Griechenland: Zwischen Krise und Fremdenhass

, von  Johann-Caspar Bertheau

Griechenland: Zwischen Krise und Fremdenhass
Der Mord an Pavlos Fyssas bedeutet das Ende der faschistischen Partei Chryssi Avgi in Griechenland. Foto: © Seven resist: „Pavlos Fyssas - never forget!!“, https://www.flickr.com/photos/seven_resist/10018655933/in/photolist-ggjen8-ggjajZ-ig6SfM, Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Eine neonazistische Partei in Griechenland nutzt die Gunst der Stunde und verbreitete fremdenfeindliche Propaganda im eigenen Land. Durch die aktuelle Krise fühlen sich viele Bürger in den Aussagen der Partei bestätigt und nutzten den verbreiteten Ausländerhass als Ventil für ihre Sorgen, Ängste und Wut. Nach dem Mord an Pavlos Fyssas ist Schluss mit Chryssi Avgi. Doch bedeutet das noch längst nicht das Ende von fremdenfeindlichem Gedankengut in Europa.

„Seid doch glücklich mit den Pakistanis und Bangladeschis, die ihr zu griechischen Bürgern gemacht habt. Denn nur durch sie habt ihr die Kommunalwahlen gewonnen.“ Nikos Michaloliakos hebt seinen rechten Arm zum Hitlergruß um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Diese Szene von einer Athener Kommunalsitzung ist jetzt über drei Jahre her. Der politische Einfluss von Michaloliakos und seiner Partei Chryssi Avgi („Goldene Morgenröte“) ist seitdem exponentiell gestiegen und gipfelte in 18 von 300 Mandaten im 2012 neugewählten griechischen Parlament.

Dabei war die neonazistische Partei bei einer nationalen Umfrage im November 2011 noch bei moderaten ein Prozent. Wie ist dieser kometenhafte Aufstieg zu erklären? Was für Folgen hat er für Griechenland und Europa und wie lässt es sich gegen diese Faschistische Bewegung vorgehen?

Wendepunkt: Mediale Berichterstattung

Mitten in der sich immer weiter zuspitzenden Krise in Griechenland konzentriert sich 2012 die mediale Berichterstattung auf illegale Immigranten als Mitschuldige und propagiert die „Goldene Morgenröte“ als Pendant zur Linken „Syrzia“. Beide Parteien gewinnen Zeitgleich, an den entgegengesetzten Enden des politischen Spektrums, an Zustimmung in der griechischen Bevölkerung.

Chryssi Avgi nutzt die Aufmerksamkeit für faschistische Propaganda. Er eröffnet medienwirksam eine Suppenküche für Obdachlose, einzig für „echte“Griechen und eine Blutspendebank nur mit genetisch reinem, griechischem Blut. Die teilweise absurden Maßnahmen führen zum gewünschten Effekt. Die krisengebeutelte Mittel- und Unterschicht aus Angestellten, Kleinunternehmern und Arbeitslosen fühlt sich erhört. Die Pläne der Partei, territoriale Ansprüche an Nachbarstaaten durchzusetzen und die wirtschaftlichen Defizite mit Ölbohrungen auszugleichen, zeugen von Größenwahn, finden aber im aktuellen Griechenland den perfekten Nährboden um zu florieren.

Dass die Partei sonst kaum eine politische Agenda hat, scheint kaum Jemanden zu stören. Der Leitspruch der deutschen Satirepartei „Die Partei“: „Weniger Inhalte wagen“ scheint Chryssi Avgis Wahlkampf vor einem Jahr groteskerweise auf den Punkt zu bringen. Das bedeutet aber nicht, dass die Partei zu verharmlosen oder zu vernachlässigen wäre.

rechtsextreme Partei genießt hohen Zuspruch der griechischen Polizei

Wie die „Goldene Morgenröte“ mit politischen Gegnern und „Staatsfeinden“ verfährt, machten im vergangenen Jahr mehrere teilweise tödliche Übergriffe auf Ausländer deutlich. Der Höhepunkt war mit dem Mord an dem Linken Aktivisten und Hip-Hop Musiker Killah P. aka Pavlos Fyssas vor rund zwei Wochen erreicht. Hier lässt sich erstmals eine konkrete Verbindung zu Chryssi Avgi feststellen.

Der Täter, Giorgos Roupakias, stammt aus dem direkten Umfeld der Partei. Wie der Mord vonstattenging wirft aber noch immer Rätsel auf. Medienberichten zufolge soll Fyssas auf offener Straße vor den Augen von tatenlosen Polizisten erstochen worden sein. Tatsächlich soll die rechtsextreme Bewegung viele Anhänger im griechischen Polizeiapparat haben.

Bei den Parlamentswahlen wurde unter den Polizisten, deren Wahlverhalten in Griechenland genau erfasst ist, ein hoher Zuspruch für die rechtsextreme Partei gemessen. Die Wahlergebnisse der Chryssi Avgi lagen hier teilweise weit über den knapp sieben Prozent der Zustimmung der restlichen Bevölkerung. Wie verheerend diese Verstrickung sein kann liegt auf der Hand, vor allem wenn von der „goldenen Morgenröte“ als „kriminelle Organisation“ geredet wird.

Erfolg des Rechtsstaats: Festnahmen der Parteispitze

Mit dem Mord an Pavlos Fyssas scheint Chryssi Avgi, auch wenn sie jede Verbindung zur Tat bestreitet, den Bogen überspannt zu haben. Eine Flutwelle von antifaschistischen Protesten lösten intensivierte Ermittlungen gegen die „Goldene Morgenröte“ aus. Am vergangenen Samstag wurde schließlich der Chef der Partei, Nikos Michaloiakos, wegen der „Bildung einer kriminellen Organisation“ verhaftet. Elf weitere Parteifunktionäre werden noch gesucht.

Der Minister für Öffentliche Ordnung und Bürgerschutz, Nikos Dendias, sprach von einem "historischen Tag für Griechenland und Europa„. Auch in der griechischen Bevölkerung scheint die Unterstützung für die faschistische Organisation laut aktuellen Umfragen zu schwinden. Scheinbar stand sich die“Goldene Morgenröte" an der Spitze ihres bisherigen Schaffens selbst im Weg.

Zwar zeigen die aktuellen Ereignisse, dass Griechenland noch ein funktionierender Rechtsstaat ist, dennoch bleibt abzuwarten wie sich die politische Situation in Griechenland entwickelt. Die jahrelange Propaganda von unbehelligtem Ausländerhass und Gewalt, die Chryssi Avgi betrieb und vorlebte, sollte der griechischen Regierung um Premier Andonis Samaras als Warnschuss dienen.

Europa als Festung gegen Fremdenhass und Faschismus

Thorborn Jagland, der Generalsekretär des Europarates, sprach nach dem Mord an Fyssas von einer „extrem gefährlichen Entwicklung“ in Europa.Tatsächlich ist ein Vorgehen gegen neonazistische Parteien in der heutigen politischen Landschaft gar nicht so einfach. Ein Parteiverbot führt häufig direkt zur Gründung einer neuen Partei mit anderem Namen, aber gleichen Motiven.

Die Festnahme der Parteispitze von Chryssi Avgi und die Deklarierung der Partei als „kriminelle Organisation“ sind erfreulich, packen das Problem aber nicht an der Wurzel. Europa muss der Bekämpfung von fremdenfeindlichem Gedankengut, besonders in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise, endlich höchste Priorität einräumen. Ein Gefühl der Gemeinschaft und gemeinsamen Verantwortung kann nur entstehen wenn sich einzelne europäische „Krisenstaaten“ wie Spanien, Griechenland und Italien nicht allein gelassen fühlen. Eine verbesserte Kommunikation aller europäischen Staaten, auf allen politischen Ebenen muss gegeben sein. Nur so lassen sich tendenziöse, radikale Entwicklungen wie in Griechenland frühzeitig erkennen und stoppen.

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