KI, das heißt lernen - Europas Strategie zur Künstlichen Intelligenz

, von  Stephan Raab

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KI, das heißt lernen - Europas Strategie zur Künstlichen Intelligenz

Ein wichtiges Thema zu dem sich die neuen EU-Parlamentarier*innen nach der Europawahl im Mai positionieren müssen, ist Künstliche Intelligenz (KI). Deshalb beleuchten wir in einem Themenschwerpunkt die Chancen und Herausforderungen, die diese Technologie mit sich bringt. Der digitale Wandel ist in aller Munde, aber was genau bedeutet Künstliche Intelligenz eigentlich für Europa? Eine Betrachtung der Europäischen KI-Strategie.

„Wer bei Künstlicher Intelligenz in Führung geht, der wird einmal die Welt beherrschen!“ Hiermit machte der russische Präsident Wladimir Putin die Dimensionen dieser neuen Technologie deutlich. Viele Ängste und Hoffnungen sind mit der Künstlichen Intelligenz verbunden. Fällt der Begriff KI, so verbinden viele hiermit den Terminator, HAL 900 aus „Odyssee im Weltraum“ oder aber auch E.M. Foster mit „Die Maschine steht still“. Kurzum, Künstliche Intelligenz sei etwas superintelligentes, dem menschlichen Verstand überlegenes.

Vorab ist es wichtig zu verstehen, was unter Künstlicher Intelligenz eigentlich zu verstehen ist. Gerne wird von einer neuen industriellen Revolution, einem zweiten Zeitalter der Maschinen gesprochen. Anders als zur ersten industriellen Revolution ersetzten die Maschinen jedoch keine Muskelkraft, sondern Gedankenkraft, sprich Rechenleistung. Anders ausgedrückt, die neuen Maschinen lernen aus dem, was sie tun und werden dadurch besser in dem, was sie tun. Anders als zur ersten industriellen Revolution betrifft dieser Wandel auch Hochqualifizierte. Der Job-Futuromat, der von Forscher*innen des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg entwickelt wurde, zeigt, welche Arbeitsplätze Roboter in Zukunft übernehmen könnten.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss identifizierte elf Bereiche, in welchen diese technologischen Umbrüche gravierende Folgen für die Gesellschaft haben werden. Dies reicht von Fragen der Beschäftigung über Fragen der sozialen Inklusion, bis hin zu Fragen von Demokratie sowie aufgrund autonomer Waffensysteme gar Fragen von Krieg und Frieden. Angesichts dieses großen Potentials machen sich Staaten wie insbesondere China daran, die globale Vormacht in Sachen Künstlicher Intelligenz zu erlangen. Hierauf reagierte die Europäische Union mit einer eigenen Strategie zur Gestaltung Künstlicher Intelligenz. Diese Strategie lässt sich in drei Bereiche einteilen: Technik, Soziales und Ethik.

Künstliche Intelligenz braucht intelligente Investitionen

Eines wird bereits heute deutlich. Künstliche Intelligenz ist ein Wachstumsmarkt der Zukunft. Während in Asien fast 10 Milliarden und in Nordamerika bis zu 20 Milliarden Euro in die KI-Forschung investiert werden, hinkt Europa mit etwa 3,2 Milliarden Euro hier noch stark hinterher. Daher plant die Europäische Kommission bis zum Jahr 2020 noch einmal 1,5 Milliarden Euro an Investitionen durch Horizon 2020 zur Verfügung zu stellen. Gemeinsam mit bestehenden Public-Private-Partnership Programmen sowie nationalen Programmen der Mitgliedstaaten soll auf diese Weise ein Forschungsbudget von bis zu 20 Milliarden Euro in Europa zur Verfügung stehen.

Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben Schwierigkeiten damit, Zugang zu den Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz zu erhalten. Daher plant die Kommission den Aufbau einer „AI on demand“-Plattform. Darauf sollen verschiedene aktuelle Algorithmen verfügbar gemacht werden. Zudem sollen Programmierer*innen für wissenschaftliche, soziale und wirtschaftliche Zwecke einen besseren Zugang zu öffentlichen Daten erhalten. Kombiniert wird dies alles mit dem Aufbau von „AI Digital Innovation Hubs“. In diesen Zentren erhalten Unternehmer*innen und Interessierte direkte Beratung für den Einsatz von KI-Systemen.

Digitalisierung ruht auf einer sozialen Säule

Obwohl die Digitalisierung alle Arbeitsbereiche betreffen wird, verfügen 44% der Europäischen Bürger*innen nicht einmal über grundlegende digitale Qualifikationen. Gemäß den Zielen der „Europäischen Säule sozialer Rechte“ hat „jede Person das Recht auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form, damit sie Kompetenzen bewahren und erwerben kann, die es ihr ermöglichen, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und Übergänge auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu bewältigen.“ (Artikel 1).

Im Sinne der „New Skills Job Agenda“ bringt die „Digital Skills and Job Coalition“, Mitgliedsstaaten, Firmen, Sozialpartner, NGOs und Bildungseinrichtungen zusammen, um dem Mangel an digitaler Bildung in Europa entgegenzuwirken. Ziel dieses Zusammenschlusses ist es, über eine Million arbeitslose Jugendliche durch digitale Weiterbildung in Arbeit zu bringen. Ebenso ermöglicht das „Digital Opportunity Traineeship“ jungen Absolvent*innen in einem Unternehmen Qualifikationen im digitalen Bereich zu erwerben. Zudem sollen Arbeitnehmer*innen für die Herausforderungen des digitalen Wandels weitergebildet werden. Besondere Projekte in diesem Bereich werden jährlich mit dem Digital Skills Award prämiert.

Digitalisierung ist eine ethische Frage

Algorithmen können Daten, sprich Informationen verarbeiten, aber nur Menschen können diese interpretieren, sprich Werte schaffen. Das „Social Scoring System“ in China macht deutlich, wie wichtig es ist sich ethische Fragen rund um den Einsatz von Technologien zu stellen. Allein der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bedeutet nicht, dass eine Entscheidung auch intelligent ist.

Angesichts der Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz ist der ethische und verantwortungsbewusste Umgang mit dieser Technologie entscheidend. Beispielsweise werden schon heute KI-Systeme zur Arbeitsvermittlung in österreichischen Arbeitsämtern eingesetzt. Die KI-Strategie der Europäischen Union betont, dass der Einsatz von KI-Anwendungen ethischen und rechtlichen Grundsätzen genügen muss. Hierzu zählt insbesondere, ein Bewusstsein sowie ein Verständnis für den Einsatz algorithmenbasierter Systeme zu schaffen. Es wird angestrebt, einen Ethikkodex für den Einsatz von KI Systemen zu entwickeln. Dieser Kodex beruht auf den Prinzipien von Transparenz (transparency), Verständlichkeit (comprehensibility), Überwachbarkeit (monitorability) und Verantwortung (accountability).

Viele Menschen haben Bedenken bis Furcht vor den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. Daher plädiert die Expertenkommission für KI der Europäischen Union für eine vertrauenswürdige KI, die a) ethischen Prinzipien genügt und Grundrechte berücksichtigt, sowie b) technisch robust ist und vertrauenswürdig das zu tun, wofür sie entwickelt wurde.

Dies drückt sich in fünf Leitgedanken aus. So sollen KI-Systeme stets zum individuellen und kollektiven Wohle geschaffen werden (Principle of Beneficence). Diese dürfen Menschen keinen Schaden zufügen, sollen ihre Menschenrechte wahren und dürfen niemals den demokratischen Prozess etwa durch Einflussnahme gefährden (Principle of Non-Maleficence). Hierbei soll die Autonomie des Menschen gewahrt bleiben, Entscheidungen zu treffen sowie sich auch gegen die Nutzung von KI zu entscheiden (Principle of Autonomy). Minderheiten sollen vor Diskriminierung und Stigmatisierung durch eine objektive Datengrundlage geschützt werden (Principle of Justice). Schließlich soll der Einsatz sowie die Entscheidungsfindung von KI-Systemen immer transparent und nachvollziehbar bleiben (Principle of Transparency).

Künstliche Intelligenz braucht gesunden Menschenverstand

Künstliche Intelligenz bedeutet lernende Systeme, die aus dem, was sie tun lernen, wie sie das, was sie tun, besser machen können. Allerdings bedeuten diese großen Potentiale von KI-Systemen auch eine große Verantwortung, wie Menschen mit den neuen Möglichkeiten umgehen sollen.

Stephen Hawking hat einmal gesagt: „Der größte Feind des Wissens ist nicht Ignoranz, sondern die Illusion, wissend zu sein.“ Entscheidend ist, dass letzten Endes nicht die Maschinen, sondern der Mensch darüber entscheidet, in welcher digitalen Gesellschaft wir leben wollen.

Maschinen können diese Frage nicht beantworten, oder wie es Pablo Picasso einmal ausdrückte: „Computer sind unbrauchbar. Sie können nur Fragen beantworten.“ Es liegt an jedem und jeder, die Frage zu beantworten, wie wir diese Technologien zum Wohle aller in Zukunft nutzen wollen. Künstliche Intelligenz bedeutet große Möglichkeiten, aber auch menschliche Verantwortung, diese Möglichkeiten weise einzusetzen. In anderen Worten lässt sich sagen: Das Einzige, was gegen künstliche Intelligenz hilft, ist menschliche Dummheit. Denn diese ist unberechenbar.

Wer nun selbst die Chance ergreifen will, die Welt der Künstlichen Intelligenz zu entdecken, dem sei der kostenlose Kurs Elements of AI der Universität von Helsinki empfohlen.

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