Sonja Ebbing, Jahrgang 1991, ist seit sechs Jahren bei dem transnationalen Jugendverband der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) engagiert und Vorsitzende des Landesverbandes in Niedersachsen. Mit treffpunkteuropa.de spricht sie über die Kritik ihres Landesverbandes an der CofoE und wie man eine repräsentativere Konferenz veranstalten könnte.
Treffpunkteuropa.de: Die CoFoE hat am 09.Mai dieses Jahres begonnen und ist anfangs auch in den Medien thematisiert worden. Jetzt hört man kaum noch etwas- und die meisten Europäer*innen wissen nicht einmal, dass es sie gibt. Woran liegt das?
Sonja Ebbing (JEF Niedersachsen): Das ist vor allem deswegen problematisch, weil man die breite Beteiligung der Zivilgesellschaft braucht, damit die Konferenz demokratisch legitimiert ist und zu einem funktionierenden Beteiligungsinstrument wird. Aus unserer Sicht gibt es mit der Konferenz vier ganz grundlegende Probleme: ihren zu Beginn unklaren Ablauf, die schlecht gestaltete Online-Plattform, mangelhafte mediale Aufmerksamkeit und die fehlende Repräsentativität der Beteiligung, zumindest auf der Plattform. All das demotiviert- besonders uns als Föderalist*innen, die sich unermüdlich für ein besseres Europa und eine demokratischere EU einsetzen.
Treffpunkteuropa.de: Fangen wir doch einmal mit dem Ablauf an: Ihr kritisiert, dass nicht von Anfang an festgelegt war, wie der Ablauf der Konferenz sein wird. Aber kann diese Offenheit nicht auch eine Chance sein, um eine höhere Reaktionsfähigkeit zu bewahren und die Konferenz im Prozess noch weiter zu gestalten?
Sonja Ebbing (JEF Niedersachsen): Natürlich ist es legitim, hier und da auf Entwicklungen zu reagieren und den ursprünglichen Plan etwas anzupassen. Schwierig ist es aber, wenn es von Anfang an keinen klaren Plan gibt und niemand genau sagen kann, wohin die Konferenz steuert, welche Meilensteine auf dem Weg erreicht werden sollen und was am Ende mit den Ergebnissen geschieht. Das erschwert es, konkret auf etwas hinzuarbeiten und Bürger*innen zu motivieren, sich zu beteiligen – oder ihnen überhaupt verständlich zu machen, was die Konferenz ist und will. Glücklicherweise ist der Ablauf inzwischen konkretisiert worden, aber dadurch, dass mit dem Kick-Off-Event am 09. Mai nicht klar war, wohin die Reise geht, hat man einen entscheidenden Moment verpasst, öffentlichkeitswirksam auf die Konferenz hinzuweisen.
Treffpunkteuropa.de: Die Bürger*innenbeteiligung während der CoFoE findet vor allem auf zwei Wegen statt - Diskussionspanels in Straßburg und anderen europäischen Städten und über die digitale Plattform. Die Plattform soll dabei Bürger*innen aus der EU ermöglichen sich über Sprachgrenzen hinweg über ihre Ideen für die Zukunft Europas auszutauschen. Wird die Plattform diesen Erwartungen gerecht?
Sonja Ebbing (JEF Niedersachsen): Die Plattform ist eigentlich eine großartige Idee - Bürger*innen tauschen sich digital über ihre persönlichen Ideen für das Europa von morgen aus, ganz egal, wer sie sind, woher sie kommen und was ihre Expertise ist. Leider nur in der Theorie - denn die Plattform ist nicht besonders intuitiv gestaltet und an einigen Stellen umständlich aufgebaut. Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, die Plattform intuitiv und motivierend aufzubauen – vielleicht mit einer Art Tinder für Europa-Ideen, die man nach links und rechts wischen kann – aber hier hat man einiges versäumt.
Treffpunkteuropa.de: Vielleicht können wir noch ein bisschen weiter über die Plattform reden. Die CoFoE soll im besten Fall die Wünsche der Bevölkerung der EU repräsentativ vertreten. Inwieweit hat das bisher gut funktioniert- kommen Kritiker*innen des Konzeptes EU genauso zu Wort wie überzeugte Förderalist*innen?
Sonja Ebbing (JEF Niedersachsen): Aktuell beteiligen sich auf der Plattform vor allem die „üblichen Verdächtigen“, also diejenigen zivilgesellschaftlichen Akteure, die ohnehin in der proeuropäischen Bubble unterwegs sind, also bspw. EuropeDirect-Zentren, Staatskanzleien oder auch wir, die JEF und die Europa-Union. Das kann auch dazu führen, dass föderalistische Ideen im Vergleich zu anderen dort überrepräsentiert sind, einfach weil wir natürlich große Hoffnungen in die Konferenz setzen, in dem Bereich besonders gut informiert sind und eine entsprechend hohe Motivation haben, uns einzubringen. Auch wenn ich diese Ideen inhaltlich natürlich unterstütze, ist das wenig repräsentativ. Umgekehrt hat die Plattform außerdem eine offene Flanke für die Feind*innen Europas. Nichts wäre einfacher, als mit fingierten Profilen und Bots einem großen Teil der inhaltlichen Beiträge eine rechtsnationalistische Richtung zu geben. Ein solcher Angriff ist glücklicherweise bisher ausgeblieben, wahrscheinlich auch, weil die Plattform leider aktuell wenig bedeutsam ist.
Treffpunkteuropa.de: Wir haben anfangs schon kurz darüber gesprochen, dass viele Bürger*innen Europas überhaupt nicht wissen, dass die Konferenz stattfindet, was ihre Ziele sind und welche Rolle sie dabei spielen können. Woran liegt das und was hätte besser gemacht werden können? Die Konferenz findet doch bereits sowohl auf supranationaler, nationaler und regionaler Ebene statt.
Sonja Ebbing (JEF Niedersachsen): Das größte Problem hier ist, dass die Konferenz in den Medien quasi nicht stattfindet. Die europäischen Institutionen werben zwar im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Konferenz, kommen dabei allerdings kaum über ihr Kern-Publikum hinaus. Das heißt, dass die Konferenz zwar häufig erwähnt wird und tatsächlich auf lokaler Ebene viele Veranstaltungen stattfinden, diese aber meist nur ein bestimmtes europapolitisch interessiertes und bereits gut informiertes Publikum erreichen, das keinen Querschnitt der Bevölkerung abbildet. Eine positive Ausnahme davon sind die Plakate, die vor kurzem in zentralen Bahnhöfen aufgehängt wurden und dort auf die Konferenz hinweisen und hoffentlich ein breiteres Publikum erreichen. All diese Bemühungen und kleinen Erfolge bewirken jedoch nichts, wenn in den Medien nichts davon ankommt.
Dafür gibt es wahrscheinlich mehrere Gründe. Zum einen hat die Konferenz bisher weitestgehend online stattgefunden, was es schwierig macht, diesen abstrakten Beteiligungsprozess medial aufzubereiten und Aufmerksamkeit zu schaffen. Es ist viel einfacher, über eine zeitlich begrenzte Konferenz in Präsenz zu berichten, weil man Teilnehmer*innen interviewen, Konflikte zuspitzen und treffende Fotos dazu liefern kann. Die Dauer, Komplexität und Offenheit der Konferenz, an sich ja gute Eigenschaften, werden hier zu einem Nachteil. Es ist schwer, eine knappe mitreißende Story über die Konferenz zu erzählen. Leider haben auch die ersten Treffen der Bürger*innen-Panels noch zu keinem Wandel geführt, obwohl nun tatsächlich Menschen in Präsenz in Straßburg zusammenkommen und ihre Visionen für die Zukunft Europas diskutieren. Da haben andere Themen aktuell medial anscheinend einfach Vorrang, wie bspw. die Sondierungsgespräche, die COP26 oder die Situation an der belarussischen Grenze.
Nicht zuletzt leidet die Konferenz auch darunter, dass über europäische Politikprozesse im Normalfall selten berichtet wird. Die tägliche Arbeit von Parlament und Kommission erhält oft weiterhin weniger Aufmerksamkeit als bspw. zugespitzte Konflikte zwischen den Nationalstaaten im Rat.
Treffpunkteuropa.de: Und am Ende der Konferenz, was steht da? Was passiert mit den Forderungen der Bürger*innen?
Sonja Ebbing (JEF Niedersachsen): Die Konferenz wird keine rechtlich bindenden Ergebnisse hervorbringen, das steht bereits fest. Die Forderungen der Plattform, der Bürger*innenforen und der Plenarversammlungen sollen im April 2022 in einen Abschlussbericht fließen, der dann dem gemeinsamen Vorsitz der Konferenz vorgelegt wird. Was dann damit geschieht, wird dann von eben diesem Vorsitz beschlossen. Dabei ist offen, auf welcher Grundlage die Forderungen gewichtet und ausgewählt werden.
Die Offenheit der Konferenz ist hierbei erneut ein Problem: am Ende kann alles und nichts dabei herauskommen, und die Organe können sich im schlechtesten Fall herauspicken, was sie ohnehin vorhatten. Es wird herausfordernd sein, diesen Prozess fair und transparent zu gestalten und auch von unserer Seite zu begleiten. Die JEF hat bereits im März 2020 gefordert, dass die Konferenz keine bloße “Zuhörübung” bleiben darf. Am sinnvollsten wäre dabei aus unserer Sicht eine begrenzte Anzahl grundlegender Fragen zu diskutieren, die dann mit klaren Empfehlungen versehen zurück an den Vorsitz der Konferenz gegeben werden können. Das macht es leichter, die tatsächliche Umsetzung zu bewerten. Dafür braucht die Konferenz vor allem auch ausreichend Zeit und sollte nicht zu früh beendet werden.
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