Dass die Folgen des Klimawandels Entwicklungsländer besonders hart treffen, ist unbestritten. Agrarversicherungen für die dortigen Landwirte sollen seit einigen Jahren die negativen Auswirkungen von Dürren, Starkregen oder Wirbelstürmen abfedern. Fallen Ernten aus, sollen die Bauern schnell Geld und etwa neues Saatgut erhalten. Doch statt zu helfen, können sie sich diese Versicherungen zum Teil eher ungünstig auf Umwelt und Gesellschaft auswirken. Das zeigen Untersuchungen von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und ihren US-Kollegen der Universität Oregon, die im Fachmagazin Global Environmental Change veröffentlicht wurden.
„Agrarversicherungen können für die Bauern in betroffenen Gebieten existenzsichernd und äußerst hilfreich sein“, kommentiert Birgit Müller vom UFZ die Modelle, die 2015 beim G7-Gipfel in Elmau vorangetrieben wurden. Bis zum Jahr 2020, so etwa das Ziel der Initiative InsuResilience der G7-Staaten, sollen 400 Millionen Menschen in Entwicklungsländern gegen klimabedingte Risiken versichert sein. Entweder versichert sich dazu ein Staat insgesamt oder aber die Landwirte einzeln.
Doch in ihrer jetzigen Ausgestaltung seien die Versicherungen oft nicht zu Ende gedacht, meint Müller. „Sie helfen dann den Landwirten wenig, sich langfristig an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.“
Müllers Warnung erwächst aus der Auswertung zahlreicher empirische Studien und Modellstudien aus der ganzen Welt. Die bisherigen Studien seien vor allem auf ökonomische Aspekte ausgerichtet. Das gesamte sozial-ökologische System sei dabei bisher nur wenig berücksichtigt worden, wie sich beispielsweise in den veränderten Landnutzungsstrategien der Bauern zeige.
Die Agrar-Biodiversität nimmt ab, die Bodenqualität verschlechtert sich
Traditionell haben Kleinbauern in Entwicklungsländern auf ihren Feldern eine große Bandbreite an Anbaukulturen, um sicherzustellen, dass zumindest eine Kultur eine mögliche Dürre übersteht. Da Agrarversicherungen aber häufig an bestimmte Anbaukulturen geknüpft sind, und der Versicherungsschutz nicht greift, wenn etwas anderes angebaut wurde, gehen die Bauern oftmals zu Monokulturen über – mit weitreichenden ökologische Konsequenzen: Die Agrar-Biodiversität nimmt ab, die Bodenqualität verschlechtert sich, es werden vermehrt Düngemittel und Pestizide eingesetzt, was wiederum die Gefahr einer Wasserverunreinigung erhöht.
Und selbst wenn Agrarversicherungen nicht an bestimmte Anbaukulturen gebunden sind, können Bauern mit Versicherungsschutz dazu neigen, risikoreichere Kulturen anzubauen, die hohe Erträge versprechen – im Ernstfall aber auch zu höheren Verlusten führen. Denn durch die Versicherung ist es nicht zwingend notwendig, mit einer sinnvollen Anbaustrategie selbst vorzusorgen.
Schwächung der Netzwerke zwischen den Bauern
Neben ökologischen Auswirkungen steigt auch das Risiko einer Schwächung der Netzwerke von Kleinbauern. In der Regel helfen sich die Bauern nach größeren Ernteverlusten gegenseitig. Agrarversicherungen können dazu führen, dass ein versicherter Bauer einem anderen nicht mehr hilft, da dieser sich auch selbst hätte versichern können.
„Agrarversicherungen und die damit einhergehenden veränderten Landnutzungsstrategien können dann zu weiteren Problemen und damit auch Kosten führen“, warnt der an der Analyse beteiligte Forscher Leigh Johnson. „Auf lange Sicht könnte sich das weit über einzelne landwirtschaftliche Betriebe hinaus auswirken.“
Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Die Agrarversicherungen müssen künftig besser designed werden. Sie sollten nur im Ernstfall bei extremen Dürren greifen, mittlere Dürren wären durch die Bauern über eigene Risikomanagement-Maßnahmen abzufangen. „In den USA hat man, was Agrarversicherungen angeht, bereits dazugelernt.
Die Versicherungsprämie wird nämlich nur noch staatlich subventioniert, wenn eine Mindestanzahl an Anbaukulturen beibehalten und die Bewirtschaftung nicht auf ökologisch wertvolle Randgebiete ausgeweitet wurde“, kommentiert Müller. Sie hofftauf mehr ganzheitlich konzipierte künftige Versicherungsprogramme – „denn Entwicklungsgelder sollten in gut durchdachte Konzepte fließen, die effektiv sind und langfristig ökonomisch wirken.“
Dieser Artikel wurde zuerst bei unserem Medienpartner Euractiv veröffentlicht.
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