Wer oder was wird gewählt?
In den Niederlanden wird vom 15. bis zum 17. März 2021 die Zweite Kammer („Tweede Kamer“) des Parlaments gewählt. Die Zweite Kammer hat 150 Sitze, für welche 1.579 Kandidat*innen aus 37 Parteien zur Wahl stehen. Eine Legislaturperiode dauert vier Jahre.
Die gesetzgebende Gewalt liegt bei der Krone und dem Parlament, welche sich aus der Ersten Kammer (dem Senat) und der Zweiten Kammer zusammensetzt. Diese ist vergleichbar mit dem deutschen Bundestag.
Für die Wahl der Zweiten Kammer gilt ein reines Verhältniswahlrecht, bei dem alle Wahlbeteiligten eine Stimme für eine Kandidat*in auf einer landesweiten Liste abgeben können. Kandidat*innen mit niedrigeren Listenplätzen können über eine sogenannte Vorzugsstimme ins Parlament gelangen. Um in das Parlament zu kommen, muss eine Partei mindestens 0,67% der Stimmen erhalten, was besonders den kleinen Parteien nützt.
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Seit 1918 wird in den Niederlanden mittwochs gewählt. Dieser Tag bietet sich insbesondere deshalb so gut an, weil sie verschiedene Religionen berücksichtigt. Der Sonntag wird als protestantischer Tag der Ruhe ebenso ausgeschlossen, wie der jüdische Sabbat, der von Freitag bis Samstag Abend gehen kann. Aufgrund des muslimischen Freitagsgebets, wird auch der Freitag nicht in Erwägung gezogen.
Corona-bedingte Besonderheiten: Pandemiebedingt sind manche Wahllokale schon am Montag und Dienstag geöffnet, um Hygieneauflagen zu gewährleisten. Auch können rund 2,4 Millionen Wahlberechtigte über 70 Jahren dieses Jahr erstmals per Briefwahl abstimmen.
Wofür stehen die Parteien?
Die Parteien nach Fraktionszugehörigkeit im Europäischen Parlament:
GUE/NGL - Sozialistische Partei (SP)
S&D - Partei der Arbeit (PvdA)
Grüne/EFA - GrünLinks (GroenLinks), Volt
Renew Europe - Demokraten66 (D66), Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD)
EVP - Christlich-Demokratischer Aufruf (CDA), Christen-Union (CU), 50PLUS
EKR - Forum für Demokratie (FvD), Reformierte Politische Partei (SGP), Richtige Antwort 2021 (JA21)
ID - Partij voor de Vrijheid (PVV)
Welche Parteien gelten als Favoriten?
Seit 2017 regierte eine Koalition von vier Parteien: die rechtsliberale VVD, linksliberale D66, christdemokratische CDA und calvinistische Christenunion CU. Sie verfügte über 75 von 150 Sitzen in der Zweiten Kammer.
Premierminister Mark Rutte (VVD) ist seit 2010 im Amt und strebt mit der diesjährigen Wahl eine vierte Amtszeit an. Nach Angela Merkel gilt er als der amtsälteste Regierungschef innerhalb der EU. Rutte gilt als erprobter Krisenmanager und wird mit aller Wahrscheinlichkeit einen weiteren Wahlsieg verbuchen. Seine Partei liegt laut Umfragen mit 25% weit vorne. Da das Parlament extrem zersplittert ist, ist dies ein beachtlicher Wert. Auch der Skandal um Kindergeldzuschläge und damit verbundenen Rassismusvorwürfen, welche zu seinem Rücktritt im Januar 2021 führte, schadete seiner Beliebtheit nicht.
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Interessant wird daher vor allem, welche Koalitionen denkbar wären. Wie schon im Jahr 2017 wird die rechtspopulistische PVV um Geert Wilders vermutlich zweitstärkste Kraft. Aktuell liegt sie bei Umfragen bei rund 13%. Fast alle etablierten Parteien schließen eine Koalition mit den rechtspopulistischen Parteien aus, allerdings hat sich die Regierung unter Rutte durch den wachsenden Einfluss der Rechtspopulisten laut dem Politologen Hakhverdian „in den letzten Jahren bereits deutlich nach rechts bewegt“.
Wahrscheinlicher ist eine erneute Koalition mit der christdemokratischen CDA, welche in den Umfragen aktuell auf Platz drei liegt. Allerdings werden die beiden Parteien weitere Koalitionspartner benötigen, um eine regierungsfähige Mehrheit im Parlament zu bilden.
Welche Themen stehen im Fokus?
In diesem Jahr steht die Corona-Pandemie im Mittelpunkt des Wahlkampfes. Sie ist Auslöser für zunehmenden Druck von sowohl Links als auch Rechts. Linksgerichtete Parteien kritisieren unzureichende Investitionen in ein „kaputtgespartes“ Gesundheitssystems. Auch die Problematik der allgemeinen Wohnungsnot, des Lehrkräftemangels, und die Unsicherheit vieler Flexi-Jobs rückten durch die Gesundheitskrise und ihren gesellschaftlichen Auswirkungen verstärkt in den Fokus des politischen Mainstreams. Soziale Inhalte und grüne Themen können in den Niederlanden nicht mehr nur einer Partei zugeordnet werden.
Auf der anderen Seite wittern die Rechten eine Chance zur Einflussnahme. Im diesjährigen Wahlkampf wichen ihre klassischen Themen wie Islam, Migration und EU, dem Missmut über Lockdown und Ausgangssperre. Geert Wilders (PVV) und Thierry Baudet (FvD) prangern das Krisenmanagement der Regierung an. Letzterer führt die Partei Forum voor Democratie (FvD) an, welche 2019 als stärkste Kraft aus den Provinzwahlen hervorging, die die Erste Kammer des Parlaments bestimmen. Laut Thierry Baudet nutze der Staat die Pandemie um die Bürger*innen ihrer Freiheit zu berauben. Ein Großteil seiner Wähler*innen gilt als Corona-Leugner.
Was bedeutet die Wahl europapolitisch?
Aufgrund seiner langjährigen Amtszeit genießt Premierminister Mark Rutte in Brüssel persönliches Ansehen und die europapolitische Positionierung der Niederlanden wird oftmals mit seiner Partei VDD gleichgesetzt. Bei einem erneuten Wahlsieg dürfte eine Kontinuität in der niederländischen Position vis-à-vis Brüssel zu erwarten sein.
Unter seiner Regierung hat sich die Niederlande im vergangenen Jahrzehnt eher kritisch gegenüber vertiefter europäischer Integration gezeigt. Zuletzt war sie als Teil der “Sparsamen Vier” maßgebend am Streit um den EU-Haushaltsplan und den Corona-Rettungsplan beteiligt, wobei sie für eine Verringerung des geplanten Krisenprogramms plädierte.
Auch im diesjährigen Wahlprogramm spricht sich die VVD zwar für die Nützlichkeit der EU aus, legt aber viel Wert auf die Einhaltung von Finanzdisziplin, Rechtsstaatlichkeit und Subsidiaritätsprinzip in Sachen Steuern und Rente. Des weiteren betont sie die Marktmacht der EU und plädiert dafür, diese vermehrt einzusetzen, um internationale Beziehungen zu lenken.
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