Nicole Fontaine ist von uns gegangen

Hommage an eine große Europäerin

, von  Thomas Arnaldi, übersetzt von Susanne Quint

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Nicole Fontaine ist von uns gegangen
Fotoquelle: Flickr / UN Geneva / CC BY-NC-ND 2.0

Nicole Fontaine, Präsidentin des europäischen Parlaments von 1999 bis 2002, ist in der Nacht zu Donnerstag, 17 Mai 2018, gestorben. Als große Europäerin, die sich für ein Europa der Bürger eingesetzt und dieses gestaltet hat, nahm sich zu Herzen, ihre Leidenschaft für Europa mit anderen zu teilen. Als europäische Abgeordnete seit 1984 auf der von Simone Veil geleiteten Liste, hat sich Nicole Fontaine mehr als 35 Jahre lang zugunsten der europäischen Einigung eingesetzt. Ihre Begeisterung und ihr Kampf für Europa macht viele Pro-Europäer zu Waisen.

1942 im Departement Seine Maritime in der Nähe von Fécamp geboren, interessiert sich Nicole Fontaine sehr früh für Recht und Bildungsfragen bevor sie eine Europäische Karriere beginnt. Ab 1962 Studentin am französischen Politikhochschule Sciences Po Paris, wird sie später Rechtsberaterin im Generalsekretariat des katholischen Unterrichtswesens. Dies hat ihr 1969 ermöglicht, ihre Dissertation in öffentliche Recht zum Thema „private Bildung: durch einen Vertrag mit dem Staat verknüpft“ zu schreiben. Sie berät mehrere aufeinanderfolgende Regierungen innerhalb des obersten Rats des staatlichen Bildungswesens bis 1981 und setzt sich so gegen den Gesetzesentwurf „Loi Savary“ zu privater Bildung ein.

Eine Juristin mit großem Interesse an Bildung

Ihre Karriere nimmt 1984 eine regelrechte politische Wende als sie für die europäischen Wahlen kandidiert und auf die Liste von Simone Veil gewählt wird. Nach der zweiten Direktwahl des europäischen Parlaments trägt Nicole Fontaine voll und ganz zur Entstehung einer europäischen Demokratie und zu einer Stärkung des Parlaments, das ihren Wünschen entspricht, bei. Tendenziell christlich-demokratisch geprägt und Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), wird sie ab 1989 Vize-Präsident der Institution. Bis 1999 stets wiedergewählt, wird sie dann Präsidentin des europäischen Parlaments als zweite Frau nach Simone Veil 20 Jahre zuvor. 2002 wird sie durch den Premier Minister Jean-Pierre Raffarin für das zweite Mandat von Jacques Chirac zur Industrieministerin ernannt und unterbricht dafür ihr parlamentarisches Mandat. Für die Kampagne der Europawahlen 2004 kehrt sie jedoch auf die politische Bühne zurück und wird erneut für ein letztes Mandat bis 2009 gewählt.

Zweite weibliche EU-Parlamentspräsidentin

Mit dieser europäischen Wende, engagiert sich Nicole Fontaine auch zugunsten eines Europas der Bürger. Mit ihrem europäischen Enthusiasmus und ihrem Einsatz für eine Stärkung der Rolle des Parlaments, trägt sie zum politischen Reifungsprozess einer Institution mit wenig Macht bei, die die nachfolgende Entwicklungen des europäischen gemeinschaftlichen Systems kennt mit einer Visierlinie: die Mitentscheidung, die durch den Vertrag von Maastricht eingeführt wurde. Sehr früh interessiert sie sich für die Wiedervereinigung „der großen europäischen Familie“ mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989. Ihre Vision war in erster Linie die „Kohärenz, die Glaubwürdigkeit und die Sichtbarkeit des EU-Projekts“ zu bewahren und „gleichzeitig politischen Mut und Willen“ zu zeigen. Die gemeinschaftliche Methode zu bewahren und die Bürger mehr in die Einbeziehung der europäischen Vorgehensweise zu integrieren sind Teil ihrer Zielsetzung.

Mit dieser Ausrichtung nimmt sie an der Entstehung und dem Aufbau des Erasmus-Programms 1987 teil, und vereinbart so ihre juristischen Prärogativen, sowie ihr Prärogativen in der Zusammenarbeit im Bildungswesen. Im Mai 2005 bedauert sie „zutiefst das Scheitern des Referendums“ für die Reform des institutionellen Modells der europäischen Union mit dem Verfassungsvertrag und engagiert sich weiter für ein vereinfachtes Modell der EU. Über den Vertrag von Lissabon in 2009 urteilt sie, dass er „nötig sei, um die Union einen neuen Schub zu geben, aber nicht ausreichend sei, um den europäischen Traum wiederzubeleben“.

Lehren für das Europa von morgen

Nach ihrem letzten parlamentarischen Mandat 2009, widmet sie sich wieder ihren juristischen Aktivitäten. Sie gründet ein eigenes in Europarecht spezialisiertes Beratungsunternehmen. Als leidenschaftliche Pädagogin liegt ihr am Herzen ihre Erfahrung zu teilen und zu lehren. Als Professorin für Europa-Studien (Chaire Jean Monnet) an der Universität Sophia Antipolis in Nizza in 2010, lehrt sie Recht und Politikwissenschaften an der Universität und an der ESCP Europe. Bis 2018, hat sie an der Sciences Po Paris auch weiterhin regelmäßig Unterricht zur Entwicklung des integrierten Europas, seinen Institutionen, seinen Entscheidungsverfahren und dem Modell der Demokratie gegeben.

Zuletzt mochte sie, die Entwicklung der Kampagne des Brexits und dessen Wirkung zu analysieren. Wenige Tage vor dem Referendum von 2016, hat sie das Buch Brexit: eine Chance? Europa neugestalten herausgebracht, verfasst in Kooperation mit dem Journalisten François Poulet-Mathis. Davon ausgehend, dass Europa „krank von seinem demokratischen Defizit“ ist und eine existenzielle Krise durchlebt, stellt sie fest, dass es „keine Piloten mehr im europäischen Flugzeug“ gibt. Sie sah den Brexit also am Scheideweg als „heilsamen Schock“, um wieder mit der Lust auf ein Europa anzuknüpfen.

Der Präsident des europäischen Parlaments Antonio Tajani hat so Nicole Fontaine gepriesen, sowie „ihr Engagement für Europa und ihren Werten [die] uns weiterhin dauerhaft leiten werden“. Der Präsident der französischen Republik hat ebenfalls in einer Mitteilung gelobt, dass „sie bis zum Ende ihre tiefe Überzeugung, dass die europäische Union die Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit ist, intakt gehalten hat, und ihre ganze Energie eingesetzt hat, damit die auch so ist“. Die Widmungen sind zahlreich für diese große europäische Persönlichkeit und die Redaktion von Treffpunkteuropa legt Wert darauf, Nicole Fontaine ihre Dankbarkeit für ihr Engagement für die europäische Einheit zu übermitteln, die wir weiterführen werden.

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