Am 26. November wird in Honduras gewählt. Die Bürger*innen des Landes sind aufgerufen, sowohl den Präsidenten, als auch Vertreter*innen im Parlament und in den Kommunen zu bestimmen. Der amtierende Präsident Juan Orlando Hernández (Partido Nacional) kandidiert für eine weitere Amtszeit. Das ist verfassungswidrig. Denn Artikel 239 des honduranischen Grundsatzdokuments schließt eine Wiederwahl aus. Zu Beginn des Jahres erklärte der oberste Gerichtshof Hernández’ Bestreben im Amt zu verweilen jedoch für legitim.
Die politische Opposition zweifelt die Unabhängigkeit des Gerichts an und stellt die Rechtmäßigkeit des Richterspruchs infrage. Kritiker*innen sehen in dem Urteil die Fortsetzung einer Reihe verfassungswidriger Praktiken die seit der gewaltsamen Absetzung von Präsident Manuel Zelaya im Jahr 2009 die honduranische Demokratie untergraben. Auch gemäß der Vereinten Nationen wäre eine erneute Amtszeit des Präsidenten unrechtmäßig und verfassungswidrig. Ein Mitte-Links Bündnis aus der Partido Libre und der Partido Innovación y Unidad will unter der Führung Salvador Nasrallas’ (Partido Anticorrupción) die Wiederwahl des Präsidenten nun über den Urnengang verhindern.
Seit dem Putsch vor acht Jahren ist die Lage in Honduras extrem angespannt. Das Land ist politisch tief gespalten, die Demokratie brüchig. Während der letzten beiden Amtszeiten der Partido Nacional kam es rund um ranghohe Regierungsvertreter*innen zu zahlreichen Korruptionsskandalen, welche weitreichende Vernetzungen zwischen Politik, Privatsektor und organisierten Verbrechen offenlegten. In vielen Landesteilen nährt sich ein Umfeld, in dem autoritäres Vorgehen, Gewalt und Straflosigkeit um sich greifen. Gerade Verbrechen an Frauen, Mitgliedern der LGTBQI Community oder Journalist*innen klären die Behörden nur selten auf. Laut Global Witness gehört Honduras zu den gefährlichsten Ländern für Umweltaktivist*innen weltweit. Viele Menschen fliehen vor der Gewalt in Richtung Mexiko und Vereinigte Staaten. Dieses Jahr allein deportierten die beiden Länder 36.000 honduranische Staatsbürger*innen.
Die kommende Regierung steht also vor großen Herausforderungen. Um Korruption, Armut, Flucht und Gewalt effektiv zu bekämpfen ist man auf Legitimität, Funktionalität und Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Akteur*innen angewiesen. Die wachsende Machtkonzentration des Präsidenten lässt sich hierbei jedoch als dunkles Vorzeichen interpretieren: Sollte Hernández den Kurs der letzten Jahre fortsetzen, ist der soziale Zusammenhalt in Honduras massiv bedroht. Viele Beobachter*innen gehen davon aus, dass die amtierende Regierung die Unabhängigkeit der Justiz weiter beschneiden und den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft zunehmend einschränken wird.
Neben der Organisation of American States (OAS), entsendet auch die Europäische Union (EU) eine Beobachtermission nach Honduras. Ziel ist, eine unabhängige Überprüfung des Wahlvorgangs unter der Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien zu gewährleisten. Ohne die Mission in den vorherrschenden politischen Kontext kritisch einzubetten, läuft die EU jedoch Gefahr ein fatales Signal zu senden. Gerade von der politischen Opposition wird die Wahlbeobachtung als Billigung eines anti-demokratischen Vorgehens verstanden. Sollte Hernández die Wahlen gewinnen, würde das die Missachtung und den Bruch der Verfassung de facto legitimieren.
Die bevorstehenden Wahlen in Honduras werfen für die EU somit eine Reihe schwieriger Fragen auf: Wo beginnt und wo endet eine kritische Wahlbeobachtung? Und ab welchem Punkt entscheidet man sich, für Rechtsstaatlichkeit klar Stellung zu beziehen? Für die EU scheint, trotz der beunruhigenden Lage in Honduras, dieser Punkt noch nicht erreicht zu sein.
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