechte Noten und landet auf Rang 16 von 20 untersuchten Ländern - hinter Spanien und nur vor den anderen Euro-Krisenstaaten Griechenland, Italien, Portugal und Zypern. Steuert Frankreich nicht gegen, könnte das Land innerhalb von drei Jahren auf den letzten Platz abrutschen, warnen die Experten.

Sie empfehlen der Grande Nation in dem Report, Strukturreformen vorzunehmen. - und zwar nach deutschem Vorbild. Um die Wirtschaft anzukurbeln, fordern die Wirtschaftsexperten des Lisbon Councils eine französische Agenda 2010. Damit stützen sie den Kurs der Deutschen Bundesregierung, die ebenfalls auf einen Umbau der französischen Wirtschaft drängt und Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit anmahnt. Vor der großen Reformen schreckt die französische Regierung bislang zurück. Stattdessen setzt sie auf einzelne Maßnahmen in der Steuer- und Sozialpolitik. So sollen Unternehmen in den nächsten drei Jahren um 20 Milliarden Euro entlastetet werden. Im Gegenzug wurde die Mehrwertsteuer zum Jahresbeginn von 19,6 auf 20 Prozent erhöht. Längere Beitragszeiten und höhere Rentenbeiträge sollen zudem das Milliardendefizit in der Rentenkasse stopfen. Nicht nur der konservativen Opposition in Frankreich gehen diese Maßnahmen nicht weit genug, auch der Lisbon Council dürfte nicht zufrieden sein.

Eine französische Agenda 2010 kann es nicht geben

Bundeskanzler Schröder reformierte den deutschen Arbeitsmarkt in einer Phase des europäischen und globalen Wirtschaftsaufschwungs. Frankreich müsste in der Krise umbauen. Die Rezepte des Lisbon Councils sind die Rezepte, die allen Euro-Krisenstaaten verschrieben werden: Sparen, liberalisieren und deregulieren. Ziele sind konsolidierte Staatshaushalte und eine gestärkte Wettbewerbsfähigkeit. Auf lange Sicht können diese Reformen von Erfolg gekrönt sein, kurzfristig verschärfen sie jedoch die Krise. Ein harter Reformkurs wie in den Euro-Krisenländern würde die ohnehin strauchelnde französische Wirtschaft wahrscheinlich weiter in die Rezession stürzen.

Präsident Hollande hat sich angesichts solch düsterer Aussichten für einen vorsichtigen Kurs entschieden. Kein großes Reformpaket soll die französische Wettbewerbsfähigkeit verbessern, sondern kleine Schritte in der Steuer- und Sozialpolitik. Vor allem setzt er auf ein Anziehen der Weltkonjunktur, wodurch der Druck auf Frankreichs Wirtschaft sich verringern würde und mehr Raum für weitere Reformschritte entstände.

Es ist ein zögerlicher Kurs voller Unwägbarkeiten, der so gar nicht nach dem Geschmack des Lisbon Councils ist. Aus Sicht von François Hollande erscheint dieser Kurs jedoch als der einzig mögliche. Harte Reformen dürften die wirtschaftliche Lage zunächst verschlechtern und damit den innenpolitisch ohnehin angeschlagenen Präsidenten weiter unter Druck setzen, während die Opposition Aufwind verspürt. Profitieren würde mit großer Wahrscheinlichkeit die rechte Front National um Marine Le Pen. Die vom Lisbon Council gewünschten Strukturreformen würden Frankreich damit zwar auf den Kurs der wirtschaftlichen Genesung führen, der Preis wäre jedoch ein Erstarken der antieuropäischen Kräfte.

Foto: Europäisches Parlament

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