Weltnichtrauchertag 2021

Kulturgut Zigarette - Ist ein rauchfreies Europa möglich?

, von  Lucy Krille

Kulturgut Zigarette - Ist ein rauchfreies Europa möglich?
Jedes Jahr findet am 31. Mai der Weltnichtrauchertag statt. Dieses Jahr sorgte Neuseeland mit einem harten Kurs für Aufsehen. Käme die Strategie auch für Deutschland in Frage? Unsplash / Andres Siimon / Lizenz

Rund 121.000 Sterbefälle pro Jahr führen die Drogenbeauftragten der deutschen Bundesregierung unmittelbar auf das Rauchen zurück. Während Jugendliche weniger zur klassischen Zigarette greifen, erfreuen sich E-Zigaretten bei ihnen immer größerer Beliebtheit. Seit Anfang des Jahres gilt in Deutschland nun ein schärferes Tabak-Gesetz. Allerdings ist dies längst nicht so ambitioniert wie in Neuseeland, dessen Regierung sich eine rauchfreie Gesellschaft bis zum Jahr 2025 vorgenommen hat. Sollten Deutschland und Europa sich daran ein Beispiel nehmen? Welche Bemühungen gibt es bereits? Eine Analyse zum Thema „Rauchfreies Europa“- Passend zum Weltnichtrauchertag.

Neuseeland macht es vor

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern und ihre Regierung machen ernst. Neuseeland will ab Januar 2022 ein landesweites Verkaufsverbot von Tabakprodukten für eine ganze Generation einführen. An Menschen, die 2004 oder später geboren sind, dürfen dann keine Zigaretten und ähnliche Produkte mehr verkauft werden. Somit soll verhindert werden, dass die Jugendlichen mit dem Rauchen anfangen und dass die Tabakindustrie sich weiter ausbreitet. Außerdem ist eine Reduzierung des Nikotingehalts in den Produkten im Gespräch, ebenso ein Mindestpreis und das Verbot von Filtern. Verkaufsstellen für Tabak sollen stark begrenzt werden.


Kritiker*innen befürchten, dass der niedrigere Nikotingehalt dazu führe, dass noch mehr geraucht werde als zuvor. Die, die nicht legal rauchen dürfen, würden sich bei Älteren oder am illegalen Schwarzmarkt bedienen. Die Regierung bestätigt auch, dass geschmuggelte Tabakerzeugnisse erheblich zugenommen hätten und das Geschäft bereits in den Fokus von kriminellen Banden gerückt sei. Sie hält trotzdem an dem Vorhaben fest.

Lässt sich das Rauchen überhaupt verbieten?

Einer ganzen Bevölkerung eine Gewohnheit zu verbieten greift zweifelsohne stark in deren Persönlichkeitsrechte ein. Sollten nicht alle Bürger*innen selbst entscheiden dürfen, was sie konsumieren? Schließlich war das Rauchen über Jahre eine Art Kult und im privaten, sowie öffentlichen Leben für viele normal. Doch die Zeiten von Marlene Dietrich oder James Dean mit Glimmstange zwischen den Zähnen sind vorbei. Rauchen ist nicht mehr so sexy. Die gesundheitlichen und ökologischen Schäden waren auch früher schon bekannt, durch ein neues Gesundheits- und Umweltbewusstsein rücken sie stärker in den Fokus.

Rauchen greift die menschlichen Organe, allen voran die Lunge an. 8 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen des Nikotinkonsums, beispielsweise durch Lungenkrebs, Schlaganfälle oder Herzleiden. Die geschädigte Lunge durch regelmäßiges Rauchen macht viele Raucher derzeit anfällig für einen schweren Krankheitsverlauf von Covid-19. Ironischerweise reagiert die Tabakindustrie mit verstärkter Marketingoffensive auf die Pandemie: Zigarettenlieferungen in die Quarantäne und kostenlose Masken. 
Auch für Ungeborene kann die Nikotinstange zur Gefahr werden. Eine rauchende Mutter, aber auch das Passivrauchen lässt das Risiko für körperliche Mängel bei der Geburt, Frühgeburten oder gar einen plötzlichen Kindstod ansteigen. Kinder die in einem Haushalt aufwachsen, in dem geraucht wird, sind außerdem anfälliger für Krankheiten wie Bronchitis, Lungenentzündung oder Asthma.

Viele greifen mittlerweile zur vermeintlich gesünderen E-Zigarette, bei der aromatisierte Flüssigkeiten elektrisch verdampft werden. Die daraus entstehenden Aerosole werden eingeatmet und sind vor allem bei Jugendlichen wegen der verschiedenen Geschmacksrichtungen des Liquids wie beispielsweise Erdbeere oder Karamell, beliebt. Außerdem enthält die E-Zigarette weniger krebserregende Stoffe. Der Dampf befördert allerdings ebenfalls Schadstoffe tief in die Lunge, Reizungen von Augen und Atemwegen, eine verringerte Lungenfunktion sowie Genveränderungen können unter anderem auftreten. Dazu kommt, dass viele Liquide ebenfalls Nikotin enthalten, der süchtig macht. Die Schwelle für Jugendliche, später auf herkömmliche Zigaretten zurückzugreifen ist außerdem deutlich niedriger, wenn sie schon einmal die elektrische Variante probiert haben.

Zigarettenstummel landen nicht nur auf Straßen und Wegesrändern, sondern auch in Gullideckeln. Das Abwasser, das sich dort sammelt, wird nicht selten in Flüsse und letztendlich ins Meer gespült. Jedes dritte Stück Plastikmüll im Meer sei ein Zigarettenfilter, so Thomas Venugopal von der Initiative „Cleanup Network“. 
Zigaretten fördern auch die soziale Ungleichheit. Fast 90 Prozent des Tabaks werden in Entwicklungsländern angebaut. Der Profit bleibt aber kaum im eigenen Land, sondern geht an die Tabakkonzerne, die in den Industrieländern angesiedelt sind.

Doppeltes Gift: Für Körper und Umwelt
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Deutschland reagiert verhalten

In Deutschland gelten ab diesem Jahr strengere Gesetze zur Tabakwerbung. Die Kinowerbung ist in Filmen mit Jugendfreigabe grundsätzlich verboten, ebenso wie Gratisproben beispielsweise bei Festivals. 
Deutschland liegt im europäischen Vergleich mit 28% Raucheranteil relativ weit vorn. Als einziges Land ist hier noch Außenwerbung für entsprechende Produkte erlaubt. Ab Anfang 2022 soll das nur noch auf Plakaten an Fachhandlungen erlaubt sein. Für elektronische Zigaretten gilt die Regelung allerdings erst ab 2024. Die 2016 eingeführten Schockbilder auf Zigarettenpackungen zeigen Studien zur Folge keine nachhaltige Wirkung.

Hat Neuseeland somit Recht? Helfen Werbebeschränkungen und Aufklärung nicht weiter? Bringen nur Verbote eine langfristige Wirkung im Kampf gegen den Tabak? Eine Umfrage des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft fand heraus, dass „69% der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein vollständiges Tabakverbot“ befürworte.

Und was tut das rauchende Europa?

Während es mittlerweile in vielen öffentlichen Gebäuden wie Flughäfen oder Gastronomiebetrieben in ganz Europa verboten ist, sich eine Zigarette anzuzünden, gelten teilweise auch unterschiedliche Regeln. In Ungarn beispielsweise ist das Rauchen in einem Umkreis von fünf Metern vor öffentlichen Gebäuden nicht erlaubt, in Spanien erwarten die Bürger Strafen vor Krankenhäusern, Kindergärten und Schulen. In Griechenland, Italien oder England ist das Rauchen im Auto verboten, wenn Kinder an Bord sind.

In Schweden gibt es ähnliche Pläne wie in Neuseeland: Bis 2025 soll das Land weitestgehend rauchfrei werden. Ein Verkaufsverbot gibt es in dem skandinavischen Land bisher nicht, allerdings ein Rauchverbot an vielen öffentlichen Plätzen, wie Bushaltestellen, Sportanlagen oder an Außenanlagen von Gastronomiebetrieben. Dies gilt auch für E-Zigaretten, allerdings nicht für den für Schweden typischen Lutschtabak „Snus“.

Die EU will dem Tabak den Kampf durch verschärfte Produktstandards und Mindestbesteuerungen ansagen, auch um das Risiko für Krebserkrankungen einzudämmen. Bis 2040 sollen europaweit nur noch 5% der Bevölkerung rauchen, heute sind es noch circa 25%. 
Die Weltgesundheitsorganisation WHO führt derzeit eine Kampagne zum Nichtrauchertag durch, unter anderem mit digitalen Unterstützungsangeboten zur Entwöhnung.

Maßnahmen (könnten) wirken

Auch wenn der Trend sowieso in großen Teilen der Welt rückläufig ist, gibt es Anzeichen dafür, dass Maßnahmen gegen den Tabakkonsum wirksam sein könnten. Die Europäische Tabakkontrollskala vergleicht die Kontrollaktivitäten der europäischen Länder seit 2006. 2019 lag Deutschland hier auf dem letzten Platz. Der Anteil der Raucher*innen sank zwischen 2006 und 2019 nur um 5%. Im Vergleich dazu ist Großbritannien seit Jahren Spitzenreiter im Kontrollieren gegen den Tabak und verzeichnet dementsprechend einen stärkeren Rückgang im Konsum: von 33% (2006) auf 17% (2019) Raucher*innen.

Ein weiteres Beispiel ist Ungarn, das seit einigen Jahren ebenfalls verstärkt Bemühungen zeigt und kontinuierliche Rückgänge im Konsum melden kann. Deswegen wäre es folgerichtig, in ganz Europa härtere Strafen einzuführen. Auf dem Kontinent ist der Anteil der Raucher*innen immer noch am größten im weltweiten Vergleich. Dabei müssen die Länder auch selbst aktiv werden, allen voran Deutschland. Die Gesundheit der Menschen und der Umwelt werden es danken.

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