Eine europäische Grußkarte an den französischen Nachbarn

, von  Arthur Molt

Eine europäische Grußkarte an den französischen Nachbarn
Die Postkarten von NousSommes.EU sollen vor allem Menschen im ländlichen Frankreich erreichen. copyright Kati Szylagyi / katiszi.com, zur Verfügung gestellt für treffpunkteuropa.de

Die Initiative NousSommes.EU fordert dazu auf, Postkarten an unsere Nachbarn in Frankreich zu schicken. Ein praktischer Vorschlag, europäischen Zusammenhalt zu leben. Nächsten Sonntag entscheiden die Franzosen über ihr künftiges Staatsoberhaupt und damit über die Zukunft der Europäischen Union.

Haben Sie schon einmal eine Flaschenpost bekommen? Die Flaschenpost ist - im Unterschied zu anonymen Hass-Posts oder der Nachricht eines Stalkers - eine Mitteilung von einem Fremden, über die man sich freuen kann.

Die Postkarten der Aktion NousSommes.EU funktionieren ganz ähnlich. Die Organisatoren des Projekts möchten Europäer auffordern, wildfremden Menschen in Frankreich eine Postkarte zu schreiben. Aufdringlich? Nicht unbedingt. Sicher aber persönlicher als ein online-posting oder ein like-button.

Janina, die Inititatorin des Projekts erzählt treffpunkteuropa.de, wie es zu der Idee mit den Postkarten kam. Auf einem Workshop zur politischen Bildung hörte sie den Vortrag eines Europakenners, der angesichts der bedrohlichen Situation in Europa mit überraschender Offenheit zugab: Ich habe keine Ahnung, was man tun kann; aber jetzt ist die Zeit, etwas zu tun. In dem Moment war Janina klar, dass es etwas Persönliches sein muss, um der europaskeptischen Stimmung etwas entgegen zu setzen. So persönlich wie eine Postkarte. Ungewöhnliche Zeiten verlangen nun einmal ungewöhnliche Ideen.

Die Europäische Gemeinschaft als eine Nachbarschaft denken und - bei aller berechtigten Kritik an der Funktionsweise der EU - sich zu den Vorteilen eines geeinten Europas bekennen ist eine Einsicht, die derzeit Schule macht. Auf der Website von NousSommes.EU heißt es dazu: „In den Medien wird oftmals nachvollziehbare Kritik diskutiert. Aber wer erzählt von den Vorteilen? Wer erinnert an die europäische Idee? - Unsere Antwort lautet: die Nachbarn.“

Großstadtbewohner an Landbevölkerung

Interessierte erhalten auf NousSommes.EU eine zufälig ausgewählte Adresse, die an das Emailkonto geschickt wird. Die Postkarten sollen sich vor allem an die Bevölkerung auf dem Land richten. Dafür haben die Organisatoren französische Dörfer mit geringer Wahlbeteiligung ausgewählt. Für die Initiatoren des Projekts geht es zuerst einmal darum, eine Diskussion über Europa unter den Bürgern in Gang zu setzen. Die Wähler in Frankreich werden sich aus vielerlei Gründen für Le Pen oder Macron entscheiden. Die Macher von NousSommes.EU glauben, dass ein persönlicher Gruß dabei helfen kann, Europa ins Bewusstsein zu bringen: „Wir hoffen, dass die dortigen Wähler die europäische Idee von Frieden und Demokratie mit an die Wahlurne nehmen werden.“

Abgesehen vom Webmaster - Philipp, der derzeit in Großbritannien studiert und dort die Auswirkungen des Brexits mitbekommt - sind es junge Frauen, die die Initiative in ihrer Freizeit betreuen. Die meisten sind Anfang Dreißig. Gemeinsam haben sie, dass sie in Großstädten leben: Berlin, Hamburg, München. Von den Vorteilen der Europäischen Union können Sie alle berichten. Sei es der Auslandsaufenthalt im Studium oder das grenzüberschreitende Reisen für Urlaub und Beruf.

„Salut Madame, Sie wundern sich vielleicht über die unbekannte Handschrift...“

„Erzähle von dir. Verzichte auf jegliches Missionieren – das braucht kein Demokrat.“ So ein Tipp der Initiative. Ebenso sinnvoll wie einfach. Denn eine schulmeisterliche Belehrung, wie der französische Adressat über Europa zu denken hat, erregt sicher keine große Gegenliebe. Außerdem passen Moralpredigten nicht auf eine Postkarte. Stattdessen regt NousSommes.EU dazu an, über sich zu sprechen: „Wer bist du und was bedeutet Europa für dich?“

Auf der Website finden sich bereits erste Beispiele für die kleinen europäischen Grußbotschaften. Die Spannbreite ist weit. Ein Dreizehnjähriger freut sich darüber, dass seine Mutter ihm aus Paris Süßigkeiten mitbringt. Eine Siebzigjährige schreibt, dass sie den Mauerbau 1961 „nie für möglich gehalten hätte“ und sich auch in Zukunft ein offenes und friedliches Miteinander in Europa wünscht.

Bisher haben rund 300 Menschen eine Adresse auf NousSommes.EU angefordert. Kein großer Andrang, wie Janina zugibt. Größeren Erfolg hätten sie, seit sie auf den Demonstrationen von pulse of Europe die Postkarten direkt verteilen. Rund 2000 Postkarten hätten Teilnehmer der pro-europäischen Demonstrationen schon in Empfang genommen. Auch hier scheint der persönliche Kontakt Trumpf zu sein.

Freundliche Botschaften sind ebenso wenig eine Selbstverständlichkeit wie offene Grenzen. Die Initiative NousSommes.EU gibt Tipps zur Gestaltung einer europäischen Postkarte. Wer kein Französisch kann, hat vielleicht Freunde mit entsprechenden Sprachkenntnissen oder bemüht eine Übersetzungssoftware. Copyright by Kati Szylagyi katiszi.com

Warten auf ein Antwortschreiben, am besten vor der Bundestagswahl

Es könnte der Beginn einer wunderbaren Brieffreundschaft sein. Oder zumindest ein Austausch von Postkarten. Schließlich stehen nicht nur die Franzosen vor einer schweren politischen Entscheidung. Bis zur Bundestagswahl im September bleibt noch genügend Zeit für einen europäischen Briefwechsel. Wenn einer den ersten Schritt macht.

Kommen die Postkarten noch vor der Wahl am Sonntag an?

Eine normale Postsendung nach Frankreich braucht nach Angaben der Deutschen Post 2-3 Tage. Wenn die Postkarte bis spätestens Donnerstag im Briefkasten ist, kommt sie noch vor der Stichwahl am Sonntag in Frankreich an. Langsamer als ein Hass-Post aber treffsicherer als eine Flaschenpost.

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