Osteuropa – junge Demokratien in Gefahr

, von  Nathan Delbrassine, übersetzt von Anna Wenzel

Osteuropa – junge Demokratien in Gefahr
Proteste in Chişinău nach den Wahlen 2009. Seitdem befindet sich Moldawien in einer chronischen politischen Krise. © VargaA / Wikimedia Commons/ CC BY-SA 2.0-Lizenz

Polen steht heute im Zentrum von Kontroversen. Beobachter werfen der Regierung unter Beata Szydlo (PiS) die Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit vor. Die Europäische Kommission untersucht den Fall inzwischen. In anderen Ländern Osteuropas wie Rumänien oder Serbien sind ähnliche Entwicklungen zu befürchten.

Rumänien kämpft mit seiner Vergangenheit

In Rumänien wurde im August 2015 ein Gesetz verabschiedet, das rassistische oder faschistische Kultsymbole und die Verehrung von an Völkermorden beteiligten Personen untersagt. Dieses Gesetz greift insbesondere bezüglich der Gedenkveranstaltungen rund um den im Dezember 1989 erschossenen Präsidenten Nicolae Ceausescu, dessen Tod viele bedauern. Es sieht dabei bis zu drei Jahre Haft für alle Verstöße vor. Neben der Tatsache, dass die parlamentarischen Debatten übereilt waren, Historiker oder Spezialisten nicht in die Entwurfsphase der Gesetze einbezogen wurden und die Behörden durch Autoritarismus jede Gesprächsmöglichkeit verhindert haben, wirft der Entwurf drei weitere Probleme auf.

Die Universitäten sorgen sich um den Handlungsspielraum, den ihnen der Staat mit einem solchen Gesetz in Forschung und Lehre eingestehen wird. Sie fürchten Restriktionen in der Erforschung von Extremismen und Nationalismen, die die rumänische Gesellschaft heute prägen und spalten. Des Weiteren ist gerade der Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit nicht geregelt. Das ist laut Radu Preda im Courrier International „der Hauptfehler an diesem Gesetz“. Somit handele es sich Preda zufolge um ein“prokommunistisches" Gesetz.

Letztendlich droht das Gesetz somit den Aufarbeitungsprozess der Geschichte des Landes zu beeinträchtigen. Ein Verbot könnte sich rasch in ein Tabu, die Dinge zu hinterfragen, verwandeln, was wiederum negative Effekte auf die rumänische Gesellschaft haben könnte. So ist doch die Möglichkeit zu Erinnern und auch die dunkelsten Ereignisse der Geschichte zu debattieren essentiell für das Verstehen und Vermeiden von Fehlern in der Zukunft. Hinzuzufügen ist, dass der „Kult-“ Begriff verhältnismäßig schwammig ist und es erschwert wird, zwischen historischer, soziologischer oder psychologischer Überlegung und strafrechtlichem Verstoß zu unterscheiden.

Serbien im Schatten Russlands

Der Fall der Berliner Mauer 1989 und der Zerfall der UDSSR 1991 schienen das Ende von Propaganda zur Durchsetzung politischer Meinungen in Europa einzuläuten. Anscheinend ist das nicht der Fall. Tatsächlich hat das Zentrum für neue Medien Liber der Mehrheit der serbischen Politiker die Benutzung von Bots im sozialen Netzwerk Twitter nachgewiesen. Ein Bot ist eine automatische oder halbautomatische Software, die mit Computerservern interagiert. Das Programm kann für wiederholende Aufgaben benutzt werden, aber auch um einen Angriff gegen die Internetdienste zu starten oder selbsttätig auf Gesprächsforen zu posten. Die Benutzung von Bots lässt sich dabei der Praxis des Astroturfing zuschreiben, einer Propagandatechnik für politische Kampagnen, die den Eindruck vermitteln will, eine Meinung sei weit verbreitet, obwohl die Äußerungen computergesteuert sind. Diese Praxis ist ein übliches Mittel in Russland, China und bestimmter Unternehmen der USA. So ist für die örtlichen Machthaber der serbischen „Partei des Fortschritts“ eine Möglichkeit entstanden, sämtliche Oppositions- oder Widerstandsformen im Netz außer Kraft zu setzen. Diese neue Form der Propaganda besteht aus ständigen Kampagnen mit zahlreichen typisierten und manchmal beleidigenden Antworten auf von der Opposition ausgestrahlte Meinungen, mit Unterschlagung aller von politischen Gegnern erhobenen Problematiken und, wenn das nicht genügt, mit Verleumdungsaktionen. Wenn all das die Proteste nicht zum Kippen bringt, senden die Bots ihre Informationen an die Zeitungen, die durch Publikationen auch die letzten Widerständler überzeugen können.

Moldawien steht dem in Nichts nach

Am 21. Januar 2016 versammelten sich 10 000 Menschen in Chisinau, um gegen die neue Regierung zu protestieren. Am Tag zuvor hatte Pavel Filip, der frisch ernannte Ministerpräsident, mitten in der Nacht im Laufe einer polizeilich stark überwachten Zeremonie den Eid geleistet. Die Demonstranten kritisierten die Geschwindigkeit, mit der Pavel Filip vereidigt worden ist, sowie die politische Unbeständigkeit im Land. Moldawien hatte fünf Regierungen im Laufe von weniger als zwei Jahren durchlebt und leidet weiterhin unter Korruption. Jüngstes Ereignis ist das Verschwinden von einer Milliarde Euro, was die moldawischen Behörden allerdings wenig zu beschäftigen scheint.

Auch wenn Polen momentan das Gros der medialen Aufmerksamkeit zu Teil wird, ist die Demokratie in anderen Ländern Europas mindestens genauso gefährdet. Denn auch Rumänien und Serbien leiden unter Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit. In Serbien werden oppositionelle Äußerungen im Netz weggeschwemmt, in Rumänien scheint die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fehlerhaft. Nicht zu vergessen ist auch Moldawien, das als Beitrittskandidat der EU in Betracht gezogen wird. Die europäischen Verantwortlichen sollten nicht weiter zuschauen, wie die politische Pluralität aufs Spiel gesetzt wird und stattdessen die jungen Demokratien stärken.

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