Fernsehen war gestern: Streamingdienste, allen voran Netflix, machen es möglich, Filme und Serien unabhängig von einem festen Programm und einem festen Zeitraum zu schauen. Damit ist das Unternehmen erfolgreich: Nach der Gründung 1997 vermietete der Dienst zunächst Online-DVDs in den USA. Heute ist er mit Ausnahme von Nordkorea, Syrien, der Volksrepublik China und der Krim auf der ganzen Welt verfügbar. Inzwischen produziert Netflix nicht nur zahlreiche Serien und Filme selbst, sondern ist auch in die Politik involviert: Schließlich erfordert es diplomatisches Fingerspitzengefühl, um weltweit zu expandieren.
Netflix wird europäischer
Hinter der verabschiedeten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste verbirgt sich ein Versuch der Europäischen Union, auf die steigende Beliebtheit von Netflix zu reagieren. Da Streamingdienste noch nicht allzu lange auf dem Markt sind, ist die Rechtslage hier noch bedeutend dünner als zum Beispiel im Fall von traditionellen Fernsehsendern. Neben neuen Vorgaben bezüglich des Datenschutzes und der Auflage, unter anderem gewaltverherrlichende Inhalte zu löschen, bringt die neue Richtlinie aber vor allem eine Änderung: Mindestens 30 Prozent der Inhalte auf der Video-on-Demand-Plattform müssen in Zukunft europäische Produktionen sein. Aktuell liegen sie bei 20 Prozent, sodass eine Erhöhung um 10 Prozent erreicht werden muss.
Begleitet wurde die Verabschiedung der neuen Richtlinie mit viel Kritik: Gegner*innen bezeichneten sie als Eingriff in den Markt, der europäische Medienmacher*innen keinesfalls schütze, sondern vor allem Konsument*innen die freie Wahl nehme. Außerdem können Anbieter*innen wie Netflix nach der neuen Richtlinie dazu verpflichtet werden, sich an der Förderung des europäischen Films zu beteiligen. Kritische Stimmen lehnen dies ab und berufen sich auf das Prinzip des Herkunftslandes, wonach im europäischen Binnenmarkt Staaten nur in ihnen angesiedelte Anbieter*innen regulieren dürfen. Die Kommission antwortete daraufhin, dass dies im Fall von Netflix dem europäischen Gedanke widerspreche. Es führe dazu, dass Netflix mit seinem Hauptsitz in Amsterdam nur in niederländischen Film investiere.
Für Zuschauer*innen aus Europa bedeutet die Richtlinie auf der anderen Seite Repräsentation: Das in den USA gegründete Unternehmen zeigte naturgemäß anfangs vor allem US-amerikanische Produktionen, expandierte aber bald in die ganze Welt. Schauten deutsche Zuschauer*innen im deutschen Fernseher zahlreiche deutsche Produktionen, schauen jene, die ihren Fernseher verkauft und sich dafür Netflix zugelegt haben, nun vor allem US-amerikanische Produktionen. Das verdrängt nicht nur europäische und weitere internationale Produktionen, sondern kann auch zu einer kulturellen Dominanz der USA führen, kritisierten Gegner*innen von Netflix lange Zeit. Die Richtlinie wirkt nun dagegen.
Europäische Serie im neuen Jahr
Aber welche europäische Produktionen gibt es eigentlich auf Netflix zu sehen? Jede Menge! Im vergangenen Jahr erlangte zum Beispiel die deutsche Produktion „Dark“ weltweite Bekanntheit: Onlinemagazine berichteten sogar von US-amerikanischen Zuschauer*innen, die sich online die Untertitel-Funktion erklären ließen, da die Serie im deutschen Original besser und düsterer klinge als in der synchronisierten Version. Was bei der Thrillerserie vor allem auffällt ist, dass sie zu keinem Moment versucht, ihre US-amerikanischen Vorgänger*innen zu kopieren. Wer ländliche Gegend Deutschlands kennt, fühlt sich in der Serie zuhause.
Außerdem für 2019 geplant: eine Neuauflage von „Die Welle“. Der 1984 von dem US-amerikanischen Autor Morthon Rhue veröffentlichte Roman erhielt 2008 bereits eine Filmadaption aus Deutschland und wurde nicht erst da zum Klassiker vor allem in deutschen Schulen. Im neuen Jahr wird die Geschichte als Serie auf Netflix zu sehen sein. Gut vertreten ist außerdem Spanien: Die in Madrid spielende, historische Dramaserie „Die Telefonistinnen“, die Kultserie „Haus des Geldes“ und der Jugendthriller „Elite“ stammen alle von der iberischen Halbinsel. Frankreich steuert außerdem „La Mante“ über ein Bündnis zwischen einem Pariser Serienmörder und der Polizei, Dänemark „Rita“, eine Schulkomödie, und Finnland das Krimidrama „Bordertown“ bei. Bedeutet: An Ideen für europäische Produktionen scheint es nicht zu mangeln.
Was der Brexit mit Netflix zu tun hat, wie Saudi-Arabien zu dem Streamingdienst steht und wie es dem Unternehmen wirtschaftlich geht, kannst du im zweiten Teil dieses Beitrags nachlesen.
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