2015 erhielten NGOs EU-Gelder im Wert von 1,2 Milliarden Euro, heißt es in einem Intitiativbericht des CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper. Die Art, wie EU-Steuergelder genutzt würden, um NGOs zu unterstützen, müsse „transparent und glaubhaft dokumentiert“ werden, so seine Forderung.
Mehr als 90 Prozent der EU-Fördermittel wurden laut Bericht unter der Rubrik „Globales Europa“ verteilt, die für EU-Entwicklungsgelder und Notfallhilfen an Drittstaaten gedacht ist. Andere Haushaltslinien fielen deutlich kleiner aus: Etwa vier Prozent vergab man in der Rubrik „Nachhaltiges Wachstum im Rahmen natürlicher Ressourcen“, vier Prozent unter „Sicherheit und Bürgerschaft“ und weniger als 0,5 Prozent unter „Smartes und inklusives Wachstum“.
Der Bericht verweist jedoch auf eine starke Konzentration von Geldern in den Händen weniger Empfänger. Fast 60 Prozent der verfügbaren Mittel der Umwelt-, Sozial-, Gesundheits- und Menschenrechtsprogramme landeten angeblich bei nur 20 NGOs. Daher fordert der Bericht die Kommission nun auf, ihre Kontrollverfahren zu verbessern.
Darüber hinaus müsse die Institution die NGOs dazu verpflichten, Details über ihre Treffen mit EU-Vertretern und Abgeordneten offenzulegen – eine Forderung, die man häufig nur an Unternehmenslobbys richtet. So vermeide man, dass bei der Vergabe von Fördermitteln mit zweierlei Maß gemessen würde.
So manch konservativer EU-Politiker wird Markus Piepers Ansichten zur NGO-Finanzierung mit offenen Armen begrüßen. Ungarns Premierminister Viktor Orbán hatte auf dem Jahreskongress der Europäischen Volkspartei (EVP) in Malta Immigration zuletzt als „NGO-Business“ bezeichnet.
Umstrittener Paragraf
Der Vorstoß für mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht unter NGOs ist nicht neu. Sogar schon jetzt widmet sich eine Interessenvertretung namens NGO Monitor dem Thema. Sie beschreibt das bisherige Verhältnis zwischen Europa und NGOs als „problematisch“.
Die EU-Förderung für die Zivilgesellschaft ist meist Teil einer weitgefassten Entwicklungspolitik, schreibt der Verband auf seiner Seite. Häufig würde nur eine kleine Zahl von NGOs mit der Umsetzung von Regierungspolitik betraut, ohne dass man deren politische und ideologische Agenden berücksichtigen würde.
NGO Monitor stellt vor allem den „unverhältnismäßig hohen Fokus“ von EU-Hilfen im arabisch-israelischen Konflikt und der „politischen Kriegsführung“ gegen Israel in Frage.
Der Vorwurf, ideologisch voreingenommen zu sein, findet sich auch in einem umstrittenen Paragrafen des Pieper-Berichts wieder. Die EU müsse jedwede Förderung von Organisationen ablehnen, die „nachweislich Unwahrheiten verbreiten und/oder deren Ziele den Grundwerten der Europäischen Union, der Demokratie, den Menschenrechten und/oder den strategischen handels- und sicherheitspolitischen Ziele der EU-Institutionen widersprechen“.
Magda Stoczkiewicz, Direktorin von Friends of the Earth, ist empört. Ihre NGO setzt sich mit einer großen Bandbreite ökologischer Themen wie GVOs und Pestiziden auseinander. Sie verurteilt den Verweis auf die „strategischen handels- und sicherheitspolitischen Ziele“ der EU. „Damit schränkt man den Beitrag der Öffentlichkeit und die Debatte ein, die NGOs mit ihrer Arbeit im öffentlichen Interesse sicherstellen sollen.“
Dass EU-Gelder vor allem zur Förderung der Zivilgesellschaft verwendet würden, habe die Kommission Stoczkiewicz zufolge bereits in ihrem Governance-Weißbuch von 2001 anerkannt. Allgemein sei die Tatsache, dass Regierungsbehörden die Zivilgesellschaft subventionierten, um sich mit Politik auseinanderzusetzen genau das, „was Demokratien von Autokratien unterscheidet“. Insbesondere in den aktuellen Zeiten müsse man sich dies bewusst machen.
Friends of the Earth geht ihr zufolge sehr transparent mit seinen Einnahmequellen um. Finanzierungsttransparenz müsse für alle Interessenvertretungen in Brüssel gelten – nicht nur für NGOs. „Deshalb sind wir auch für ein strengeres und verpflichtendes Lobby-Verzeichnis“, so Stoczkiewicz.
Lügen und Märchen
EURACTIV nahm mit mehreren Industrievertretern Kontakt auf, die mit dem Geiste des Berichts einverstanden sind. Sie legten den Schwerpunkt vor allem auf den Aspekt der „Falschinformation“.
„Es scheint fair, für Transparenz zu sorgen, wenn es um europäische Steuergelder geht – insbesondere wenn diese an NGOs fließen, die manchmal Falschinformationen verbreiten“, findet Beat Späth, Direktor für grüne Biotechnologie bei EuropaBio. „Vor allem im post-faktischen Zeitalter machen Falschinformationen in der Regel schnell die Runde und beeinflussen die Entscheidungsfindung, wie das im Falle von GVOs oft der Fall ist. Es ist eine wichtige politische Entscheidung, ob man Falschinformationen fördern möchte.“
Viele Behauptungen, die Umwelt-NGOs in ihren Berichten aufstellten, seien „frei erfunden“ oder „dreiste Lügen“, schimpft ein Industrievertreter im Gespräch mit EURACTIV. „Alles, was wir machen – die von uns finanzierten Studien – müssen rechtlich genehmigt werden […]. Wir können uns nicht einfach was ausdenken, denn bei uns geht es um Produkte.“ Darüber hinaus könne ein Unternehmen gegen „Fake-Studien“ nicht klagen, da sein Ruf darunter leiden würde. NGO-Berichte sind ihm zufolge meist viel zu technisch und daher nur schwer nachprüfbar.
Dieser Artikel ist zuerst bei unserem Medienpartner Euractiv erschienen.
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